Redeströme
Zur Elektrifizierung der Schweiz (1880–1914)
Gebunden
1996. 360 Seiten, 8 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905311-91-4
CHF 58.00 / EUR 34.00 
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«Redeströme» untersucht die Elektrifizierung der Schweiz mit neuen Ansätzen der Technik- und Wissenschaftsgeschichte und zeigt, wie die Elektrotechnik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine zunehmende soziale, wirtschaftliche, politische und praktische Anschlussfähigkeit erhalten hat. Im Mittelpunkt der Studie steht jene in der Tages- und Fachpresse, in Vorträgen, Broschüren, parlamentarischen Debatten, Protokollen und Ausstellungsberichten fassbare zeitgenössische Redeweise über Stromversorgung, welche mit ihren soziotechnischen Assoziationsmustern, Gemeinplätzen und Metaphern die wechselseitige Anpassung von Elektrotechnik und Gesellschaft gestützt, gelenkt und gefördert hat.

«Gugerlis Studie zählt zu den besten und differenziertesten technikhistorischen Arbeiten der letzten Jahre, insbesondere weil der Autor Technik nicht als isoliertes Phänomen betrachtet. [...] Er bringt Licht in das Dunkel der Elektrifizierung der Schweiz und setzt zugleich Massstäbe für zukünfige technikgeschichtliche Arbeiten.»
Neue Zürcher Zeitung

«ÐRedeströmeð untersucht die Elektrifizierung der Schweiz mit neuen Ansätzen der Technik- und Wissenschaftsgeschichte und zeigt, wie die Elektrotechnik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine zunehmende soziale, wirtschaftliche, politische und praktische Anschluss-fähigkeit erhalten hat. [...] David Gugerli hat eine gewaltige Arbeit geleistet.»
wasser, energie, luft

David Gugerli, geb. 1961, ist ordentlicher Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich. In seinen Forschungsprojekten beschäftigt er sich mit der Geschichte der Energieversorgung, der technisch-wissenschaftlichen Erfassung von Räumen, der Entwicklung digitaler Telekommunikationsweisen und der Genese des technisierten menschlichen Körpers.


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Pressestimmen
«Gugerlis Studie zählt zu den besten und differenziertesten technikhistorischen Arbeiten der letzten Jahre, insbesondere weil der Autor Technik nicht als isoliertes Phänomen betrachtet. [...] Er bringt Licht in das Dunkel der Elektrifizierung der Schweiz und setzt zugleich Massstäbe für zukünfige technikgeschichtliche Arbeiten.» Neue Zürcher Zeitung

«‹Redeströme› untersucht die Elektrifizierung der Schweiz mit neuen Ansätzen der Technik- und Wissenschaftsgeschichte und zeigt, wie die Elektrotechnik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine zunehmende soziale, wirtschaftliche, politische und praktische Anschluss-fähigkeit erhalten hat. […] David Gugerli hat eine gewaltige Arbeit geleistet.» wasser, energie, luft

Besprechungen
Das historische Buch Es werde Licht! David Gugerli untersucht die Elektrifizierung der Schweiz Der Hotelier Johannes Badrutt war ein Pionier des Fortschritts und vor allem ein guter Ge schäftsmann. Kaum waren 1879 Elektrizität und Bogenlampen verfügbar, präsentierte er den er lesenen Gästen seines Hotels in St. Moritz «das Spektakel des elektrischen Lichts». Nicht nur die Nobeltouristen waren begeistert, auch die Presse war es. Manche Journalisten waren sogar so euphorisch, dass sie die Errichtung einer elektri schen Kunstsonne über St. Moritz prophezeiten, die den Ort von der Kraft der natürlichen Sonne unabhängig machen sollte. Gut ein Jahr später, im Sommer 1880, verwandelten elektrische Bogenlampen das eidgenössische Sängerfest in Zürich in ein Lichterfest mit bisher unvorstellba rer Helligkeit. Wieder war die Presse begeistert, doch statt die Funktion der neuen Technik ratio nal zu beschreiben, sprachen die Journalisten von «magischen Effekten» und vom Zauber der «elek trischen Flamme». Anhand dieser und anderer historischer Bei spiele analysiert der Technikhistoriker David Gugerli die Anfänge der Elektrifizierung der Schweiz. Erfreulicherweise ist seine Studie «Re deströme» nicht der traditionellen Technik- und Innovationsgeschichte verhaftet, die, primär Er findern und ihren innovativen Leistungen ver pflichtet, die Wechselwirkungen zwischen Gesell schaft, Technik und Kultur zumeist vernachläs sigt. Gugerli liefert also keine trockene Fakto graphie der Turbinenleistungen, Leitungsnetze und Kilowattstunden, keine biographischen Da ten von symbolisch überhöhten Erfinderpersön lichkeiten. Sein Thema ist vielmehr der gesellschaftliche Diskurs, der zur Einführung und Verbreitung der Elektrizität in der Schweiz geführt hat. Ein Dis kurs, der sich vor allem in der Tages- und Fach presse widerspiegelt. Zu den von Gugerli verwen deten Quellen zählen rund 1000 Artikel, die in der NZZ im untersuchten Zeitraum zwischen 1880 und 1914 erschienen sind, sowie 600 Bei träge aus der «Schweizer Bauzeitung». Anhand dieser auch linguistisch und seman tisch hervorragend ausgewerteten Quellen belegt Gugerli eindrucksvoll, dass die Erfindung und Entwicklung einer neuen Technologie noch kei neswegs deren umgehende Verbreitung und allge meine Anwendung zur Folge hat. Die Einführung einer neuen Technologie, in diesem Fall die der Elektrotechnik, ist eben kein automatisch ablau fender Prozess, der sich per se aus den neuen technischen Möglichkeiten ergibt. Vielmehr be darf es einer langwierigen und umfassenden ge sellschaftlichen Auseinandersetzung mit der In novation, mit ihren Anwendungsfeldern und möglichen Folgen. Nicht die Innovation als sol che, argumentiert der Autor, sondern erst der ge sellschaftliche Diskurs ermöglicht die Einführung einer neuen Technologie. Bevor der elektrische Strom zuerst in den Städ ten und dann auf dem Land verfügbar war, son dierten «Redeströme» das Terrain und bereiteten die Verbreitung des neuen Energieträgers vor. Dabei waren wiederkehrende Argumentations muster von grosser Bedeutung. So beklagten ver schiedene Journalisten regelmässig - auch wenn davon gar nicht die Rede sein konnte - die Rück ständigkeit bestimmter Städte oder gar der ganzen Schweiz gegenüber anderen europäischen Län dern, auch wenn dies gar nicht der Fall war; eine Rückständigkeit, die nur durch eine forcierte Elektrifizierung aufzuheben sei. Wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde auch eine (damals keineswegs gesicherte) Gewissheit über den zukünftigen Entwicklungsverlauf der Elektrifizierung. Publizisten und schreibende Ingenieure reicherten so die öffentliche Diskus sion über das elektrische Licht mit einer beträcht lichen Dosis Fortschrittsoptimismus an. Elektrizi tät wurde zum «zukunftsweisenden Paradigma» und dem Bürger als wichtiges Ziel des Fortschritts vermittelt. Doch auch eine ganz erstaunliche technikreli giöse Metaphorik stellt Gugerli fest. Regelmässig wurden zum Beispiel bekannte Begriffe aus dem religiösen Bereich auf die neue Technik übertra gen, um ihr eine quasireligiöse Weihe zu geben. Schalttafeln von Kraftwerken wurden als «Altäre» bezeichnet, und elektrisches Licht wurde zum «ewigen Licht» erhoben. Noch häufiger war von «Zauber» und «Magie» die Rede. Gugerli wertet diese Metaphorik als Ausdruck des Bemühens, die neue Energieform sprachlich in die traditio nelle Welt zu integrieren, ihr Zuordnungen zu verleihen, die vertrauten Bildern und Vorstellun gen entsprechen. So war die Elektrifizierung der Schweiz keineswegs nur eine technische, sondern vor allem auch eine sprachlich-publizistische Lei stung. «Redeströme» ist somit ein treffender Titel, der nicht besser hätte gewählt werden kön nen. Gugerlis Studie zählt zu den besten und diffe renziertesten technikhistorischen Arbeiten der letzten Jahre, insbesondere weil der Autor Tech nik nicht als isoliertes Phänomen betrachtet. Wie nur wenigen anderen Wissenschaftern (Bruno Latour und Joachim Radkau seien hier genannt) gelingt es Gugerli, das komplizierte Geflecht aus technischen, publizistischen und gesellschaft lichen Tendenzen zu entwirren und plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Er bringt Licht in das Dunkel der Elektrifizierung der Schweiz und setzt zugleich Massstäbe für zukünftige technik geschichtliche Arbeiten. Bernd Flessner David Gugerli: Redeströme. Zur Elektrifizierung der Schweiz 1880-1914. Chronos-Verlag, Zürich 1996. 350 S., Fr. 58.-. Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 07.08.1996 Nr. 181 40

Geschichtsschreibung weist meist explizit oder implizit einen «Helden» auf, der die Narratio strukturiert. Gugerlis Held ist der Diskurs beziehungsweise sind - meist pluralisiert - die «Redeströme». Schon im Titel macht der Autor diese Intention glasklar: Es geht ihm um die Redeströme, welche die Elektrifizierung der Schweiz vorbereiteten, begleiteten, absicherten und weitertrieben, nicht dagegen um eine neue Gesamtgeschichte der Elektrifizierung der Schweiz. Gugerli skizziert in der Einleitung zur Druckfassung seiner Zürcher Habilitationsschrift zunächst Grundelemente gän-giger Erklärungsmuster für die rasche und erfolgreiche Elektrifizierung der Schweiz: die nationale Eigenart der Schweizer, positive Eigenschaften ihrer Nachbarvölker kreativ zu kombinieren; der Mangel an Kohle bei gleichzeitigem Reichtum an Wasserkraft; ein effizienter Kapitalmarkt; gut qualifizierte Arbeiter und Techniker sowie wagemutige Unternehmer. Diese fünf Elemente bildeten - so Gugerli - seit rund 100 Jahren Grundmuster von Erklärungen der Schweizer elektrowirtschaftlichen success story. Mit wenigen Strichen verwirft Gugerli diese Topoi als wenig erklärungskräftig. Sein Ansatz ist nun, die Genese dieser Erklärungsmuster selbst zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen. Die Tatsache, dass das Modell trotz geringer Validität sich so lange halten konnte, versteht Gugerli als «integrales Moment im Verlauf der Elektrifizierung der Schweiz». Sein Ziel ist, «die historische Entwicklung einer bestimmten Redeweise über Elektrifizierung nachzuzeichnen, ihre perzeptionsvereinheitlichende Rolle im Elektrifizierungsprozess zu verstehen und schliesslich auch ihre Handlungsrelevanz aufzuzeigen». (11) Weder in der Technikgeschichte, noch in der Wirtschaftsgeschichte findet er dazu adäquates methodisches Rüstzeug. Statt dessen stützt er sich auf Ansätze der neueren Wissenschaftsgeschichte, insbesondere von Bruno Latour, der am Beispiel der «Pasteurisierung Frankreichs» gezeigt habe, wie der Erfolg von Wissenschaft nicht allein von der immanenten Qualität wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern vielmehr davon abhängt, ob es dem Wissenschaftler gelingt, «bestehende Interessen zu verschieben, zu übersetzen und mit [...] eigenen Interessen zu verknüpfen», (12) Allianzen herzustellen. Mit diesem methodischen Instrumentarium analysiert Gugerli nun den elektrotechnischen bzw. elektrowirtschaftlichen Diskurs, den er definiert als «die Gesamtheit von Begriffen, Sprechakten und Redewendungen [...], welche aufeinander bezogen waren und [...] den hier zur Diskussion stehenden technischen Entwicklungsprozess nicht nur stützend begleitet, sondern letztlich überhaupt erst ermöglicht haben». (13) Quellenmässig stützt sich Gugerli auf die Auswertung von Schweizer Tageszeitungen, vor allem der Neuen Zürcher Zeitung, von Fachorganen wie die Schweizer Bauzeitung, ausserdem auf die Sichtung von Firmenarchiven und Planungsunterlagen bei Kommunen und Kantonen. Seine Beispiele wählt er primär aus Stadt und Kanton Zürich. Gugerlis Studie indentifiziert drei Hauptphasen der Schweizer Elektrifizierung. Eine erste seit Beginn der 1880er Jahre - 1880 wurde erstmals auf einem eidgenössischen Sängerfest in Zürich elektrische Beleuchtung in grossem Umfang eingesetzt - stand im Zeichen elektrischer Beleuchtung als «Luxuskonsum» und endete um 1890 mit der allgemeinen Desorientierung des Systemstreits zwischen Anhängern des Gleichstroms und des Wechselstroms. Ab etwa 1893/94 folgte wieder eine Phase beschleunigten Wachstums dank der auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main 1891 erzielten Durchbrüche, die bis zu einer Sättigungskrise um die Jahrhundertwende anhielt. Die dritte Phase ab 1904 wurde dann vom Grosskraftwerkbau bestimmt und hielt bis zum Ersten Weltkrieg an. Gugerlis Darstellung folgt im wesentlichen auch dieser Chronologie, weil seine Diskursgeschichte erklären möchte, wie jeweils die Wachstumsgrenzen und Hindernisse am Ende der jeweiligen Phase durch die «Redeströme» überwunden wurden. Im ersten Kapitel «Elektrische Utopie, Repräsentation und Luxuskonsum» untersucht er das Entstehen von «Assoziationsofferten» im frühen Diskurs der 1880er Jahre, was auf begriffliche Verbindungen, aber auch auf praktische Anwendungen verweisen soll. Im zweiten Kapitel «Übertragung, Verteilung, Anschlüsse» zeigt Gugerli am Beispiel mehrerer Elektrifizierungsprojekte der 1880er Jahre, wie sich das «Paradigma der Übertragbarkeit» von elektrischer Kraft formierte und damit «anschlussfähige Referenzpunkte» für weitere Projekte vorlagen. Das dritte Kapitel «Konsensbildung und elektrowirtschaftliches Wachstum» skizziert die Orientierungskrise des Systemstreits Ende der 1880er Jahre, akzentuiert geradezu euphorisch die Bedeutung der Frankfurter Ausstellung, die mit der spektakulären Fernübertragung hochgespannten Drehstroms die sich abzeichnende Lähmung und Blockierung überwinden half. Die Ausstellung als «kommunikatives Grossereignis» (23) habe für die Schweiz eine Vereinheitlichung des Diskurses bewirkt; über mehr als ein Jahrzehnt habe man danach in der Schweiz «in denselben Kategorien, mit derselben Sprache über Elektrotechnik» gesprochen. (111) Elektrifizierung assoziierte sich untrennbar mit «technischem Fortschritt», Zukunft wurde modelliert als künftige, planbare Gegenwart, was auch die Gewissheit über die zukünftige Richtung technischen Fortschritts als Planungsgrundlage neuer Kraftwerksprojekte schuf. Im vierten Kapitel «Redeströme und praktischer Kontext der Elektrotechnik» konstruiert Gugerli zunächst das «Systemsyndrom», das heisst die der Elektrifizierung vorausgehende Herstellung virtueller und realer technischer Netzwerke, angefangen vom Netz von Vermessungspunkten, das die neue Landesvermessung ab Mitte des 19. Jahrhunderts über die Schweiz legte, über die Strassen-, Eisenbahn- und Telegraphennetze bis hin zur folgenreichen Modellierung der Schweiz als «Gewässernetz». Aufgezeigt wird die Prägung von Anschauungsweisen, an die Elektrotechnik anschliessen konnte. Der Begriff «Anschlussfähigkeit» ist hier zentral und wird insbesondere am engen ideellen wie realen Konnex zwischen Wasser- und Stromversorgung in Zürich exemplifiziert. Wenn Gugerli aus diesen Beobachtungen aber das allgemeine Ar-gument entwickelt, die Modellierung von Stromversorgung habe sich primär konzeptionell an der Wasserversorgung orientiert, so widerspricht dies zumindest den Elektrifizierungsprozessen in reichsdeutschen Städten wie auch den Thesen Schivelbuschs, der angesichts der Lichtdominanz der frühen Elektrifizierung die Ausrichtung auf die Gasversorgung betont. Möglicherweise war die Ausrichtung auf die Wasserversorgung doch eher ein Schweizer Spezifikum, wo in Zürich etwa eine Druckwasserversorgung für Kleingewerbetreibende den Aspekt der Motorenenergie bereits wesentlich früher akzentuierte als in deutschen Städten. Im fünften Kapitel «Institutionen der Elektrizitätswirtschaft» stellt Gugerli zunächst die Enteignungsfrage im Zusammenhang mit dem Leitungsbau sowie die technischen Risiken der Elektrotechnik als «Grenzen des Wachstums» vor. Die einsetzende Institutionalisierung und Professionalisierung des wirtschaftlichen wie wissenschaftlichen Feldes dienten letztlich dazu, diese Grenzen durch Verbandspolitik - die Fixierung technischer Qualitätsstandards - durch eine ausgedehnte Publizistik und eine formale Akademisierung hinauszuschieben beziehungsweise aufzuheben. Der entstehende elektrowirtschaftliche Diskurs überwand auch die «Ängstlichkeit des Kapitals», ab Mitte der 1890er Jahre zeigte sich das anfänglich zurückhaltende Schweizer Kapital zunehmend bereit, die sehr kapitalintensiven Elektrifizierungsprojekte mitzutragen. Als sich allerdings um 1900 zeigte, dass viele der Projekte keineswegs die erhofften Renditen erzielten, half auch der Diskurs nicht mehr unmittelbar aus der Krise. Deren Überwindung war dann Resultat einer «Politisierung der Elektrifizierung» (Kap. 6). Bereits Anfang der 1890er Jahre war die Forderung nach Übernahme sämtlicher Wasserkräfte durch den Bund laut geworden. In der Folge formierte sich mittelfristig die Vorstellung von den Wasserkräften als nationalem Schatz, der die Schweiz für das Fehlen von Kohle entschädige. Gugerli zeigt, wie sich die Politisierung der Elektrifizierung über die in der Frühphase extrem wichtige kommunale Stufe ab 1904 auf kantonaler Ebene mit dem Bau von Grosskraftwerken fortsetzte, die auch die Versorgung ländlicher Gebiete beabsichtigten, bis der Bund schliesslich 1908 verfassungsmässig die Oberaufsicht über die Wasserkräfte reklamierte, die er 1916 im Wasserrechtsgesetz unter Bundeshoheit nahm. Gugerlis «Redeströme» präsentiert eine provozierende, ungewohnte, innovative Sicht der Schweizer Elektrifizierung. Seine Kritik am «autodynamischen Fortschrittsmodell» herkömmlicher Darstellungen ist stichhaltig und überzeugend; Elektrifizierung bedurfte - mehr noch als andere Technologien des späten 19. Jahrhunderts - der diskursiven Begleitung und Absicherung. Zugleich war sie aber auch nicht - das betont Gugerli wiederholt - Resultat eines gigantischen Manipula-tionsprozesses. Studien dieser Art - Gugerli erhielt 1995 den Rudolf-Kellermann-Preis für Technikgeschichte des Vereins Deutscher Ingenieure - könnten die hartnäckig evolutionären Vorstellungen über die Entstehung und Durchsetzung grosstechnischer Systeme nachhaltig erschüttern. Kritisch anzumerken sind allerdings einzelne Detailaussagen oder auch Fehlstellen: So unterschätzt Gugerli etwa die Rolle der Strassenbahnen für den Lastausgleich in den 1890er Jahren und kurz nach 1900; die Gaswirtschaft als wichtigste Konkurrenztechnologie und kommunaler Kontext kommt eindeutig zu kurz, die Frage, wie die «Redeströme» bei der Masse potentieller Stromkonsumenten «ankamen», welche Praxis sie auslösten, wird kaum gestellt. Leider lässt sich Gugerli nicht selten von seinen «Redeströmen» selbst mitreissen, so dass der Diskurs sprachlich zum quasipersonalen Akteur wird: «Elektrotechnische und elektrowirtschaftliche Diskurse haben sich [...] an ihre eigene Anschlussfähigkeit gehalten und in der Praxis auf jenen komplexen Möglichkeitsraum gestützt [...].» (185) Immer wieder verfällt er, wenn er die Ergebnisse seiner Quellenarbeit auf einen allgemeinen Nenner bringen möchte, in die geschraubt klingende Sprache der Diskursanalyse, die seine Thesen eher verunklart und zuspitzt. Letztlich fragt man sich, ob diese Konzentration auf «Redeströme» nicht den Diskursen einen - in Umkehrung früherer Vernachlässigung - überhöhten Stellenwert einräumt, ob sie tatsächlich schlüssig erklären kann, warum nicht nur die «Redeströme», sondern auch die «elektrischen Ströme» sich so gestalteten, wie dies in der Schweiz geschah. Dieter Schott (Darmstadt) traverse - Zeitschrift für Geschichte - Revue d'histoire 1999 / 01