Die Enzyklika «Rerum novarum» (1891), von den einen als «Magna Charta der christlichen Sozialarbeit» gelobt, von den anderen als «klerikaler Volksbetrug» mit dem Bannstrahl belegt, ist als Beitrag zur Lösung der «sozialen Frage» bis in die jüngste Vergangenheit heftig umstritten geblieben. Sozial- und mentalitätsgeschichtliche, aber auch länderübergreifende Perspektiven sind in dieser Debatte nie besonders gefragt gewesen. Hieraus resultiert die Grundidee zu diesem Sammelband, der den Ursprüngen und konkreten Auswirkungen der Sozialenzyklika «Rerum novarum» in Deutschland, Liechtenstein, Vorarlberg und St. Gallen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nachspürt. Die sieben Autoren des Bandes rufen dabei nicht nur die gegenrevolutionären Wurzeln der katholischen Soziallehre in Erinnerung, sondern thematisieren mit modernen Fragestellungen auch deren problematische Seiten. Eines wird dabei erstmals besonders deutlich: Obwohl die Christlichsozialen in den untersuchten Ländern überall sozialpolitisch aufgeschlossene Positionen vertraten, hinderte sie dies in anderen Politikfeldern nicht daran, mit pointiert konservativen Standpunkten in Erscheinung zu treten.