Carl Albert Loosli 1877–1959, Band 2

Eulenspiegel in helvetischen Landen 1904–1914

Bd. 2 der dreibändigen Biographie

Gebunden
1999. 541 Seiten, 8 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905313-21-5
CHF 68.00 / EUR 62.00 
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Carl Albert Loosli, 1877 im seeländischen Schüpfen geboren, hatte eine schwierige Kindheit und Jugend: er wuchs bei einer Pflegemutter auf, kam nach ihrem Tod in ein Heim und wurde später in verschiedenen Anstalten verwahrt. Schon früh journalistisch tätig, wurde Loosli Redaktor des «Berner Boten» und veröffentlichte seine ersten Bücher, «Bümpliz und die Welt» und «Narrenspiegel», was ihm bei einer breiteren Öffentlichkeit den Ruf eines «Philosophen von Bümpliz» einbrachte.
Der vorliegende zweite Band von Looslis Lebensgeschichte umfasst die zehn Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Mit Loosli unternehmen wir eine Reise in den Frühling unserer Gegenwart. Der Leser sieht sich mit Kriminalfällen und Mordprozessen konfrontiert. Er hat sich den materiellen Sorgen der Künstler zu stellen und verfolgt die Anstrengungen Looslis für die Verbesserung ihrer Situation. Er nimmt an einer Kunstrevolte teil, wie sie das Land seit der Renaissance nicht mehr erlebt hat. Wir gehen an die Quellen der schweizerischen Kriminalliteratur und verfolgen, wie weit Satire in helvetischen Landen gehen durfte. Die Gründung des Schriftstellervereins erkennen wir als eine der grossen gesellschaftlichen Leistungen Looslis. Wir sehen die Schweiz und ihr geistiges Leben als pulsierenden Teil Europas. Ohne seine englischen, französischen und deutschen Wurzeln lässt sich beispielsweise der später so bieder und patriotisch daherkommende Heimatschutz in seinen Anfängen nicht erklären. Fragen um journalistische Ehre, um Autoren- und Urheberrechte sind ein Thema, und die Mentalitäts- und Kulturunterschiede zwischen den Landesteilen kommen zur Sprache.
In dieser Geschichte mit und um Loosli spielen Diplomaten, Politiker, Wirtschaftsleute und Militärs eine Nebenrolle. Entfaltet wird für einmal die Perspektive der Schriftsteller, Architekten und bildenden Künstler. So wird nachvollziehbar, welch wichtige Rolle die Künste im gesellschaftlichen Leben vor 1914 gespielt haben.
Looslis Eigenständigkeit, seine Fähigkeit, sich herrschenden Strömungen zu widersetzen, lässt sich in der Figur des Eulenspiegels oder Schalksnarren fassen. Als Satiriker und Kritiker machte Loosli die behäbige (deutsch-)schweizerische Presselandschaft unsicher, was sie ihm zunehmend mit Diffamierung und Ausgrenzung vergalt: Es gab keinen Platz für den Mann mit der Narrenkappe und den bohrenden Fragen in diesen Jahren vor dem Krieg.

Erwin Marti studierte Geschichte und Germanistik in Bern und Berlin. Er arbeitete 1980–2010 als Lehrer und Heilpädagoge am Gymnasium und an der Orientierungsschule des Kantons Basel-Stadt und promovierte 1995 in Neuer und Schweizer Geschichte bei Prof. Markus Mattmüller, Universität Basel. Anerkennungspreis des Kantons Bern 2009, Mitglied von Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS).


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Besprechungen

Philosoph von Bümpliz

Zum zweiten Band von Erwin Martis Biographie des Publizisten C. A. Loosli

1997 legte Erwin Marti den ersten Band seiner gross angelegten Lebensbeschreibung des Schweizer Publizisten C. A. Loosli (1877-1959) vor; er schilderte darin die schwierige Jugend des umtriebigen Querkopfs und seinen Weg zum Schriftsteller. Im nun erschienenen zweiten Band treibt der Autor sein Unterfangen um zehn Jahre voran; die Darstellung schliesst am 1. Juli 1914 mit einem fulminanten Rundschreiben Looslis, das, typisch genug, seinen (nie erschienenen) Gedichtband «Zum Trutz» ankündigt. Die Darstellung hat an Struktur gewonnen; das entlegene, grossenteils unbekannte Quellenmaterial ist in sieben Hauptstränge gegliedert. Wird zunächst das freiberufliche Leben des «Philosophen von Bümpliz» geschildert, der sich, seine Frau und vier Kinder als Redaktor, Sekretär, Journalist und Schriftsteller mehr schlecht als recht über Wasser hielt, würdigen weitere Kapitel den von Spitteler und Hesse hochgeschätzten Heimatdichter und Satiriker, der auch der Mundartliteratur wichtige Impulse verlieh, sowie den Fürsprecher der modernen bildenden Kunst, der sich unermüdlich für Hodler einsetzte. Sie schildern aber auch den Vorkämpfer der Heimatschutzbewegung, die einen umfassenden Wertmassstab für Kunst und Alltag, Technik und Natur suchte, den Verbandsmenschen (Loosli gründete unter anderem den Schweizerischen Schriftstellerverein) und schliesslich den Verfechter eines zeitgemässen Rechts - namentlich eines verständnisvolleren Jugendstrafrechts. Erwin Marti zeichnet das Bild eines Mannes, der sich als glühender Autodidakt auf allen intellektuellen Schlachtfeldern tummelte und zu allem eine entschiedene Meinung vertrat, sich als «Stürmigrind» aber auch oft zu seinem Schaden mit jedermann anlegte und sich bald im Gewand des Narren wiederfand, der nur in seiner Rolle seine Wahrheit sagen durfte und dem man sogar das - die berühmte Gotthelf-Affäre zeigte es - noch übel nahm. Als Pars pro Toto für die vielen heftigen und oft kuriosen Konflikte mag Looslis Zerwürfnis mit dem damaligen NZZ-Feuilletonchef Hans Trog gelten, einem gegenüber der modernen Kunst und über Jahre auch den Texten des Bümplizers äusserst aufgeschlossenen Mann. Looslis Wirken bildet einen Brennpunkt der Schweizer Literatur- und Kunstwissenschaft, der Presse- und Sozialgeschichte, auch des Parteienhaders und der Cliquenwirtschaft seiner Zeit. Martis Darstellung arbeitet dieses Umfeld akribisch auf. Ihr Vorzug ist freilich auch ihr Problem. Nach zwei umfangreichen Bänden ist die Biographie noch nicht in der Lebensmitte ihres Helden angelangt; wird der Stoff weiterhin in dieser Breite behandelt, ist noch mit mindestens drei weiteren Bänden zu rechnen. Nun ist es durchaus sinnvoll, dass dieses Material einmal gesammelt und geordnet wird - auch wenn man sich bisweilen eine umsichtigere und weniger parteiliche Deutung wünschen würde. Es ist jedoch zu hoffen, dass der Autor sein Opus magnum später einmal in gestraffter Form vorlegt, wie das im angelsächsischen Sprachraum üblich ist: «The Shorter Loosli» oder «The Portable Loosli» fände gewiss eine breitere Leserschaft.
Manfred Papst

Erwin Marti: Carl Albert Loosli, 1877-1959. Band 2: Eulenspiegel in helvetischen Landen, 1904-1914. Chronos-Verlag, Zürich 1999. 541 S., Fr. 68.-.

Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 20.07.2000 Nr. 167 56