Geschichte ist gefragt und Dienerin mancher Herren. Es werden ihr Eigenschaften und Fähigkeiten verliehen; man verehrt oder fürchtet sie. An der Existenz der Geschichte zweifelt kaum jemand und viele stellen sie sich als höhere Macht vor.
Die Geschichtsgläubigkeit des modernen Menschen ist an die Seite oder an die Stelle des traditionellen Gottesglaubens getreten – die Geschichtsphilosophen an die der Theologen. Die Sakralisierer der Geschichte imitieren die Riten, tragen die Gewänder, benutzen die Bilder und reden die Sprache der kirchlichen Religiosität, mutatis mutandis.
Gehuldigt wird der Geschichte in den Nationalstaaten: Jeder von ihnen schafft sich seine Geschichte, schart die Bürger um sie und pflanzt sie deren Kindern ein.
Das Buch fragt, wie wir mit dem Wort «Geschichte» umgehen und wie wir der Gottheit «Geschichte» huldigen. Näher betrachtet werden der omnipräsente Leninkult in der UdSSR und die vielfältigen Formen des «Geschichtsdienstes» in der Schweiz: Denkmäler, Historiengemälde und -filme, historische Museen, Romane und Bühnenwerke, Jubiläen und Gedenkmünzen, historischen Persönlichkeiten gewidmete Banknoten und Briefmarken, Namen von Strassen und Plätzen, Geschichtsvereine.
Zum Schluss wird nach der Antwort der Historiker auf die verführerischen Erzählungen der Geschichtsmythen gefragt.
«Der vorliegende Band ist ein wertvoller und unverzichtbarer Beitrag für alle, die verstehen wollen, auf welcher Basis sich das Geschichtsbewusstsein zu Beginn des 21. Jahrhunderts neu organisiert.»