Überall ist Protest. Scheinbar gelöste Konflikte überrumpeln die Gesellschaften der Gegenwart mit neuer Heftigkeit. Frauenstreiks und Klimastreiks mobilisieren Hunderttausende, Black Lives Matter und postmigrantische Kritik konfrontieren ehemalige Sklaverei- und gegenwärtige Einwanderungsgesellschaften mit der ungebrochenen Macht rassistischer Klassifizierungen, Austeritätspolitiken treffen auf die Alternative des Widerstands. Daneben mutiert im Begriff der «Protestwahl» das institutionelle Getriebe der Demokratie selbst zur Revolte und die Schablone des «Populismus» scheint sich wie von selbst anzubieten, um Verschiebungen der politischen Kräfteverhältnisse nach links wie nach rechts zu beschreiben. In diesem Kontext werden alle Kommentare zu vergangenen Protesten selbst politisch: Sie setzen sich dem Verdacht der Heroisierung oder aber des postumen Urteils aus. Zugleich qualifiziert eine subtile Geschichtspolitik die Proteste der Vergangenheit als angemessen, um diejenigen der Gegenwart umso schärfer als Zumutung abwehren zu können – wenn historischer Wandel nicht gleich ganz ohne Berücksichtigung sozialer und politischer Kämpfe erklärt wird.
Aujourd’hui la contestation est partout. Des conflits que l’on croyait dépassés resurgissent et déferlent sur les sociétés actuelles avec une virulence nouvelle. Les grèves des femmes et les grèves climatiques mobilisent des centaines de milliers de personnes; Black Lives Matter et la critique postcoloniale s’insurgent contre les sociétés coloniales du passé – et les politiques d’immigration actuelles – en les confrontant au pouvoir persistant des classifications raciales, voire racistes. Les politiques d’austérité se voient confrontées à des résistances alternatives. En même temps, le concept de «vote de protestation» tend à faire des mécanismes de la démocratie des instruments d’opposition. Dans cette perspective, la formule du populisme apparaît comme un instrument commode d’interprétation des mutations des rapports de force, vers la droite comme vers la gauche. Dans ce contexte, tous les commentaires portant sur les mouvements de protestation du passé deviennent presque automatiquement politiques: leur histoire s’expose forcément à la suspicion d’héroïsation ou à une présomption de jugement posthume. Des formes plus subtiles de politiques de l’histoire tendent à qualifier les protestations du passé comme rationnelles et adéquates, seulement pour condamner d’autant plus fermement celles du présent. Et parfois, les conflits sociaux et politiques sont tout simplement évacués de l’interprétation des transformations historiques.
Protest, Partizipation und Revolution in der frühneuzeitlichen Schweiz
Zum Verhältnis zwischen Protestgeschehen und Protestgeschichte am Beispiel des Bündner Fähnlilupfs
Les Vêpres siciliennes (1282–premier XVIe siècle)
Eine geteilte Protestgeschichte
Rebellische Subjekte in der anarchistischen Literatur Argentiniens am Anfang des 20. Jahrhunderts
Proteste von Erwerbslosen in der Schweiz
Überlegungen zur Persistenz und historiografischen Ignorierung bäuerlich-agrarischer Proteste in Industriegesellschaften
Manifestations paysannes (1954, 1961, 1973) et malaise paysan
Autour du mouvement de contestation de la jeunesse polonaise de 1905
Mobilisierungspraktik der Schweizer Friedensbewegung zu Beginn der 1980er-Jahre
«Die Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte setzt sich in ihrem Jahrbuch mit den Fragen nach den positiven und negativen Protestbewegungen in der frühneuzeitlichen Schweiz, mit Blick auf die historischen Entwicklungen, auseinander. Es sind Studien und Analysen, in denen sowohl die aktuellen, sozialpolitischen Wirkungen von Widerstandsaktivitäten untersucht werden, als auch das tranformatorische Potenzial von Protestbewegungen erkundet wird. [...] Protest ist, wenn er nicht Beckmesserei und Ignoranz ist, sondern im Diskurs auf Augenhöhe vorgebracht wird, Aufforderung zum Dialog. Es geht um das Ringen um bestmögliche, humane Lösungen. An Beispielen der Schweizer Geschichte und Gegenwart werden soziale und zivilisatorische Entwicklungen gewissermaßen exemplarisch thematisiert. [...] Ein menschenwürdiges, gerechtes und gleichberechtigtes, humanes, gutes, gelingendes Leben ist auf die demokratische Teilhabe der Menschen am lokal- und globalgesellschaftlichen Menschheits-Dasein angewiesen. Es kommt darauf an, die historischen, präsenten und zukünftigen Entwicklungen zu Fragen eines kritisch-aktiven, politischen Lebens zu verstehen. Deshalb ist der Sammelband ‹Protest!› als eine Stimme aus der Schweiz durchaus als globaler Ruf zur Menschlichkeit zu werten!»
Vollständige Rezension
«Dass das Jahr 2019 mitunter als ‹Jahr des Protests› prononciert wird, verwundert die Herausgeber_innen des Schweizer Jahrbuchs für Wirtschafts- und Sozialgeschichte nicht, seien doch von den französischen ‹Gelbwesten› (‹gilets jaunes›) über Massenproteste in Honkong bis hin zu Streiks in vielen Ländern Lateinamerikas doch allerorten Formen des kollektiven Protests zu beobachten: ‹Überall ist Protest. Scheinbar gelöste Konflikte überrumpeln die Gesellschaften der Gegenwart mit neuer Heftigkeit. Frauenstreiks und Klimastreiks mobilisieren Hunderttausende, Black Lives Matter und postmigrantische Kritik konfrontieren ehemalige Sklaverei- und gegenwärtige Einwanderungsgesellschaften mit der ungebrochenen Macht rassistischer Klassifizierungen, Austeritätspolitiken treffen auf Alternative des Widerstands.›»
Vollständige Rezension
«Die Schweiz gilt als Land von Konsens und Kompromiss. Doch ihre Geschichte ist durchzogen von Protesten und Revolten.»
Zu betonen ist die «hoh[e] Qualität und d[ie] akkurat[e] Recherche aller Beiträge.»