Das ausgehende Ancien Régime der Schweiz erhielt durch die Französische Revolution starke Impulse. Diese wurden freilich von den verschiedenen Akteuren in Zürich und anderswo sehr unterschiedlich aufgenommen. Vor allem Vertreter der Landschaft sahen in den Entwicklungen deutlich mehr Chancen als die Vertreter der bisher regierenden Stadt. Diese Polarisierung zeichnet indessen ein zu einfaches Bild.
Die Tagebuchaufzeichnungen des Zürcher Pfarrers und Chorherrn Leonhard Brennwald – Zeitgenosse der grossen europäischen Umwälzungen der französischen und auch der helvetischen Revolution – ergänzen und differenzieren dieses Bild. Über 5000 Folioseiten schrieb er in den Jahren 1795–1812. Seine Tagesnotizen sind vielfältig, berühren sowohl Fragen der Welt- als auch der Zürcher Geschichte, nennen Freuden und Sorgen der Landbevölkerung, insbesondere in den von ihm betreuten Gemeinden des Zürcher Unterlandes sowie des Knonauer Amts. Er hatte keinen entscheidenden Anteil an den politischen Ereignissen jener Jahre – dem Übergang vom Ancien Régime zur modernen Gesellschaft, der in mehreren Schüben erfolgte –, war aber ein interessierter, gut informierter und reflektierender Beobachter. Politische Ereignisse finden in seinen Aufzeichnungen ebenso einen Niederschlag wie der Gedankenaustausch mit zahlreichen Gesprächspartnern seiner Umgebung.
Sebastian Brändli leistet mit dieser Biografie einen Beitrag zum Verständnis der lokalen und regionalen Geschichte und zur Mentalitäts- und Alltagsgeschichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts und beginnenden 19. Jahrhunderts in der Schweiz.
«Die vorliegende, sehr schön ausgestattete Publikation ist eines jener Neujahrsblätter, deren Tradition bis auf das Jahr 1645 zurückgeht und dann im Zuge der aufklärerischen Sozietätsbewegung des 18. Jahrhunderts einen Höhepunkt erreicht. ]...] Brennwald ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil er von 1795 bis 1812 ein weit über 5000 Seiten umfassendes Tagebuch im Folioformat geschrieben hat, eine hervorragende Quelle für die gut zu lesende Biographie des Pfarrers auf der Züricher Landschaft, der als Vertreter der städtischen Herrschaft auf dem Land seine ganz eigene Rolle zu spielen hatte. Auch wenn die Darstellung Brändlis ganz dem Zweck der Neujahrsblätter entsprechend ihren Hauptwert für die regionale Geschichtsschreibung hat, sind doch zahlreiche Beobachtungen auch darüber hinaus wertvoll, da sie das eine und andere Mal ein neues Licht auf die Umbruchzeit werfen, die 1798 mit der Helvetischen Revolution und dem Zusammenbruch des Ancien Régime in der Eidgenossenschaft ihren Höhepunkt erreichte.»
«An [Leonhard Brennwalds] Tagebuch, das er vor allem schrieb, um sich selber über die Umstände und sein Tun klar zu werden, sind zwei Bereiche interessant: Erstens deckt es die Zeit der französischen Revolution und ihrer Folgen für die Schweiz ab, und zweitens war er mehr ein eifriger Beobachter als ein handelnder ‹Politiker›, wobei er sich sehr für die Kirche in dieser kritischen Situation einsetzte.»
«Brändlis Darstellung ist eine im im lokal- und regionalgeschichtlichen Kontext verortete und verankerte Biografie, die in diesem Rahmen ein überzeugendes Bild des Chorherren Brennwald zu vermitteln vermag. [...] Der schlanke, elegante Band wird ergänzt durch eine kurze Zeittafel und ein dreiseitiges Glossar zu ‹Institutionen, Ämtern und Ereignissen›.»
Vollständige Rezension
«Auch wenn Brennwald keinen Anteil an den politischen Auseinandersetzungen jener Jahre hatte, zeigte er sich als reflektierter Beobachter […] in einer besonderen Position: Als Zürcher Stadtbürger und Vertreter der alten politischen Ordnung stand er den Revolutionsbefürwortern eher ablehend gegenüber. Als Pfarrer kam er allerdings auch mit den Nöten seiner Dorfgemeinde in Berührung. Brennwald erscheint dabei als Vermittler zwischen den verschiedenen Positionen.»
«Leonhard Brennwald (1750–1818) war Pfarrer in Maschwanden und später am Grossmünster in Zürich. Seine Tagebuchaufzeichnungen geben ein spannendes Bild über die Zeit der grossen europäischen Umwälzungen, der französischen und auch der helvetischen Revolution.»
«Von 1795 bis 1812 führte [Leonhard Brennwald] tagtäglich ein gescheites, reflektierendes und rücksichtslos lebensnahes Tagebuch - über 5000 Folioseiten: ‹Nulla dies sine linea› - lass keinen Tag vergehen ohne etwas geschrieben zu haben.»