1938: Ganz Zürich bleibt nachts verdunkelt, um Fliegerbomben kein Ziel zu liefern. Eine Luftschutzübung des Militärs bereitet auf den Krieg in Europa vor. Nur ein Haus im Arbeiterquartier Zürichs sticht aus der Dunkelheit heraus. Die Liegenschaft des religiös-sozialen Theologen Leonhard Ragaz und seiner Frau Clara bleibt hell beleuchtet – aus Protest gegen die passive Einstimmung auf den Krieg. Der Zürcher Gartenhof bildete von den Zwischenkriegs- bis in die Nachkriegsjahre das Zentrum schweizerischer Friedensaktivitäten.
Das Haus an der Gartenhofstrasse 7 in Zürich-Aussersihl war ein Knotenpunkt in einem dichten Netzwerk sozialer Bewegungen mit lokaler, regionaler und internationaler Ausstrahlung. Der Gartenhof war einerseits Teil der internationalen Settlementbewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Schweiz erreichte. Durch Sozial-, Bildungs- und Nachbarschaftsarbeit sollte die Lage der arbeitenden Bevölkerung verbessert werden. Andererseits entwickelte sich der Gartenhof nach dem Ersten Weltkrieg zu einem radikalpazifistischen Zentrum. Prägend wirkte Clara Ragaz-Nadig, die im Frühjahr 1919 zusammen mit der späteren amerikanischen Nobelpreisträgerin Jane Addams eine grosse Frauenfriedenskonferenz auf neutralem Boden in Zürich organisierte. Schliesslich dokumentieren die Autoren die Fluchthilfe der Auskunftsstelle für Flüchtlinge in den Jahren vor und während des Zweiten Weltkriegs, die ebenfalls vom Gartenhof aus tätig war.
«Das grosse Haus im Arbeiterquartier Aussersihl war Wohn- und Arbeitsort der Familie von Leonhard und Clara Ragaz, ein eigentlicher Familienbetrieb. Das Buch zeigt das Netzwerk, das im letzten Jahrhundert von diesem Zentrum des Religiösen Sozialismus ausging.»
«Das Buch beinhaltet einen Fundus an Sozialgeschichte, an Lebensbildern mutiger Menschen in der Kriegs- und Nachkriegszeit, wo Menschen in Not kamen und gingen, wo Hilfsgüter im Schlafzimmer lagerten. Eine Autorin und drei Autoren beschreiben die verschiedenen Epochen sowie einzelne Blickwinkel in die Vergangenheit. Frauen und Flüchtlingsarbeit, Transit- und Lagerhilfe, Öffentlichkeitsarbeit, Aufbruch im Jahr 1968, Militärverweigerer-Bewegung, Ostermärsche in der Bodenseeregion, Verbotsbegehren gegen Waffenausfuhr und mehr gehören zur Themenvielfalt.»
«Diese Veröffentlichung […] trägt Wesentliches zum besseren Verständnis von sozialen Bewegungen in der Schweiz bei.»
«Um den ‹Gartenhof› in Zürich ranken sich viele Geschichten. Eine Historikerin und drei Historiker sind ihnen nachgegangen. […]
Das Buch über den ‹Gartenhof› entstand auf Anregung des Schweizerischen Friedensrats, des 1945 gegründeten Dachverbands pazifistischer Organisationen, der an der Gartenhofstrasse 7 zu Hause ist. Ein beträchtlicher Teil des Werks wurde vom Sissacher Historiker Ruedi Epple geschrieben, den man bei uns insbesondere als Verfasser profunder Untersuchungen zur Geschichte des Kantons Basel-Landschaft kennt. Mit der Geschichte des ‹Gartenhofs› verbindet Epple einen Teil seiner Biografie, wie er auf Anfrage der ‹Volksstimme› sagt: ‹Zeit meines politischen Lebens war der ‹Gartenhof› immer wieder ein Ort, mit dem ich in Berührung kam […].›
[…] Und weiter: ‹Dass dort Leonhard Ragaz und seine Familie gelebt und gewirkt hatten, gab diesem Ort eine besondere Ausstrahlung, die ich dabei immer wieder wahrnahm. Die Möglichkeit, im Rahmen des Buchprojekts der Geschichte dieses Orts und der Faszination, die von ihm ausgeht, nun auch wissenschaftlich nachzugehen, war für mich eine sehr reizvolle und interessante Aufgabe, der ich sehr gerne und mit grossem zeitlichem Aufwand nachging.›»