Eine Frau prägt eine Firma

Zur Geschichte von Firma und Familie Feller

Gebunden
1996. 160 Seiten, 240 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905312-17-1
CHF 48.00 / EUR 29.00 
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Die erst 21jährige Elisabeth Feller wurde 1931 von ihrer Mutter zur Führung der Fabrik für elektrische Apparate bestimmt, nachdem ihr Vater plötzlich gestorben war. Adolf Feller hatte die Firma 1909 übernommen, die sich seit dem Ersten Weltkrieg auf die Fabrikation von Schaltern und Steckern spezialisierte. Dank der spezifisch schweizerischen Normen bildete sich schon in der Zwischenkriegszeit ein abgeschotteter Markt, auf dem die Firma bis heute ihre führende Position zu behaupten wusste. Die während der Zeit Elisabeth Fellers nach Ideen des Bauhauses vom Architekten Hans Fischli geplanten Fabrikbauten und das spezifische Werbe- und Produktedesign machten Geschichte. Als vorbildlich galt die enge Zusammenarbeit der Unternehmerin mit der Kinderärztin Marie Meierhofer bei der Planung der Kinderkrippe. Als Gründerin des schweizerischen Zweigs der Berufs- und Geschäftsfrauen BGF lobbyierte Elisabeth Feller für das Postulat «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit», in ihrer Firma jedoch wurden Frauen nicht gefördert, und die Löhne waren tief. Sie engagierte sich zugunsten der in Italien rekrutierten Arbeiterinnen und Arbeiter gegen ausländerfeindliche Initiativen, ohne je den benachbarten James Schwarzenbach beim Namen zu nennen. Sie war zwar eine der ersten Frauen im Verwaltungsrat einer Grossbank und einer Versicherung, setzte sich aber trotzdem mit Überzeugung für eine äusserst grosszügige Entwicklungs- und Flüchtlingspolitik ein. Ihr plötzlicher Tod fiel zeitlich zusammen mit dem Ende der Hochkonjunktur. 1992 wurde die Firma an einen französischen Elektrokonzern verkauft.


Elisabeth Joris, geb. 1946, veröffentlichte als freischaffende Historikerin zahlreiche wissenschaftliche Beiträge und mehrere Bücher zur Frauen- und Geschlechtergeschichte der Schweiz, unter anderem zusammen mit Heidi Witzig die Quellensammlung «Frauengeschichte(n)» und die Untersuchung des Alltags im Zürcher Oberland, mit Katrin Rieder und Béatrice Ziegler «Tiefenbohrungen» zur Geschichte der grossen Tunnelbaustellen, 2011 ihre umfangreiche Doppelbiografie zweier Bildungsbürgerinnen aus dem 19. Jahrhundert, der Pädagogin Josephine Stadlin und der Homöopathin Emilie Paravicini-Blumer.


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Adrian Knoepfli, geb. 1948, arbeitet als Wirtschaftshistoriker in Zürich. Publikationen unter anderem über Alusuisse, Georg Fischer, Saurer, Feller, das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen, die Gemeinnützige Gesellschaft Schaffhausen und das Zürcher Hallenstadion. Mitautor des Wirtschaftskapitels der Schaffhauser Kantonsgeschichte, der Stadtgeschichte Stein am Rhein und der Winterthurer Stadtgeschichte.


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Pressestimmen

ELISABETH JORIS, ADRIAN KNÖPFLI
EINE FRAU PRÄGT EINE FIRMA
ZUR GESCHICHTE VON FIRMA UND FAMILIE FELLER
CHRONOS, ZÜRICH 1996, CIRCA 240 ABB., 159 S., FR. 48.-

Festschriften und sonstige, im Auftrag von Firmen erstellte historische Publikationen zählen gewöhnlich nicht eben zur Sparte besonders spannender Bücher. In diesem Fall liegt das anders. Allerdings fällt auch die Auftragslage aus dem Rahmen, war doch die 1909 gegründete Elektrofirma Feller, deren formschöne Lichtschalter mehr als die halbe Schweiz ins Licht setzen, Anfang 90er Jahre aus Familienbesitz in die Hände eines französischen Grosskonzerns übergegangen. Damit war bei der letzten Generation historisch interessierter Erbinnen die nötige Distanz gegenüber dem familiären Lebenswerk entstanden, welche die Voraussetzung schuf, eine von den üblichen Glanzpapierproduktionen abweichende Firmengeschichte in Auftrag zu geben - und nach der Fertigstellung auch auszuhalten.
Für die Qualität bürgen in dem speziellen Fall auch die Autorin und der Autor, die gemeinsam für den ganzen Text zeichnen, mit ihren besonderen Interessen und Vorkenntnissen aber deutlich erkennbar bleiben: Adrian Knöpfli mit seiner aus Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftsjournalismus stammenden Vertrautheit mit Familienfirmen, Finanzierungs- und Organisationsproblemen sowie den Fragen eines hochgeschützten, kartellisierten Inlandmarktes, der in diesem Fall entscheidend wichtig war; Elisabeth Joris mit ihren Kenntnissen der Sozial- und Geschlechtergeschichte, was ihr eine präzise, auf psychologische Spekulation verzichtende Annäherung an die ungewöhnliche Gestalt der Unternehmerin Elisabeth Feller erlaubt. Die Belegschaft der Firma, Fragen der Rationalisierung und der betrieblichen Organisation (an deren mangelhafter Bewältigung der Familienbetrieb schliesslich scheiterte), Produktgestaltung und Absatzstrategien kommen indes ebenfalls zur Sprache. Für ein breites Publikum geschrieben, ganz ohne Anmerkungen (was man gelegentlich bedauert), dabei äusserst gehaltvoll und differenziert in der Darstellung, spiegelt sich im Entwicklungsgang der Firma zweifellos ein weit über den Einzelfall hinausgehendes, industrielles Schicksal in einer besonders dynamischen, mit der Elektrifizierung der Haushalte eng verbundenen Branche: von den Anfängen über den Boom der Nachkriegsperiode bis zu den einschneidenden Rationalisierungsfolgen der 70er und 80er Jahre (mit massivem Personalabbau) und dem schliesslich dennoch nicht zu verhindernden Aufgehen der mittelgrossen Familienfirma im internationalen Grosskonzern. Dabei werden eine Unzahl wichtiger Fragen von Industrie- und Gesellschaftsgeschichte beiläufig angeschnitten und immer wieder auf den grösseren Zusammenhang bezogen.
Bedauern mag man allenfalls, dass zum Schluss die vielen Fäden nicht noch einmal zusammengezogen werden, um zu diskutieren, in welcher Weise sich hier nun auch sehr typische Abläufe spiegeln. Dabei herrscht kein Zweifel, dass es sich zugleich um eine ungewöhnliche Firma handelt, schon wegen der Chefin, die im jugendlichen Alter von 21 Jahren 1931 nach dem frühen Tod des Vaters und Firmengründers die Leitung übernahm, sekundiert von der jahrzehntelang im Hintergrund mitwirkenden Mutter. Die Möglichkeiten - und auch die Grenzen - der bürgerlichen Unternehmerin mit unkonventionellen Zügen treten prägnant hervor. Aus ihren christlich geprägten sozialen, kulturellen und entwicklungspolitischen Interessen ging ein selbst geschaffenes Beziehungsnetz hervor, das in keiner Weise auf die traditionsgegebenen Muster der männlichen Einflusskumulierung in Politik und Wirtschaft bauen konnte. In der eigenen Firma freilich fand die Frauenförderung kaum statt, beschränkte sich aufs Soziale: eine christlich gefärbte, «maternalistische» Haltung betrieblicher Sozialpolitik und integrativer Techniken zur Stärkung der «Betriebsgemeinschaft». Immerhin stand dahinter ein gründlich anderer Schlag von Unternehmertum als die skrupellosen Profiteure, die seither allerorten in den Vordergrund drängen.
Die überaus schöne grafische Gestaltung, die aus einem reichen Fundus hervorragender Fotografien schöpfen kann, lädt zum Blättern nicht weniger als zur aufmerksamen Lektüre ein.

Mario König (Basel)

Traverse 1997/2 (155-156)