Von der paternalistischen Fürsorge zu Partizipation und Agency

Der gesellschaftliche Wandel im Spiegel der Sozialen Arbeit und der Sozialpädagogik

Gebunden
2020. 280 Seiten, 9 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1590-5
CHF 38.00 / EUR 38.00 
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Der beschleunigte soziale Wandel prägt nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit, sondern auch die Disziplinen, die sich theoretisch und praktisch mit seinen Folgen auseinandersetzen. Soziale Arbeit und Sozialpädagogik haben sich in den letzten hundert Jahren stark verändert. Die vorliegende Publikation vereint Beiträge von Autorinnen und Autoren aus der Schweiz und aus Deutschland, die verdeutlichen, welchem historischen Wandel Vorstellungen von Familie, Kindheit oder Erziehung unterworfen waren und wie diese Vorstellungen auf die Professionen zurückwirkten.
Im 19. Jahrhundert, als im Zuge der Industrialisierung die soziale Frage von Öffentlichkeit und Staat aufgegriffen wurde, zielten Armengesetzgebungen und fürsorge­rische Massnahmen noch auf die Disziplinierung von «liederlichen Personen» – so wurden Menschen ohne Arbeit und Perspektive oft genannt. Behörden massen Familien an bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen. Kinder und Jugendliche, deren Eltern von Armut betroffen waren oder dem propagierten Familienideal nicht entsprachen, wurden in Heimen und Anstalten platziert. Der Alltag in den Heimen war von harter Arbeit, Körper­strafen und einer rigiden Disziplinierung geprägt. Die pädagogischen Ideen der Aufklärung waren weit in den Hintergrund gerückt. Erst in den 1920er-Jahren professionalisierte sich die Fürsorge durch das Wirken bürgerlicher Pionierinnen allmählich. Die gesellschaftlichen Reformbewegungen der 1960er-Jahre, besonders die Frauen- und die Jugend­bewegung, führten zu einem weiteren Theorie- und Methodenschub und zu tief greifenden Veränderungen in der Praxis.


Historikerin und Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Soziale Arbeit, Institut für Kindheit, Jugend und Familie. Sie forscht zur Kinder- und Jugendhilfe und zur Geschichte Sozialer Arbeit.


Bücher im Chronos Verlag


Aufsätze im Chronos Verlag


ist Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Soziale Arbeit, Institut für Kindheit, Jugend und Familie. Er lehrt zu Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit.


Aufsätze im Chronos Verlag


Artikel
  • Sozialer Wandel und Fachlichkeit in Sozialpädagogik und Sozialer Arbeit.

    Eine Einführung

    S. 9–14
  • Von der Volkspflegerin zur Weltanschauungswissenschaftlerin und «idealen Dozentin» für Sozialschulen.

    Bildungsbiografische und fachliche Verortungen der Gründungsrektorin der Evangelischen Hochschule Darmstadt vor und nach 1945

    S. 17–31
  • Buntes Patchwork oder einheitliches Berufsprofil?

    Fachlichkeit in der Schweizer Heimerziehung (1940–1980)

    S. 33–58
  • Supervision als neues Element von Fachlichkeit in der Fürsorge nach 1945

    Ein Beitrag zur historisch-kritischen Rekonstruktion der Einführung in Deutschland und Europa

    S. 59–78
  • Von der «Jugendnot» zur «Jugendsozialarbeit»

    Von einem sozialen Problem in der Nachkriegszeit zu einer sozialpädagogischen Problemlösung

    S. 81–99
  • Das Säuglingswohl im Kontext von fachlichem Wissen und «guter» Praxis
    S. 101–115
  • Umstrittene Expertise

     Einblicke in eine Debatte um Heimerziehung Anfang der 1970er-Jahre

    S. 117–132
  • Jugendamtliche Entscheidungsprozesse vor und nach den Heimkampagnen der 1970er-Jahre
    S. 133–155
  • Fürsorgerische Zwangsmassnahmen in der Schweiz: Zwischen Aufarbeitung und erneuter Erfahrung von Verdinglichung
    S. 157–179
  • Zwischen Kasernierung und Repression

    Gesellschaftlicher Umgang mit Abweichungen vom sozialen Standard

    S. 183–211
  • No-go-Area Syphilis und Co.?

    Über den Zusammenhang zwischen der Tabuisierung von Syphilis und bloss technischer Thematisierung sexualisierter Gewalt – ein Versuch zur Neubestimmung

    S. 213–226
  • Demokratieerziehung, Partizipationsrechte und der soziale Wandel

    Wie erkennt die Sozialpädagogik Herausforderungen, und wie reagiert sie darauf?

    S. 227–244
  • Vorbereitung für Erez Israel

     Siegfried Lehmann und die Jüdische Waisenhilfe

    S. 247–265
  • Heimat, Weh und Ach

    Heimat als Problem in der Sozialen Arbeit und bei Karl Jaspers

    S. 267–277

Pressestimmen

«Das Buch gibt insgesamt interessante und für eine sich selbstvergewissernde Profession relevante Einblicke und Hinweise auf historische Themen und Problemstellungen.»

Vollständige Rezension

H-Soz-Kult, 5. Juli 2021, Tobias Studer

«Der Sammelband untersucht, wie soziale Wandungsprozesse die Fachlichkeitsvorstellungen der Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik geprägt haben. [...] Er leistet einen wichtigen Beitrag, um die Professionalisierung der Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik im 20. Jahrhundert in Deutschland und der Schweiz historisch zu kontextualisieren. Nicht zuletzt leuchtet er die konflikthaften Prozesse aus, in denen Leitbilder von ‹Fachlichkeit› ausgehandelt wurden. Der Sammelband überzeugt gerade dort, wo Vorstellungen einer vereinfachten Fortschrittsgeschichte gebrochen und auf Formen von ‹Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen› verwiesen werden. Diese Perspektive ermöglicht es nicht zuletzt, das demokratiepolitische Versprechen von ‹Partizipation› und ‹Agency› auch für die gegenwärtige Soziale Arbeit und Sozialpädagogik kritisch auf Widersprüche und Friktionen hin zu untersuchen.»

Vollständiger Beitrag

socialnet, 4. Februar 2021, Sonja Matter

«Der Band, der im Anschluss an eine ZHAW-Tagung entstanden ist, wirft eine Vielfalt von Schlaglichtern auf die Art und Weise, wie die Vortsellungen der Profession vom jeweiligen Zeitgeist geprägt waren. Das beginnt mit der Rede von ‹Zwangserziehung liederlicher Personen› im 19. Jahrhundert und führt über ideologische Verstrickungen im Dritten Reich bis hin zu Diskursen der Gegenwart, in denen die Handlungsmächtigkeit der Adressatinnen und Adressaten einen zentralen Stellenwert einnimmt.»

Sozial, Magazin der ZHAW Soziale Arbeit, Nr. 14 / Winter 2020/2021

«Soziale Arbeit und Sozialpädagogik sind durch ihren Anspruch gekennzeichnet, über wissenschaftliche Zugangsweisen fachliches Wissen und fachdienliche Methodologie zu generieren, die eine solide reflektierte und reflexive Praxis in unterschiedlichsten Fel- dern ermöglichen soll. Dazu gehört auch der Blick auf die historische Entwicklung der Domänen, indem die jeweiligen Antworten zu unterschiedlichen Zeiten und in unter- schiedlichen historischen Konstellationen auf Spannungsfelder, insbesondere zwischen Disziplinierung und Hilfe zur Selbsthilfe, analysiert und bewertet werden. Der Band bietet einen spannenden Einblick in das weite Feld der Sozialen Arbeit / Sozialpädagogik sowohl was die Wirkungsorte als auch die disziplinären Bezüge wie auch die Theoretisierung der Fachlichkeit in historischem Verlauf anbelangt.»

Béatrice Ziegler, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 72/1 (2022)