Von Daniel Defoes Robinson Crusoe bis Karl Mays Old Shatterhand: Aktiv, autonom und souverän agierende literarische Figuren, die raumgreifende Abenteuer erleben, grosse Leistungen vollbringen und dabei Tapferkeit, Grandiosität und Durchsetzungskraft verkörpern, sind bis weit ins 20. Jahrhundert fast ausschliesslich Männer. Als Protagonisten des traditionellen Abenteuerromans drücken sie kraft ihrer grandiosen Eigenschaften die Grössenphantasien gerade auch jugendlicher LeserInnen aus und fungieren trotz aller berechtigten Kritik an Eurozentrismus und männlicher Heroik der Abenteuerliteratur als Identifikationsfiguren.
Heute ist das literarische Abenteuer, gerade in seiner Aktualisierung in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur, nicht länger eine Domäne männlicher Figuren. Ausgehend vom Typ des traditionellen Abenteu(r)ers analysiert die Autorin drei aktuelle populäre Fantasy-Abenteuer und ihre Heldinnen in Bezug auf alte und neue Abenteuerkonzepte. In Joanne K. Rowlings «Harry Potter»-Serie, Philip Pullmans Trilogie «His Dark Materials» und Cornelia Funkes «Tintenwelt»-Büchern treten junge Abenteurerinnen auf, die Eigenschaften ihres traditionellen Vorgängers aufweisen und diese durch neue ergänzen: Kulturell männlich konnotierte Eigenschaften wie Konfliktbereitschaft und Autonomie verbinden sich mit traditionell Frauen zugesprochenen Tugenden wie Teamgeist, Empathie und Beziehungsbereitschaft. Weiter wird deutlich, dass die Abenteurerinnen der Gegenwart sozialkritische und emanzipative Funktionen übernehmen, zugleich aber gesellschaftlich zentrale Ideale und Normen wie Leistungsdenken und Sozialkompetenz bekräftigen.
Im Zentrum der Analyse steht der Lern- und Entwicklungsprozess dieser Figuren. Denn diese verfügen zwar über grandiose – darunter auch magische – Talente, sind im Grunde aber «ganz normale» Mädchen und drücken gerade als solche die Botschaft aus, dass jeder Mensch grandios und erfolgreich sein kann, wenn er sich aktiv und ausdauernd darum bemüht.
Zur Einführung
Dank
Das Abenteuer und sein Held
«Das rasche Ergreifen einer Chance» – Georg Simmels Abenteuerbegriff
«Ausfahrt öffnet Möglichkeiten» – das Abenteuer und sein Erzählschema
«Stark wie ein Bär, listig wie der Fuchs» – der Abenteurer als totale Figur
«Abenteurer» oder «Held»? – Begriffsbestimmung
«Kinder brauchen Helden» – der Abenteurer als Identifikationsfigur
«Wie ein schöner Frühlingstag» – weibliche Figuren im Abenteuerroman
Abenteurerinnen im 20. Jahrhundert
«Höhenflüge und Abenteuer wollen wir» – die Forderung nach einer Abenteuerheldin für Kinder und Jugendliche
«Sie ist so stark, die Zora, stärker als wir alle» – die Pionierinnen
Das Fantasy-Abenteuer
Begriffsbestimmung
Textkorpus
Joanne K. Rowling: Harry Potter-Serie (1997–2007)
Philip Pullman: His Dark Materials-Trilogie (1995–2000)
Cornelia Funke: Tintenwelt-Trilogie (2003–2007)
Methodisches Vorgehen
Phantastische Abenteurerinnen der Gegenwart
«I think I’m feeling a bit … rebellious» – der Schritt aus der Ordnung
«The Wand is only as good as the Wizard» – die Abenteurerin auf dem Weg zur Perfektion
Die Gnadengabe und ihr abenteuerliches Potential
Die Ausstrahlungskraft als Ergebnis von Lernprozess und Identitätssuche
Aktivität, Selbstbewusstsein und Konfliktlösungsstrategien
Autonomie, Rationalität und Handlungsfreiheit
«We got to help each other, you and me» – die Abenteurerin als soziale Figur
Die Abenteurerin und ihre FreundInnen – Teamgeist statt Einzelgängertum
Die Abenteurerin und die Gesellschaft – Kritik, Engagement und Toleranz
«You are worthy of each other» – die Abenteurerin, ihr Geschlecht und die Liebe
«Where we are is always the most important place» – die Rückkehr in die Gesellschaft
Fazit
Die Schriftenreihe umfasst wissenschaftliche Beiträge zu unterhaltenden und informierenden Angeboten in gedruckter wie audiovisueller Form. Den Schwerpunkt bilden Untersuchungen, die an der Abteilung Populäre Kulturen des Instituts für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft ISEK der Universität Zürich entstanden sind.
«Eine sehr sorgfältig recherchierte Analyse und ein wertvoller Beitrag zur Kinder- und Jugendliteraturforschung, der sehr dazu anregt, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen.»
JuLit, Arbeitskreis für Jugendliteratur, Maren Bonacker
«Die narrativen Muster des (männlich geprägten) Abenteuerromans werden in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur aber keinesfalls einfach imitiert, wie Manuela Kalbermatten in ihrem breit recherchierten und äusserst engagiert geschriebenen Buch wiederholt aufzeigt.»
Nicole Frey Büchel, ph akzente
«Auf insgesamt 278 Seiten wird ein ausführliches und überzeugendes Bild eines gegenwärtigen Typus der jungen Abenteurerin aufgezeigt und anhand von Textstellen belegt. Manuela Kalbermatten kombiniert und subsumiert wesentliche Theorien der Fantasy-Forschung mit jenen rund um den Abenteuerroman und ergänzt diese mit ihrer Analyse und den Erkenntnissen, die sie daraus zieht.»
Daniela Pirchmoser, Zeitschrift für Fantastikforschung
«Von nun an werden wir mitspielen zeichnet sich durch eine ausgewogene Präsentation von innovativen Überlegungen, veranschaulichenden Textzitaten und Referenzen auf Untersuchungen zum Motiv aus, die teilweise auch weiter zurückliegen. Dabei fliessen konstant ergänzende Bemerkungen zu Phantastik und Abenteuerroman allgemein und zu den gewählten literarischen Beispielen im Besonderen ein, sodass die Analyse neben dem Thema der Untersuchung sehr viele weiterführende Aspekte der Einzeltexte und der Gattung in ihrer Gesamtheit anschneidet – ohne die Hauptthese aus den Augen zu verlieren.»
Sonja Loidl, 1000 und 1 Buch
«Kalbermattens Studie basiert auf einer gründlichen und kritischen Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur. Vor allem zu den Begriffen Abenteuer und Fantasy erarbeitet sie einen vorzüglichen und gut lesbaren Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand.»
Geralde Schmidt-Dumont, Kinder-/Jugendliteratur und Medien in Forschung, Schule und Bibliothek (kjl&m)
«Die von der Autorin gewählten Beispiele der Primärliteratur quer durch das vergangene Jahrhundert zeugen von umfassenden Kenntnissen der Kinder- und Jugendliteratur. […]
Mit ihrer sorgfältig recherchierten Arbeit macht Manuela Kalbermatten auf ein bislang eher stiefmütterlich behandeltes Thema neugierig – und weckt die Lust, sich weiter damit zu beschäftigen. Ein sehr empfehlenswerter Beitrag zur Kinder- und Jugendliteratur.»
Maren Bonacker, Inklings-Jahrbuch