Die Rückkehr des J-Stempels

Zur Geschichte einer schwierigen Vergangenheitsbewältigung

Broschur
2000. 212 Seiten, 12 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905313-34-5
CHF 34.00 / EUR 19.50 
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Der für den deutsch-schweizerischen Grenzverkehr 1938 eingeführte J-Stempel hat drei Geschichten: eine Vorgeschichte, eine Nachgeschichte und eine Gegenwartsgeschichte. Die Geschichte seiner Gegenwart ist die wichtigste. Hier muss nachgewiesen werden, welche Menschen unter welchen Umständen wegen dieses Stempels an der Flucht vor ihren künftigen Mördern gehindert wurden. Es gibt diese Geschichte, wir kennen sie jedoch kaum. Die Vorgeschichte dagegen ist die bisher am stärksten beachtete und am heftigsten diskutierte und betrifft die Verhältnisse und Vorgänge, die zur Regelung von 1938 geführt haben. Warum zum J-Stempel eine Nachgeschichte? Es entspricht einem akademischen Interesse zu untersuchen, wie der J-Stempel historiografisch verarbeitet wurde. Dieser Längsschnitt kann die verschiedenen Positionen sichtbar machen und sagt zum Teil mehr aus über die Kommentatoren als über den Gegenstand. Eine Auseinandersetzung mit der Nachgeschichte erweist sich neuerdings auch als gesellschaftspolitisch nötig. 1997/98 ist im rechtsbürgerlichen Milieu eine Bewegung aufgekommen, die mit einiger Resonanz das bestehende Geschichtsbild zu revidieren versucht. Durch sie ist die Behauptung in Zirkulation gesetzt worden, der Schweiz werde seit mehr als vierzig Jahren immer wieder «fälschlicherweise» vorgehalten, für den J-Stempel verantwortlich zu sein. Die Studie zeigt, dass eine partielle Revision der personalisierten Schuldzuweisung keineswegs zu einer Entlastung der Schweiz führt. Die Schweiz wird allen revisionistischen Bemühungen zum Trotz den J-Stempel nicht los, er gehört zu ihrer Vergangenheit. Man kann sich aber darum bemühen, dass die darin zum Ausdruck kommende Mentalität kein bestimmendes Element ihrer Gegenwart ist. In den Jahren nach 1945 war der J-Stempel kein Thema. Erst über mehrere Etappen 1954, 1967 und 1973, dann 1994/95 erhielt er einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis. Der Revisionismus der jüngsten Zeit hat auf diese wachsende Präsenz reagiert und damit diese Präsenz nur noch verstärkt.

Georg Kreis, Jahrgang 1943, ist Ordinarius für Geschichte an der Universität Basel und Präsident der Eidg. Kommission gegen Rassismus. Nach drei Arbeitsjahren zur Finanzierung des Studiums 1967 Beginn, 1972 Abschluss des Geschichtsstudiums, parallel dazu aktive Studentenpolitik, Publizistik und eine wissenschaftliche Assistenz. Anschliessend eine in normaler Art, mühsame und mit belastenden Existenzsorgen ausgestattete «Laufbahn» als akademischer Lehrer: 1981 Privatdozent, 1986 Extraordinarius, 1995 Ordinarius an der Universität Basel. Daneben, offenbar als biografische Besonderheit, zahlreiche historische Klärungsaufträge: 1989 im Fall der Villiger-Sendung von Radio DRS, 1991–1993 im Fall der Fichenaffäre, seit 1996 als Mitglied der UEK «Schweiz–Zweiter Weltkrieg», 1997 im Fall des Filmes von TSR «L'honneur perdu de la Suisse», 1998–2000 im Falle der Kontroverse um den Hamburger Mäzen Alfred Toepfer, seit 2000 als Präsident des Forschungsprogramms «Schweiz – Südafrika»; daneben seit 1992 Redaktor der zu traverse komplementären Zeitschrift SZG, RSH, RSS.
Europainstitut, CH-4020 Basel; georg.kreis@unibas.ch


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