«Verbreitungsbilder von Artefakten regten die archäologische Forschung seit dem späten 19. Jahrhundert dazu an, ‹Kulturkreise› zu definieren und auf dieser Basis Siedlungsräume ethnischer Gruppen, deren (Fremd)bezeichnung in lateinischen und griechischen Schriftquellen überliefert ist, zu lokalisieren. Diese Herangehensweise provoziert seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten eine heftige Diskussion über die Interpretierbarkeit materieller Quellen im Hinblick auf die Benennung, Definition und Lokalisierung antiker Ethnien und Identitäten. […]
Heterogene und teilweise Provinzgrenzen überschreitende Verbreitungsbilder […] zum Gegenstand eines Forschungsprojekts zu machen, war das Anliegen eines trinationalen Forschungsprojekts (D-A-CH) der Universitäten Innsbruck, Zürich und Freiburg i. Br. mit dem Titel ‹Limites inter Provincias›. Die im Rahmen eines internationalen Kolloquiums 2016 präsentierten Zwischenergebnisse des Projekts sind Gegenstand der hier vorzustellenden Publikation. […]
Es gelingt, an verschiedenen regionalen und methodischen Beispielen zu zeigen, dass (römische) Grenzen neben administrativen und politischen Rahmenbedingungen auch kulturelle und soziale Realitäten und Identitäten, aber auch Netzwerke verschiedenster Art widerspiegeln können. Damit können sie ebenso für gewachsene Strukturen in den römischen Provinzen stehen, wie sie zugleich multikausalen dynamischen Prozessen unterliegen. Festzustellen ist zudem, dass die politisch-administrativen Grenzen im Bearbeitungsgebiet Obergermaniens und Raetiens weder ökonomische Netzwerke noch ethnische Entitäten voneinander separiert haben. Gleichwohl lassen sich innerhalb ein und derselben Provinz Phänomene räumlich voneinander abgrenzen, welche die Provinz als inhomogenen Kulturraum ausweisen. Wir erkennen also die in der materiellen Kultur sich abzeichnende Durchlässigkeit von Provinzgrenzen, welcher intraprovinziale Entitäten an die Seite zu stellen sind. Ein materialbasiertes und zugleich theorieorientiertes Erklärungsmodell ist von der Abschlusspublikation des D-A-CH-Projekts mit Spannung zu erwarten.»
«Der Band bietet in sehr kompakter Form eine Fülle wertvoller Anregungen, die im Folgenden nur exemplarisch diskutiert werden können. [...] Tendenziell entwickelt sich ein komplexes Bild: Provinzgrenzen, die auch unterschiedliche Zollbezirke markieren können, sind nicht unbedingt mit den im archäologischen Material fassbaren Kulturgrenzen identisch. Allen Autoren und den verantwortlichen Koordinatoren dieses Forschungsprojektes [...] ist für diese Einblicke zu danken. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Band weitere Forschungen initiiert und den lange Zeit nur auf die Außengrenzen und deren militärische Sicherung gerichteten Blick auf die Binnengrenzen des Imperiums lenkt. Das schmale Buch sollte in keiner provinzialrömischen Bibliothek fehlen.»