Gehörlose galten im 19. und 20. Jahrhundert lange als eine Gruppe von Behinderten. Zu ihren Eigenheiten gehörte die Gebärdensprache, eine Ausdrucksform, die sie vom Rest der Gesellschaft trennte. Heute verstehen sich Gehörlose als kulturelle Minderheit. Ihre Identität gründet sich zu einem wesentlichen Teil auf der Gebärdensprache. Gehörlosigkeit pauschal als Behinderung abzustempeln, lehnen sie ab.
Dieses Buch beleuchtet die wechselhafte Geschichte der Gehörlosen in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen die Orte, an denen sich die hörende Gesellschaft und die Gehörlosengemeinde begegneten, insbesondere die Taubstummenanstalten und späteren Sprachheilschulen, die bis in die 1980er-Jahre nach der Lautsprachmethode unterrichteten. Welchen pädagogischen Umgang pflegten die Gehörlosenschulen und -anstalten mit den Gehörlosen? Wie haben sich die pädagogischen Modelle verändert, insbesondere gegenüber der Gebärdensprache? Und welche Auswirkungen hatten die Schulen auf die gesellschaftliche Marginalisierung der Gebärdensprache und auf das Leben der Gehörlosen? Die Studie stützt sich auf breite Archivbestände und zahlreiche Interviews. Erstmals kommen in dieser Studie Betroffene selbst zu Wort: Gehörlose verschiedener Generationen, aber auch eine Reihe von Schulverantwortlichen. Sie erzählen eine bislang weitgehend unbekannte Geschichte einer gesellschaftlichen Minderheit – aus erster Hand.
«Im 19. und 20. Jahrhundert besuchten gehörlose Kinder in der Schweiz sogenannte Gehörlosenschulen. Neben Fächern wie Mathematik und Deutsch stand vor allem das Erlernen der Lautsprache auf dem Plan. Gebärdensprache war an den Schulen streng verboten. Eine Stigmatisierung, welche viele Gehörlose langfristig traumatisierte, wie eine neue Studie zeigt.»
Vollständiger Beitrag
«Alles in allem ist die Studie eine große Bereicherung für die deutschsprachige Forschungslandschaft, die interdisziplinäre Impulse etwa für die Medizingeschichte, Bildungsgeschichte und nicht zuletzt die weitere Geschichtsschreibung geben kann mit der Fokussierung auf die Bildung und Erziehung einer kleinen Bevölkerungsgruppe, die gerade in historischen Studien häufig übersehen wird. Zu Unrecht, wie der vorliegende Band belegt: Gehörlosengeschichte ermöglicht fachrichtungs- und länderübergreifende Fallstudien, die anregende Lektüre auch für Nicht-Fachleute bieten.»
«Das Buch, mit Schwarz/Weiss-Fotos von Schulen usw. versehen, ist verständlich geschrieben und gibt einen guten Überblick über Gehörlose und ihre Ausbildung in Heimen und Schulen sowie über ihre Bildungs- und Berufschancen. Ein Kenner der Szene bezeichnete es ‹als etwas vom Besten zu diesem Thema›».
«Die bislang weitgehend unbekannte Geschichte einer gesellschaftlichen Minderheit in der Schweiz, erstmals unter Beteiligung von Betroffenen aufgearbeitet: ‹Aus erster Hand› beschreibt den Wandel des pädagogischen Umgangs mit Gehörlosigkeit, des Status der Gebärdensprache, der Fremd- und Selbstwahrnehmung der Schweizer Gehörlosengemeinschaft. Ein nützliches Nachschlagewerk und spannendes Lesebuch.»
«Heute steht das Gebärden gleichberechtigt neben der Lautsprache. Es ist von der Linguistik als vollwertige Sprache rehabilitiert worden. Der radikale Flügel der Bewegung sieht das Gebärden als Teil der ‹Kultur der Gehörlosen›, die vom Untergang bedroht sei. Die Kulturalisierung erscheint wie ein Echo des sozialen Ausschlusses der ‹Taubstummen› im 19. Jahrhundert. Die Pathologisierung wird radikal positiv gewendet.»