«Lebensbeschreibung einer (Unglücklichen!) sowie die Schilderung der Erlebnisse während zehn Jahren im Irrenhaus»
Die Schneiderin Anna Z. (1867–1938) verfasste 1916 in der Pflegeanstalt Rheinau, in der sie mehr als zehn Jahre verbringen musste, eine packende Lebensbeschreibung. Sie gibt darin Einblick in ihr unruhiges Leben, in dem sie Unabhängigkeit, Beruf, Heirat, Sexualität und Mutterschaft zu vereinen versuchte. Anna Z. war eine ausgezeichnete Beobachterin, die ihr Handeln selbstreflexiv in den Kontext ihrer Zeit einschrieb. Sie entwarf eine moderne, zweifelnde, entwurzelte Protagonistin, die sie einem oft angerufenen «lb. Leser» – und damit der Öffentlichkeit – präsentieren wollte. Die Lust am Schreiben verleiht der «Lebensbeschreibung» trotz vieler bedrückender Episoden eine sprühende Kraft.
Kindheit
«Ich war immer ein sehr lebhaftes Kind, und brauchte viel Geduld, die meine energische Schwester in ihrem jugendlichen Alter begreiflich nicht besass. Und allzu grosse Strenge durfte diese bei mir nicht anwenden, denn ich war des Vaters erklärter Liebling. Er war zu nachsichtig mit meinen Fehlern; so dass ich in meinem Eigensinn nicht mehr zu bändigen war. Mein Lehrer beklagte sich öfters bei meinem Vater, dass ich gegen meine Schulkameradinnen so gewalttätig sei. Alle diese Klagen bewogen meinen Vater, mich in eine Erziehungsanstalt zu versorgen. Ich erinnere mich noch ganz genau wie traurig mein Vater war auf der Reise von Männedorf nach Wangen. Ich kam nämlich in die appenzellerische Mädchenanstalt (wo meistens elternlose, oder dann ungeratene Kinder darin versorgt werden!).»,Berufsleben
«Die halben Nächte schneiderte ich mit einem Eifer, als müsste ich eine ganze Familie erhalten, es war ein übertriebener Arbeitseifer. Ich hätte lieber nicht gegessen, als nicht auf meinem Beruf gearbeitet, so g
Diee Buchreihe ist aus der Idee erwachsen, relevante Quellentexte lebender und verstorbener Menschen sowohl der Forschung als auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dabei kann es sich um Reprints vergriffener Berichte handeln, wie zum Beispiel «Im Lande des Blutes und der Tränen», ein Augenzeugenbericht des Völkermordes an den Armeniern, oder um Editionen von Tagebüchern und Briefwechseln.
«Ein Dokument von hohem Seltenheitswert hat Katrin Luchsinger öffentlich zugänglich gemacht. Es erzählt ein Stück authentischer Psychiatriegeschichte in Zürich zu Beginn des 20. Jahrhunderts.»
«Wie die Herausgeberin zutreffend bemerkt, ist der Lebensrückblick der Anna Z. äusserst lebendig, einem Roman ähnlich, verfasst. Dabei hat die Protagonistin zwar einige Episoden ihres Lebens (so ein Kind und einen Parisaufenthalt) retuschiert, dennoch bleiben gerade die vielseitigen Einblicke in die damalige Psychiatrie historisch wertvoll. Der Herausgeberin ist zu danken.»