Roman
«Die große Unruhe» ist das genaue Gegenteil eines behäbigen Schweizer Romans aus der Vorkriegszeit, es ist literarische Avantgarde. Eine nervöse, temporeiche Erzählweise verbindet sich mit einer höchst eigenwilligen poetischen Sprache, dem unverwechselbaren Zollinger-Ton. Erzählt wird von einem Berner Architekten, der aus einer scheinbar soliden Ehe ausbricht, sich nach Paris absetzt und das erotische Abenteuer sucht. Die Menschen, mit denen er sich anfreundet – Franzosen, aber auch viele Osteuropäer –, üben sich ebenfalls in einem selbstbestimmten, antibürgerlichen Leben. Die politischen Tagesereignisse – Strassenproteste in Paris und der Machtantritt Hitlers – erscheinen als Symptome der gleichen «Unruhe», wie sie die Figuren ergriffen hat.
Als das Buch, in dem die «wilden» Zwanzigerjahre nachvibrieren, 1939 erschien, war «Geistige Landesverteidigung» angesagt. Die Anerkennung blieb aus – bis heute. Die vorliegende Neuauflage gibt Gelegenheit, einen der bedeutendsten Autoren der Schweiz anhand seines kühnsten Romans wiederzuentdecken. Das Nachwort skizziert die in biographischer wie politischer Hinsicht bewegte Entstehungszeit.
Max Frisch 1942 über das Buch: «Für solche, die es immer wieder lesen, für solche, denen die Sprache ein Lebensraum ist, der immer wieder erobert werden muß, bleibt es immerhin das interessanteste Buch seit Jahren, faszinierend noch in der Eigenart seiner Mängel.»
«In jüngerer Zeit war kein einziges seiner [Zollingers] Bücher mehr lieferbar. Das ändert sich nun mit dieser sorgsam kommentierten, mit einem klugen Nachwort versehenen Neuedition des Romans ‹Die grosse Unruhe›.»
Manfred Papst, NZZ am Sonntag … Bücher am Sonntag
«Albin Zollinger (1895–1941) eröffnet mit einer fulminanten Beschwörung der Stadt Paris seinen 1939 erschienenen Roman ‹Die grosse Unruhe›, mit dem er die Aufbrüche eines Paul Nizon und eines Pascal Mercier vorwegnimmt. Da dieses Werk, das innovativste seiner Prosabücher, auf dem Buchmarkt nicht mehr erhältlich war, haben die Herausgeber einen Neudruck gewagt: für jene Leser, die Zollingers Gesamtwerk nicht kennen oder vor allem den Lyriker schätzen, eine Entdeckung. Der expressive Ton mit seinem Drang ins Ekstatische, die antibürgerliche Haltung sowie die aufgebrochene Form wirken auf heutige Leser erstaunlich und korrigieren manche Vorstellung des schweizerischen Literaturschaffens in den dreissiger Jahren. Hier tritt man jenseits aller Behäbigkeit in ein wahres Laboratorium der Sprache ein.»
B. En., Neue Zürcher Zeitung