Die Casati widerlegen mit ihrer erstaunlichen Familienkarriere ein verbreitetes Bild frühneuzeitlicher Diplomatie. Die Monografie erklärt, wie diese spanisch-mailändische Gesandtendynastie es verstand, in den höchst komplexen, von konfessionellen, sozialen und kulturellen Brüchen geprägten Beziehungsnetzen zwischen Mailand, Madrid, Wien, Luzern, Chur und Baden Ressourcen zu binden, an die richtigen Akteure zu verteilen und sich damit weitgehend konkurrenzlos zu machen.
«Neben dem Eigeninteresse und nach Gott kennt dieses Volk keine weiteren Antriebe», so das vernichtende Urteil Alfonso Casatis über die Eidgenossen im Jahr 1674. Der Gesandte hatte ihren Bedürfnissen dennoch nachzukommen, sonst drohte ihm sowohl der Vertrauensentzug der Gastgeber wie auch seines Auftraggebers, des spanischen Königs. Um den Anforderungen an eine Gesandtschaft gerecht zu werden, griff Alfonso Casati wie die meisten Gesandten im frühneuzeitlichen Europa deshalb mitunter in die eigene Geldbörse. Im Gegensatz zu vielen seiner Amtskollegen strebte er jedoch nicht danach, angesichts der oft ruinösen Verpflichtungen von seinem Amt abgezogen zu werden, im Gegenteil: Er bereitete bereits das Terrain vor, um seinen Sohn in vierter Generation als Vertreter Spanien-Mailands in Luzern und Chur zu platzieren – und eine beinahe lückenlose Amtsführung durch ein und dieselbe Familie zu sichern.
Durch die akteursbezogene Perspektive bei der Aufarbeitung umfangreicher Quellenbestände rekonstruiert die Studie nicht nur Werden und Wirken einer aussergewöhnlichen Gesandtenfamilie, sondern wirft gleichzeitig ein neues Licht auf die schillernde Geschichte der eidgenössischen und bündnerischen Aussenbeziehungen zwischen Klientelismus und Korruption, Mikro- und Makropolitik.
«Das Familienarchiv der Casati, mit dem ihre Netzwerke wohl ebenso genau nachgezeichnet werden könnten wie ihre Selbstverortung in den zeitgenössischen Korruptionsdebatten, ist den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen. Zu seinen vor diesem Hintergrund umso beeindruckenderen Ergebnissen kommt Behr allein mittels der Auswertung der amtlichen Korrespondenz, welche die Casati mit den spanischen Gouverneuren führten, sowie der Schriften der Madrider Räte, mit denen die Residente jedoch nur äußerst selten direkt kommunizierten. Als Glücksfall für die Spanienforschung erweisen sich Behrs Kenntnisse der Schweizer Verhältnisse und der deutschen Sprache, welche ihm Zugang eröffnen zu eidgenössischen Quellen, aus denen er manch erstaunlichen Fund hebt.»
«Andreas Behr bietet eine gut geschriebene, aus den Quellen geschöpfte und präzise gearbeitete Mikroanalyse des Wirkens und der Handlungsspielräume der Casati, wobei er auch den makropolitischen Rahmenbedingungen die gebotene Aufmerksamkeit schenkt. Zunächst rekonstruiert er, wie es den Casati immer wieder gelang, jüngeren Verwandten die beiden Gesandtenposten zu verschaffen. Gleichzeitig – und das sollte sich beim Rückzug aus dem diplomatischen Dienst als sehr hilfreich erweisen – hielten sie stets ihre Verbindungen zu Mailand. [...] Auch geschickte Spesenabrechnungen gehörten zu ihrem Finanzkonzept; die aufschlussreiche Analyse dieser selten so umfänglich erhaltenen Quellengattung gehört zu den besonders bemerkenswerten Leistungen der Studie. [...] Die quellenbasierte Rekonstruktion der Stellung und der Strategien der Casati – das sei noch einmal betont – stellt eine beeindruckende Leistung dar, die tiefe und zu gutem Teil auch wirklich neue Einblicke in die soziopolitische Kultur der frühneuzeitlichen Außenbeziehungen erlaubt.»
«Behrs Studie wird fortan für jede Beschäftigung mit der Schweizer Geschichte der Frühen Neuzeit unverzichtbar sein. Sie balanciert das bislang überwiegende Forschungsinteresse an der französischen Diplomatie aus und rückt mit Habsburg-Spanien die andere Großmacht wieder angemessen in den Blick, die die Verhältnisse im Corpus Helveticum maßgeblich bestimmte.»