Im 20. Jahrhundert wurden in der Schweiz Zehntausende Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien und Heimen platziert. Das Kindeswohl und die individuelle Entwicklung der Heranwachsenden waren dabei oft nachrangig. Für viele betroffene Kinder und Jugendliche war das Aufwachsen im Heim mit der Erfahrung von Isolation und einem Mangel an Zuwendung verbunden. Als sogenannte Heimkinder bekamen sie lediglich eine rudimentäre Schul- und Berufsbildung. Eine unbekannte Zahl wurde Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch. Für dieses Neujahrsblatt der Stadtbibliothek arbeiteten Forscherinnen und Forscher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Departement Soziale Arbeit, im Auftrag der Stadt die Geschichte der Winterthurer Kinder- und Jugendheime zwischen 1950 und 1990 auf. Um aus ihrer Geschichte zu lernen, wünschte die Auftraggeberin ausdrücklich keine Heile-Welt-Darstellung, die schwierige Kapitel ausklammert. Die Erfahrungen der ehemaligen Heimkinder stehen dabei im Zentrum. Im Buch kommen sie durch zahlreiche Zitate aus den mit ihnen geführten Interviews zu Wort. Ergänzt werden ihre Perspektiven durch Berichte früherer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Heimerziehung in Winterthur wird zudem anhand von Archiv- und Bildmaterial dargestellt.
Vorwort
Einleitung
Teil 1 Winterthurer Kinder- und Jugendheime im gesellschaftlichen Kontext, 1950–1990
Nadja Ramsauer, Alessandra Staiger Marx
Kinder- und Jugendfürsorge in der Industriestadt Winterthur
- Heimeinweisende Behörden, Vereine und ein Seitenblick auf das Kinderheim Büel
- Deutungsweisen von Vormundschaftsbehörden und ein Seitenblick auf das Mädchenheim Sunnehus
Vom Waisenhaus Winterthur zum Kinder- und Jugendheim Oberwinterthur: Heimerziehung 1950–1990
- Paternalistische Heimerziehung im Waisenhaus der 1950er und 60er Jahre
- Umbruch und neue Wege in der Heimerziehung nach 1968
Teil 2 Heimalltag aus der Sicht von ehemaligen Heimkindern und Mitarbeitenden
Clara Bombach, Thomas Gabriel, Samuel Keller
- Interviewpartnerinnen und -partner
- Prägende Räume und Orte im und ums Heim. «Die elendlange Träkt»
- Heimalltag in Takt und Routine. «Da isch alles durreorganisiert gsi»
- Die («unmoralische») Herkunft der Kinder. «Eusi Muetter isch nöd e Nutte gsi»
- Die Mitarbeitenden im Heim. «Die händ ja alles mitübercho»
- Erziehungsvorstellungen. «Du muesch! Du muesch! Das muesch! Säb muesch!»
- Machtmissbrauch: schwere körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. «Die ganz schlimme Sache, die sind im Verschteckte passiert»
- Die Kinder und Jugendlichen im Heim. «D Huusordnig vom Heim isch nid di glich gsi, wiä d Huusordnig vo üs»
- Heimkind sein. «Das hett mer natürlich au vo usserhalb z gschpüre übercho, dass Heimchind minderwertig sind»
Anmerkungen Bibliografie
Sammelrezension VPOD-Magazin - April 2019
«Das neue Buch ‹Zusammen alleine› ist ein lesbares und lesenswertes Stück Winterthurer Sozialgeschichte. Es will früheren Heimkindern eine Stimme geben – und das gelingt.»
«Ein informatives Buch aus der Feder von ZHAW-Forschenden erzählt über die gelegentlichen Freuden und das grosse Leiden von Winterthurer Heimkindern in den Jahren nach 1950.»