Talât Pascha

Gründer der modernen Türkei und Architekt des Völkermords an den Armeniern

Eine politische Biografie

Aus dem Englischen übersetzt von Beat Rüegger

Gebunden
2020. 440 Seiten, 29 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1597-4
CHF 48.00 / EUR 48.00 
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Talât Pascha (1874–1921) stand in Istanbul einem aus Krisen her­vorge­gangenen, neuartigen jungtürkischen Einparteiregime vor, dessen radikale Politik das Zeitalter der Extreme, das Europa der Diktaturen, Weltkriege und Genozide, eröffnete. Es nahm 1913–1918 unter dem Einfluss des Ideologen Ziya Gökalp ein faschistisches Staats-, Gesellschafts- und Geschichtsverständnis vorweg und schuf einen zentralistischen Einparteistaat, der Minderheiten beseitigte und sich alles, auch die Religionen, autoritär unterzuordnen trachtete. Seiner gewaltsamen Bevölkerungspolitik fielen die osmanischen Christen, allen voran die Armenier, zum Opfer.
Trotz der Weltkriegsniederlage bereitete Talât den Boden für die Kemalisten nach ihm, die fast alle seiner Partei angehört hatten. Dank deutscher Behörden fand er 1918 Zuflucht in Berlin, von wo er in Absprache mit Kemal Atatürk und den Bolschewiki für den fortgesetzten Krieg in Kleinasien agitierte, bevor er 1921 ermordet wurde. Nach ihrem Sieg und dem Vertrag von Lausanne (1923) leiteten Talâts Nachfolger eine ultranationalistische Modernisierung ein, mit der sie bei vielen Applaus ernteten – auch beim vormaligen deutschen Bündnispartner, dessen Diplomatie noch bis ins frühe 21. Jahrhundert den Völkermord an den Armeniern leugnete.

ist Geschichtsprofessor in Newcastle (Australien) und an der ­Universität Zürich. Er hat sich als Experte des nahöstlichen ­Umbruchs am Ende der osmanischen Ära international einen ­Namen gemacht. Seine Publikationen sind in mehreren Auflagen und Sprachen, darunter Türkisch und Kurdisch, erschienen.

 


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Pressestimmen

«Es ist die erste wissenschaftliche Biographie eines – bei uns weithin noch unbekannten – Mannes, der die Katastrophen der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts ins Rollen brachte. Dieses Buch [...] des an der australischen Universität Newcastle sowie in Zürich lehrenden Schweizer Historikers Hans-Lukas Kieser, der seit vier Jahrzehnten in enger persönlicher Verbindung mit den Entwicklungen in der Türkei steht, ist eine Sensation. [...] Kiesers Talat-Pascha-Biographie rückt eine wichtige Perspektive zum Ersten Weltkrieg ins Licht, die in den bisherigen Darstellungen fehlte. Das Osmanische Reich mit seiner Hauptstadt Istanbul war damals nämlich ein bedeutender politischer und diplomatischer Knotenpunkt, in dem die imperialistischen Ambitionen von Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland aneinandergerieten. Das revolutionäre Regime der Jungtürken unter Talat Pascha war ein großer Faktor in der Entstehung und für den Verlauf des Ersten Weltkriegs. Bei Kieser kommt dieses orientalische Element erstmals deutlich zum Vorschein.»

Vollständige Rezension

Buch Markt, Das Ideenmagazin für den Buchhandel, 28. August 2021, Gerhard Beckmann

«Der Völkermord an den Armeniern von 1915/16 reißt immer noch Wunden – weil die Türkei ihre beklemmende Geschichte nach wie vor verdrängt. Hier hilft jede Aufklärung weiter, auch dieses Buch des Schweizer Historikers Hans-Lukas Kieser. [...] Hans-Lukas Kieser geht es nicht darum, Talât Pascha und seine Erben – wie es heute en vogue ist – moralisch zu verurteilen. Ihm geht es darum, den Gründungsmythos der Türkei samt seiner ‹Helden› historisch zu entmythologisieren und damit zu entschärfen. Der Blick in die historischen Abgründe, die ‹jungtürkische Rumpelkammer voller Leichen› (Kieser), ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine nötige Zumutung für diesen Lernprozess. ‹Aufklärung› lautet das Stichwort. ‹Wahrheiten haben die schlechte Angewohnheit, irgendwann ans Licht zu kommen›, sagt ein türkisches Sprichwort.»

Vollständige Rezension

Christ in der Gegenwart, 73. Jg., 25. Juli 2021, Martin Schirmers

«Hans-Lukas Kiesers Biographie des letzten osmanischen Großwesirs Talât Pascha enthüllt tiefe neue Ursachen und Wurzeln des Ersten Weltkriegs als ‹Urkatastrophe› der modernen europäischen Geschichte. [...] Talât Pascha zählt, obwohl es noch immer kaum jemand weiß, zu den prägenden Figuren der türkischen, kleinasiatischen, deutschen und europäischen Geschichte. Deshalb hat diese Biographie von Hans-Lukas Kieser eine besondere Bedeutung. Sie klärt über diesen 1874 geborenen Mann aus kleinen Verhältnissen auf. [...] Es ist die weltweit erste – wissenschaftliche, für ein allgemein Publikum geschriebene – Biographie.»

Vollständige Rezension

Culturmag, 1. August 2021, Gerhard Beckmann

«Kieser ist mit dieser politischen Biographie dennoch ein großer Wurf gelungen, ein sehr gut geschriebenes (und übersetztes) Buch, das – zumal in seiner geplanten türkischen Version – dazu anregen sollte, die nationalen Narrative kritisch zu hinterfragen und die Zentralität spätosmanischer politischer Praxis und vor allem des Genozids an den osmanischen Armenieren (und Aramäern/Assyriern) für die Gründung der modernen Türkei zu reflektieren. [...] Das Buch ist mit seiner Fülle an archivalischen Materialien und bisher wenig genutzten Ego-Dokumenten nicht nur für Forschende und Studierende des spätosmanischen Reiches lohnend. Angesichts der europäischen und globalgeschichtlichen Perspektive ist zu wünschen, dass das reich illustrierte Buch [...] auch fächerübergreifend eine breite Leserschaft anziehen wird.»

Diyâr, Zeitschrift für Osmanik, Türkei- und Nahostforschung, 2. Jg., 2021, Heft 1, Yavuz Köse

«Der Autor zeichnet quellenreich nach, dass Talât Organisator und Architekt eines Zerstörungsprojekts war, an dem ‹nationale, regionale und lokale Instanzen› bereitwillig teilnahmen und in Teilen profitierten. Kieser kommt damit das Verdienst zu, das Osmanische Reich am Vorabend des Ersten Weltkriegs als Faktor und Akteur von der Peripherie ins Zentrum europäischer Geschichte zu rücken. Seine Biographie Talâts wird dazu anregen, die nationalen Narrative kritisch zu hinterfragen und die Zentralität spätosmanischer politischer Praxis und vor allem des Genozids an den osmanischen Armeniern (und Assyriern) für die Gründung der Türkei zu reflektieren.»

Damals, 7/2021, Yavuz Köse

«Hans-Lukas Kieser, ein ausgewiesener Experte des Armenozids, zeichnet die Biographie des aus relativ kleinen Verhältnissen stammenden, in der Stadt Kardschali im heutigen Bulgarien geborenen Tâlat nach. [...] Detailliert zeichnet Kieser die fundamentale Kehrtwende Tâlats von einem durchaus verfassungspatriotisch und auf Ausgleich der Ethnien bedachten Politiker zu einem Diktator und Massenmörder nach.»

Informationsmittel (IFB): digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft, 2/2021, Bernd Braun

«Ein neuer und bemerkenswerter Band aus dem Zürcher Chronos Verlag aus der Feder von Hans-Lukas Kieser [...], der sich mit seinen Forschungen als Experte des nahöstlichen Umbruchs am Ende der osmanischen Ära einen Namen gemacht hat, stellt auf eindrucksvolle Weise die Rolle des ehemaligen Innenministers und Großwesir Mehmed Talât Pascha [...] auf dem Weg zur modernen Türkei vor.»

«Der neue Band leistet einen herausragenden Beitrag zum besseren Verständnis der aktuellen Politik von deren Führern, aber auch eine Neubewertung zur Verantwortung Paschas für Unterdrückung religiöser und ethnischer Minderheiten in der Türkei sowie zur Vertreibung und der Armenier und am Völkermord an diesen. Ein absolutes Muss für jede Bibliothek mit Büchern zur Türkei und zu deren Geschichte!»

Bücherrundschau 1/2021, Herbert Pardatscher-Bestle

«Hans-Lukas Kiesers kluge, sprachlich feine und nachdenkliche Biographie von Talât Pascha, dem Organisator des Genozids, verleiht der Ermordung von rund eineinhalb Millionen christlicher Armenier erstmals ein Gesicht.»

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. März 2021, Oliver Jens Schmitt

«Kieser zeichnet ein fesselndes Porträt des gerissenen und gnadenlosen Politikers, der seine Macht durch eine starke Mischung aus islamisch-türkischem Nationalismus und der Bereitschaft zu gewaltsamen ‹Lösungen› steigerte. Diese Biographie ist ein unverzichtbares Werk, um das Umfeld zu verstehen, in dem ein völkermörderisches Programm von einer kleinen Gruppe radikalisierter Individuen erdacht und geplant wurde.»

Preußische Allgemeine Zeitung, 12. März 2021, Bodo Bost

«Der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser, der an der Universität Zürich und im australischen Newcastle lehrt, hat nun als Erster eine wuchtige, grandiose, 440 Seiten dicke politische Biografie dieses Mannes vorgelegt. [...] Wer die Türkei von heute wirklich verstehen will, kommt um dieses Buch nicht herum.»

Journal21.ch, 10. März 2021, Heiner Hug

«Kieser ist mit dieser politischen Biografie [...] ein großer Wurf gelungen, ein Buch das – zumal in seiner türkischen Version – dazu anregen sollte, die nationalen Narrative kritisch zu hinterfragen und die Zentralität spätosmanischer politischer Praxis und vor allem des Genozids an den osmanischen Armeniern (und Assyrern) für die Gründung der modernen Türkei zu reflektieren.
Autoritäre, hierarchische und staatszentrierte Strukturen sind das toxische Erbe Talâts und – über alle politischen Lager hinweg – bis heute Teil der politischen Kultur der Türkei, einer Kultur, die, durch die nationalistischen (und zunehmend islamistischen) Haltungen bedingt, eine gewisse ‹Pluralitätsintoleranz› befördert und damit den Prozess der Annäherung des Landes an die eigene dunkle Vergangenheit und nicht zuletzt die Demokratie immer wieder behindert.»

Falter 8/2021, Yavuz Köse

«Talât Pascha (1874–1921) stand in Istanbul einem aus Krisen hervorgegangenen, neuartigen jungtürkischen Einparteienregime vor, dessen radikale Politik das Zeitalter der Extreme, das Europa der Diktaturen, Weltkriege und Genozide, eröffnete. [...] Seiner gewaltsamen Bevölkerungspolitik fielen die osmanischen ChristInnen,
allen voran die ArmenierInnen, zum Opfer.»

Friedenszeitung, Nr. 36, März 2021, Peter Weishaupt

«Der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser legt erstmals eine wissenschaftliche Biographie über den Gründer der modernen Türkei vor: Talât Pascha.»

Die Tagespost, 11. März 2021, Bodo Bost

«Es ist weltweit die erste – wissenschaftliche, aber für ein allgemeines Publikum geschriebene – Biografie. Und sie ist umso wichtiger, als es, angefangen mit detaillierten, eindringlichen Berichten von Augen- und Zeitzeugen, zwar eine umfangreiche Literatur zum Thema des Genozids am armenischen Volk gibt. Doch hat ihn, meines Wissens, bis heute noch kein grosser Historiker in all seinen geschichtlichen Tiefenkonstellationen und Verflechtungen dargestellt. Der Schweizer Hans-Lukas Kieser, eine ausgewiesener Experte für die Umbrüche am Ende des Osmanischen Reiches, Professor an der Universität Newcastle ( Australien) und Zürich, hat hier Pionierarbeit geleistet.»

Lesart 3/2021, Gerhard Beckmann

«Die umfangreiche politische Biographie über Talât Pascha von Hans-Lukas Kieser besteht aus sechs Hauptteilen und wird mit einem sehr programmatischen Epilog abgeschlossen. […] Diese Biographie Talâts ist nicht nur eine Studie für Gelehrte, sondern soll mit Blick in die Zukunft auch dem Zweck der Aufklärung dienen. Ihr Blick in historischen Abgründe ist nicht Selbstzweck, sondern Anstrengung und Teil eines aktuellen, selbstkritischen und hoffentlich ertragreichen Lernprozesses.»

Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 116 (2022), Hacik Rafi Gazer

«[…] ist es ein besonderes Verdienst von Hans-Lukas Kieser mit seiner Studie […] in dieses Forschungsfeld vorgestossen zu sein und dabei – das sei hier bereits deutlich gesagt – ein massstabsetzendes Werk vorgelegt zu haben. […]

Trotz des Materialreichtums und der wissenschaftlichen Fundiertheit […] liest sich die Studie nachgerade wie ein Roman, der den Leser mitten in das Geschehen hineinführt, in dem die Spannung und Atmosphäre der Zeit, die Hitze der politischen Debatten, die schliesslich zum Entschluss zu einer Vernichtungspolitik geführt haben, eindrucksvoll eingefangen und spürbar gemacht werden.»

Mihran Dabag, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 3/2022

«In Talât Pascha, so Kiesers Interpretation, begegne ein Prototyp jener Politiker, die nach 1920 auf fatale Weise die Geschichte Europas bestimmen sollten, […]. Diesen Zusammenhang aus einer Perspektive erarbeitet zu haben, die den Fokus der Geschichtsschreibung – in deren Zentrum mit Blick auf den Ersten Weltkrieg und dessen Folgen bis heute stets Europa steht – verschiebt auf Akteure in einer Region, die lange Zeit als peripher und wenig bedeutend für die politischen Entwicklungen Europas eingeschätzt wurde, ist ein weiteres Verdienst von Lukas Kiesers wertvoller Studie. Hervorzuheben ist dabei auch ihr äussert gelungener Stil: Trotz des Materialreichtums und der wissenschaftlichen Fundiertheit […] liest sich die Studie nachgerade wie ein Roman, der den Leser mitten in das Geschehen hineinführt, in dem die Spannung und Atmosphäre der Zeit, die Hitze der politischen Debatten, die schliesslich zum Entschluss zu einer Vernichtungspolitik geführt haben, eindrucksvoll eingefangen und spürbar gemacht werden.»

Mihran Dabag, Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG), 72/3