Richard Dindo (1944–2025) ist ein herausragender Exponent des Schweizer Dokumentarfilms. Mit Werken wie «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.» hat er tief auf das helvetische Selbstverständnis eingewirkt. Seine Motivation galt der Erinnerung an Widerständige, an Rebellen und Träumer, oft mit Blick auf deren utopisches Potenzial. Bislang hat eine eingehende Darstellung seiner Methode filmischer Rekonstruktion von Erinnerung gefehlt. Ausgehend von Dindos Prämisse, dass Nichterinnerung Selbstzerstörung ist, sucht dieser Streifzug durch sein OEuvre dessen Vielseitigkeit essayistisch-analytisch zu erhellen.
Auf der Erkenntnis- und Darstellungsgrundlage einer gegebenen Anwesenheit von Abwesenheit im Erinnerungsprozess hat Dindo seine filmische Sprache gefunden. Sie musste ins Imaginäre, ins Fiktionale ausgreifen, weshalb er sich als «unreinen Dokumentaristen» bezeichnete. Immer wieder hat er die Öffentlichkeit aufgerüttelt – so in «Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg» oder in seinen Recherchen zum gewaltsamen Tod von Jugendlichen in Zürich und Winterthur während der Jugendunruhen der 1980er-Jahre («Dani, Michi, Renato & Max», «Verhör
und Tod in Winterthur»). Als rein politischen Filmemacher wollte sich Dindo indes nicht etikettieren lassen. Mehr und mehr hat er sich auch als «Biograf von Autobiografie» definiert – in Enqueten befasste er sich mit literarischen oder bildnerischen Selbstzeugnissen etwa von Max
Frisch, Jean Genet, Ernesto «Che» Guevara, Breyten Breytenbach oder James Agee, von Charlotte Salomon, Henri Matisse oder Paul Gauguin.