Eingriffe ins Leben

Fürsorge und Eugenik in zwei Schweizer Städten (1920–1950)

Broschur
2012. 192 Seiten
ISBN 978-3-0340-1135-8
CHF 38.00 / EUR 31.00 
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Eugenische Denk- und Handlungsmuster waren in der Schweiz Anfangs des 20. Jahrhunderts stark vertreten. Bis weit in die 1930er Jahre kam der Schweiz im internatio­nalen Vergleich in der Umsetzung eugenisch motivierter Massnahmen eine Vorreiterrolle zu. Aktuelle Forschungen zur Eugenik konzentrieren sich vor allem auf die Psychiatrie. Das Verhältnis fürsorgerischer Behörden zur Eugenik wurde bisher noch kaum untersucht, obwohl gerade das Zusammenspiel von Fürsorge, Medizin und Psychiatrie die Macht auf Seiten der Professionellen sowie die Abhängigkeit auf Seiten der Betroffenen verstärkte.
Das Kernstück dieses Buches bilden Fallanalysen. Dabei handelt es sich um Fallgeschichten, in denen Fachleute aus Fürsorge und Psychiatrie in das Leben von Menschen eingriffen. Sie handeln von Menschen, die in existentiellen Krisen unter die Kontrolle beziehungsweise in die Behandlung von Expertinnen und Experten gerieten. Das dabei gegebene Machtgefälle schuf Situationen, in denen Druck ausgeübt, Spielräume eingeengt und die formale Freiwilligkeit ausgehöhlt werden konnten. Die Untersuchung in den Städten St. Gallen und Bern führt vor Augen, wie sich eine eugenisch motivierte Praxis unter unterschiedlichen sozial­strukturellen Voraussetzungen ausgestaltete. Eugenische Praxis in der Schweiz wird erstmals in ihrer regionalen Differenzierung sowie in ihrer Wirkung zwischen Medizin, Psychiatrie und Fürsorge diskutierbar.


Prof. Dr., ehem. Leitung Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der PH FHNW am Zentrum für Demokratie Aarau ZDA.
Schwerpunkte: Migrations-, Geschlechtergeschichte, Eugenik und Sozialpolitik, Politische Bildung, Geschichtskultur.


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Gisela Hauss (FHNW) ist Professorin an der Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften Nordwestschweiz am Institut Integration und Partizipation. Sie lehrt und forscht zur Geschichte von Jugendhilfe und Kinderschutz, zu Gender und sozialen Ungleichheiten. Sie ist Leiterin des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Sinergia-Forschungsverbundes «Placing Children in Care. Child Welfare in Switzerland».


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Historiker und Kulturwissenschaftler, arbeitet am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft – Populäre Kulturen der Universität Zürich.


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Inhalt

Gisela Hauss und Béatrice Ziegler: Fallanalysen zwischen Vormundschaft und Psychiatrie. Einleitung
Gisela Hauss: Städtische Fürsorge in St. Gallen. Kooperationen zwischen Amt und Ehrenamt
Gisela Hauss: Die alltägliche Praxis der St. Galler Vormundschaft. Kinder, Jugendliche und Erwachsene unter fürsorglicher Kontrolle
Mischa Gallati: Vormundschaft und Jugendfürsorge in der Stadt Bern – institutioneller Aufbau
Mischa Gallati: Die Praxis der Berner Vormundschaftsbehörden
Karin Cagnazzo: Der institutionelle Kontext der Sterilisationspraxis im Kanton Bern 1918–1953
Karin Cagnazzo: «Entrechtung bis in die Eingeweide». Psychiatrische Sterilisationsentscheide im Kanton Bern
Béatrice Ziegler und Gisela Hauss: Eugenische Praxis im Kontext machtvoller Institutionen. Vergleiche und Verbindungslinien


Pressestimmen

«Die Stärke des Bandes liegt in den empirisch fundierten Fallstudien. Auf überzeugende Weise analysieren die Autorinnen und der Autor die komplexen Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlich-medizinischen Diskursen, gesellschaftlichen Normalitätserwartungen, moralisch-pädagogischen Vorstellungen, institutionellen Logiken und finanziellen Sparanforderungen einerseits und den eingeengten Handlungsspielräumen derjenigen, die von den behördlichen Praktiken betroffen waren, andererseits. Damit leisten sie einen wesentlichen Forschungsbeitrag zur historischen Aufarbeitung fürsorgerischer Massnahmen in der Schweiz.»
Pascal Germann, Berner Zeitschrift für Geschichte


«Die Eugenik wird gemeinhin mit den Nationalsozialisten assoziiert. Doch eugenische Motive und Praktiken finden sich auch in Demokratien. Deutsche Eugeniker liessen sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den Vereinigten Staaten inspirieren, die bei der Sterilisierung eine Vorreiterrolle gespielt hatten. In Schweden wurden ungefähr 60 000 Frauen zwangssterilisiert. Und auch in der Schweiz war eugenisches Denken und Handeln in der ersten Jahrhunderthälfte verbreitet, wie jüngst Untersuchungen zu Basel, Zürich und zur Waadt gezeigt haben.
Diese Befunde werden nun durch eine Studie ergänzt, die aus dem Nationalen Forschungsprogramm ‹Integration und Ausschluss› hervorgegangen ist. Gisela Hauss, Béatrice Ziegler, Karin Cagnazzo und Mischa Gallati haben die Verbreitung eugenischen Denkens und Handelns in den Städten St. Gallen und Bern auch anhand von Fallgeschichten untersucht und sich dabei auf die Bereiche Sterilisation und Fürsorge konzentriert.»
NZZ