Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee
Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band 77
Broschur
2010. 258 Seiten, 90 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-0719-1
CHF 58.00 / EUR 47.00 
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Er sei als Habsburger «ein geborener, guter Eidgenosse», verkündete Maximilian 1507 in Konstanz und erinnerte so an die aargauischen Wurzeln der Habsburger und an die frühere Herrschaft auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Auch wenn seit dem Spätmittelalter die angeblich unversöhnlichen Gegensätze zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft betont wurden, machen das Herkommen und die ursprüngliche Bedeutung der Habsburger deutlich, dass auch sie Teil der Schweizer Geschichte sind.
Unter dem Eindruck einer «nationalen» Geschichtsschreibung wurde Schweizer Geschichte jedoch lange vor allem aus der Innerschweizer Perspektive betrachtet. Erst die letzten Jahre brachten eine Hinterfragung der klassischen Geschichtsbilder und eine Verschiebung der Gewichtungen. In den Vordergrund rückte nicht zuletzt die habsburgische Vergangenheit. Statt den Schlachten galt – und gilt – das Interesse jetzt alltäglicheren Formen des Mit- und Gegeneinanders, die weit stärker von Kontinuität als von Abgrenzung geprägt waren und Fragen beispielsweise nach der Rolle des Adels und der kleineren Städte, nach den Strukturen der habsburgischen Landesherrschaft und Verwaltung oder nach der Macht der Erinnerung aufwerfen.
Diese Sicht führt das vorliegende Buch fort, das in insgesamt vierzehn Beiträgen die habsburgische Herrschaft im Spannungsfeld von Archiv und Burgenbau, von Reisetätigkeit und Münzprägung, von Fürsten und ihrer Klientel oder von Klostergründungen und Grablegen thematisiert und so ein neues Bild der «habsburgischen» Vergangenheit der Schweiz zeichnet.

ist freischaffender Historiker und lebt in Winterthur. Neben seiner Tätigkeit in Museen und als Reiseleiter forscht und publiziert er zur Landesgeschichte der Ostschweiz mit besonderem Schwerpunkt auf der Adels- und Kirchengeschichte. Er ist Vizepräsident der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich.


Bücher im Chronos Verlag


Aufsätze im Chronos Verlag

Artikel
  • Zum Geleit
  • «Erbfeindschaft», Konkurrenz oder gemeinsame Wurzeln? Habsburgisch-eidgenössische Geschichte(n) im Spätmittelalter
  • Formen und Symbole von Herrschaft
  • Habsburger und Eidgenossen im Mittelalter. Versuch einer Periodisierung
  • Das Hochstift Konstanz und Rudolf von Habsburg
  • Habsburger und Burgenbau in den «Vorderen Landen»
  • Habsburgische Münzprägung und Münzpolitik in den Vorlanden um 1400
  • «On the Move». Das Itinerar der Herzöge Leopold IV. und Friedrich IV. von Österreich von der Schlacht bei Sempach (1386) bis zur Aussöhnung mit König Sigmund (1418)
  • Erobert, entführt und makuliert. Das vorländische Archiv der Herzöge von Österreich als Herrschaftsinstrument und Kriegsbeute
  • Fürsten und Gefolgsleute
  • Princeps Suevie et Alsacie. Herzog Rudolf IV. von Österreich und die habsburgischen Vorlande
  • Maximilian I. und die Eidgenossen
  • Adel und Habsburg – habsburgischer Adel? Karrieremöglichkeiten und Abhängigkeiten im späten Mittelalter
  • Exponenten der Teilung – Instrumente der Versöhnung? Die Schenken und Truchsesse von Habsburg zwischen den Linien Habsburg und Habsburg-Laufenburg in der Mitte des 13. Jahrhunderts
  • Hans Lanz von Liebenfels. Eine Diplomatenkarriere im 15. Jahrhundert
  • Erinnerungskulturen
  • Stiftung als gute Herrschaft. Die Habsburger in Königsfelden
  • Umstrittenes Gedächtnis. Habsburgisches und eidgenössisches Totengedenken nach der Schlacht bei Sempach
  • Die Grabkapelle der Herren von Hallwyl in der Kirche Seengen. Erinnerungskultur eines Schweizer Adelsgeschlechts

Pressestimmen
«Der teils aus Vorträgen zu Gedenkveranstaltungen des Jahres 2008 erwachsene, teils aus eigens verfassten Beiträgen bestehende, reich und gut bebilderte Band bietet einen bunten Strauss von vierzehn Beiträgen, die sich dem Rahmenthema vor allem in herrschaftsgeschichtlichen Kontexten widmen.» Kurt Andermann, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins

«Mit Einblicken in strukturelle, personale und memoriale Aspekte präsentiert der von Peter Niederhäuser umsichtig betreute Band ein breites Spektrum von neuen Zugängen zur habsburgischen Herrschaft im Gebiet der heutigen Schweiz, die diese aus lokaler und regionaler Sicht als Bestandteil komplexer Verhältnisse und kontingenter Entwicklungen betrachten.» Martina Stercken, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte

«Nachdem die Schweizer Geschichte lange Jahrzehnte vor allem aus dem Blickwinkel der Innerschweiz betrachtet wurde, haben sich in den letzten Jahren die Gewichte verschoben. Damit rückte automatisch die habsburgische Geschichte der Vorderen Lande in den Blickpunkt. Statt der Schlachten traten dabei die Formen des alltäglichen Lebens in den Vordergrund. Der vorliegende Band hat diese Betrachtungsweise fortgesetzt und ein neues Spannungsfeld der habsburgisch-eidgenössischen Geschichte entstehen lassen, das die künftige Geschichtesforschung weiter beschäftigen wird. Der Band liefert einen umfassenden Eindruck der Geschichte der Eidgenossenschaft und ihrer Verbindung zu den Habsburgern und kann als grundlegende Arbeit zur Entstehung der Eidgenossenschaft empfohlen werden.» Immo Eberl, Genealogie – Deutsche Zeituschrift für Familienkunde

Besprechungen
Das Habsburger-Gedenkjahr 2008, in welchem vor allem im Aargau an die Ersterwähnung der Habsburg 1108 und an die Ermordung König Albrechts I. 1308 bei Windisch erinnert wurde, gab den Anstoss für eine Neubewertung der habsburgischen Herrschaft in ihren Stammlanden. Ein von Peter Niederhäuser herausgegebener Sammelband zur Geschichte der Habsburger zwischen Aare und Bodensee nimmt den Zeitraum vom 13. bis 16. Jahrhundert in den Blick. Er will Bausteine einer habs­burgischen Geschichte der Schweiz bieten, ja das Bild einer «habsburgischen» Schweiz, so die Formulierung des Herausgebers, entwerfen. Die ältere eidgenössische Forschung hatte die habsburgisch-eidgenössische Geschichte des Spätmittelalters aus Innerschweizer Perspektive gezeichnet und nationalen Deutungsmustern unterworfen. Sie sah das Spätmittelalter als abgeschlossene Formierungsphase der Eidgenossenschaft an und ging von einer Gegnerschaft aus, die als Erbfeindschaft gezeichnet wurde: Erst in Abgrenzung zu Habsburg konnte die Schweiz entstehen. Die neuere Forschung hat hingegen die Habsburger als Teil der Geschichte der heutigen Deutschschweiz etabliert, indem sie die Beziehungen und Verbindungen zwischen den Eidgenossen und den Habsburgern ins Zentrum stellte und deutlich machte, dass es keine klare Frontstellung gegeben habe. Allerdings wurde das 14. und 15. Jahr­hundert weiterhin als entscheidende Phase für die Ausbildung von vormoderner Staatlichkeit und eidgenössischer Identität verstanden. Dies habe sich insbesondere im 15. Jahrhundert bei der Konstruktion von Helden- und Schlachtenbildern gezeigt, die als Feindbilder eine Grundsubstanz eid­genössischer Identität gebildet hätten. Der Sammelband repräsentiert die Ergebnisse einer neuen Generation von Forscherinnen und Forschern, die auf den Deutungen von Guy Marchal, Roger Sa­blonier oder Bernhard Stettler aufbaut, aber andere und neue Akzente setzt. Ab­­gesehen von den beiden einleitenden Artikeln sind die Aufsätze in drei Themenbereiche gruppiert. Sechs Beiträge widmen sich der Herrschaftsausübung und analysieren Formen und Symbole von Herrschaft. Fünf Aufsätze beschäftigen sich unter dem Titel «Adel» mit den Fürsten und den Gefolgsleuten, drei Studien haben spätmittelalterliche Erinnerungskulturen zum Thema. Eine Sektion zu den Aussenbeziehungen der Akteure wäre noch wünschenswert gewesen. Der Sammelband ist mit zahlreichen, zum Teil farbigen Abbildungen reichhaltig ausgestattet. Insbesondere die Vielzahl an hervor­ragenden Karten, Stammtafeln und Schaubildern wird eine häufige und lange Benutzung des Bands zur Folge haben. Ein Register fehlt. Der erste Themenbereich der Herrschaftsausübung wird durch zwei Beiträge kontextualisiert: Durch eine Übersichts­darstellung zum Verhältnis von Habsburgern und Eidgenossen (Bruno Meier) und durch eine Studie zur Etablierung der habsburgischen Vorrangstellung unter König Rudolf von Habsburg im 13. Jahrhundert, was am Beispiel der erfolgreichen Verdrängung der Bischöfe von Konstanz vorgeführt wird (Harald Derschka). Vier Aufsätze diskutieren Beispiele für die Herrschaftsausübung der Habsburger und die Struktur der habsburgischen Landesherrschaft im 14. und 15. Jahrhundert, sie gelten dem Burgenbau (Werner Wild), der Münzprägung und der Münzpolitik (Benedikt Zäch), dem fürstlichen Itinerar und der Reiseherrschaft (Christian Sieber) sowie dem Archiv als Herrschaftsinstrument (Roland Gerber). Die vier Falluntersuchungen erweitern die älteren Studien Marchals zur Pfandschaftspolitik und Sa­bloniers Forschung zur Schriftlichkeit. Es zeigt sich, welch grosses Arsenal an unterschiedlichen Herrschaftsinstrumenten, die von den Habsburgern intensiv genutzt wurden, in dem herrschaftlich sehr disparaten Umfeld zur Verfügung stand. Neben der Vielgestaltigkeit der Herrschaftspraxis und der Flexibilität der Herrschaftspolitik wird neben ihrer grossen Aktivität auch die hohe Innovationsbereitschaft der Fürsten deutlich, die es immer wieder verstanden, ihre Methoden an unterschiedliche regionale Bedürfnisse und Interessenskonstel­lationen anzupassen. In der Sektion zum Thema Adel werden zuerst aus der Perspektive der Dynastie zwei herausragende Beispiele betrachtet, wenn Rudolf IV. (Alois Niederstätter) und Kaiser Maximilian (Manfred Hollegger) und deren Verbindungen zur Schweiz beschrieben werden. Dem Verhältnis von Fürsten und Adel sind drei Studien gewidmet: Am Beginn steht eine das ganze Spätmittelalter erschliessende Über­sichtsdarstellung, die insbesondere das Handeln von ostschweizerischen Adelsfamilien gegenüber der Herrschaft in den Blick nimmt (Peter Niederhäuser). Fallstudien gelten den Schenken und Truchsessen von Habsburg zwischen den Linien Habsburg und Habsburg-Laufenburg im 13. Jahrhundert (Andre Gutmann) und dem Diplo­maten Hans Lanz von Liebenfels (um 1430–1501) (Nathalie Kolb Beck). Diese beziehungsgeschicht­lichen Studien beleuchten das Verhalten der habsburgischen Gefolgsleute, sie arbeiten die aktive Nutzung ihrer Stellung und ihrer Handlungsspielräume heraus, die Karrie­remöglichkeiten durch Dienst oder den Erwerb von Lehen und Pfandschaften besassen. Insgesamt zeigt sich eine Zu­nahme von Pfand- und Lehensnehmern auf immer breiterer sozialer Basis. Auffällig ist aber, dass die Familien oft nur für kurze Zeit im habsburgischen Umfeld fassbar sind und selten länger der Spitzengruppe angehörten, sondern ein stetiger Wechsel zwischen Nähe und Distanz zu beobachten ist und stets Beziehungen zu anderen Herrschaftsträgern neben den Habsburgern hergestellt wurden. Die Beiträge belegen, dass die habsburgische Gefolgschaft keine ab­geschlossene und homogene Gruppe war, sondern einer grossen Dynamik unterlag. Der Erinnerungskultur gilt der dritte Themenbereich. Die Studien fragen nach der Rolle des Klosters Königsfelden für die habsburgische Herrschaft (Claudia Moddelmog), vergleichen das Totengedenken der Habsburger und der Eidgenossen am Beispiel Sempachs (Rainer Hugener) oder umreissen die Erinnerungspraxis der Herren von Hallwyl (Martina Huggel). Die Formung und der Umgang mit Erinnerung weist ein hohes Mass an Variabilität auf, das Gedächtnis veränderte sich beständig. Ebenfalls in den Blick kommen konkurrierende und sich überschneidende Erin­nerungskulturen, die zu Gegenerinnerungen führen konnten. Die vielschichtigen Memorialkonstruktionen waren oftmals mehrdeutig und erlaubten unterschiedliche Formen an Reaktionen. Die Beiträge des Sammelbandes setzen neue Akzente durch die Analyse der Herrschaftspraxis der habsburgischen Landesherrschaft, der Rolle des Adels und der kleineren Städte sowie der Erinnerungskultur nicht nur der Eidgenossen, sondern auch der Habsburger und ihrer Anhänger. In allen Bereichen zeigt sich, dass die Dynamik sehr viel grösser war, als bislang angenommen. Diese neuen Forschungen relativieren das bisherige, viel zu statische Bild vom Verhältnis der Habsburger und der Eidgenossen. Im Gegensatz zu bisherigen Deutungen wird die Brüchigkeit von Identitäten und die Offenheit der Entwicklungen in der «habsburgischen» Schweiz des Spätmittelalters deutlich. Der Sammelband entwickelt ein neues «dynamisches» Bild von der Geschichte der Habsburger und der Eidgenossen.
Andreas Bihrer (Freiburg) in Traverse

Am Berchtoldstag eines jeden Jahres stellt die Antiquarische Gesellschaft in Zürich ihr Neujahrsblatt vor. Der Band behandelt jeweils ein Thema der Zürcher oder Schweizer Geschichte. Dabei wird häufig jungen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern die Möglichkeit gegeben, mit ihren Forschungsergebnissen an eine breitere Öffentlichkeit zu treten.