Das Leben von Lotte Schwarz steht für vieles mehr, als die drei geografischen Koordinaten – Hamburg, Zürich, Brüttisellen – es vermuten lassen. 1910 geboren, wuchs sie im Hamburg der Weimarer Republik auf. Sie war Dienstmädchen und engagierte Bibliothekarin, sie schloss sich der Guttemplerjugend an, begeisterte sich für die Emanzipation der Frauen, wurde Mitglied der kommunistischen Jugend, dann der antistalinistischen Roten Kämpfer. 1934 emigrierte sie nach Zürich. Dort musste sie sich erneut als Dienstmädchen durchbringen, bis sie 1938 ihr ideales Wirkungsfeld fand: das Schweizerische Sozialarchiv, wo sie als Bibliothekarin mit ihrem Wissen und ihrer grossen Hilfsbereitschaft zu einer von vielen Flüchtlingen geschätzten Ansprechperson wurde.
Nach der Gründung einer Familie blieb ihr Leben spannend. Gemeinsam mit ihrem Mann und Freunden baute Lotte Schwarz eigenhändig ihr Haus. Sie wurde eine Pionierin der Recyclingkunst und engagierte sich politisch. Sie schrieb und publizierte, über ihre Erfahrungen als Emigrantin, über die Schwierigkeiten berufstätiger Frauen, das fehlende Frauenstimmrecht sowie über Architekturthemen. Gescheit, humorvoll, menschlich – so wurde sie von ihrem grossen Freundeskreis erlebt. Zu diesem zählten bekannte Künstler, Schriftsteller, Architekten, Frauenrechtlerinnen, politisch engagierte Sozialisten – nachzulesen in dieser Biografie einer ungewöhnlichen Frau.
Prolog – Ein unpublizierter Roman und seine Folgen
I. Aufbrüche: Hamburg 1910–1934
Die Benetts aus Schwarzenbek
Politische Umbrüche – neue Perspektiven
Schul- und Jugendjahre
Dienstmädchenjahre
Bei den Guttemplern
In der Frauenarbeitsgemeinschaft
Im Reich der Bücher
Hinein in die Stadt und in die Krise
Bei der Kommunistischen Jugend
Mitglied der Roten Kämpfer
Gewaltsames Ende
II. Im Exil: Zürich 1934–1945
Unsichere Zuflucht, ungewisse Zukunft
«Intelligente Person gesucht»
Keine Liebesheirat
Pension Comi – Friedmanns rettende Insel
Ringen um eine politische Haltung
Sozialarchiv – ein Ort des Wissens und der Hilfe
Ein junger Mann betritt die Bühne
III. Alte Fragen neu gestellt: Brüttisellen 1945–1971
Der Anfang nach dem ersehnten Ende
Wiederaufbau
Tagebuch mit einem Haus
Kreativ mit Holz
Wider den Zeitgeist
Der lange Kampf für die Rechte der Frauen
Ein Salon in Brüttisellen
Schreiben bis zum Ende
Mit Auszügen aus Texten von Lotte Schwarz,Wie es das Dienstmädchen sieht
Die beiden Miniaturchefs waren ausgesprochen schlecht erzogen. Nicht nur, dass sie mich gar nicht wahrnahmen; gegen Menschen, die einem die Hosen bügeln und die Schuhe putzen, ist man sowieso immun. Sie konnten zusehen, wenn ich, den Arm voll Geschirr, mich abmühte, die Küchentür zu öffnen. Sie konnten drei Schritte hinter mir hergehen, wenn ich den Kübel auf die Strasse bringen musste, es rührte sie nicht, sie nahmen ihn mir nie ab. Sie lasen ihren «Sport», waren immer fröhlich, und wenn sie mit einer fremden Dame am Telephon sprachen, konnten sie sich fast umbringen vor Höflichkeit.
(Schweizer Spiegel, 1939)
,Meditationen über eine Bibliothek
26 Nationen passierten trotz geschlossenen Grenzen unsere Bibliothek. Es war die Zeit der Kohleknappheit und der Stromrationierung. Wegen einer Sonderbewilligung durften wir unseren grossen Ofen, der in der Mitte des Lesesaals stand, des Nachts mit billigem Strom speisen. Am Tage erwärmte e
Lotte Schwarz: Vom Dienstmädchen zur scharfsinnigen Autorin. Die Hamburgerin Lotte Schwarz musste 1934 nach Zürich emigrieren. Als aufmerksame Zeitzeugin wurde sie eine wichtige Figur in der Exilgemeinde.
Beitrag
«Freie Liebe und lakonische Texte. Die Biografie über die weitgehend vergessene Lotte Schwarz (1910–1971) beleuchtet ein Stück Schweizer Emigrationsgeschichte – und ein paar Grotesken der Nachkriegsjahre. […] Die Autorin schafft es, mit ihrem Wissen und zahlreichen Detailrecherchen verschiedene Szenen der EmigrantInnen zu veranschaulichen. Selbst wer sich im Thema auszukennen glaubt, wird recht viel Neues finden.»
«Im Kreise linker Emigranten und der Zürcher Sozialdemokratie war Lotte Schwarz von den 30er-Jahren bis zu ihrem frühen Tod 1971 eine wichtige Figur. Dennoch ist sie in Vergessenheit geraten. Bis die Historikerin Christiane Uhlig durch Zufall auf ihre Spur stiess und eine Biografie über diese couragierte Frau geschrieben hat. Es ist zugleich ein Stück Zürcher-, Schweizer- und Frauengeschichte. […] Dieses ungewöhnliche Leben erforscht und in einem sehr gut lesbaren Buch niedergeschrieben zu haben, ist ein grosses Verdienst der Autorin. Sie macht auch bewusst, dass die Flüchtlings- und Emigrationsgeschichte meist eine der Männer ist und die Frauen auch hier oft vergessen gehen.»
«Lotte Schwarz (1910–1971) war eine überzeugte Antifaschistin und musste 1934 vor Hitler in die Schweiz fliehen. Ihre Biografie Jetzt kommen andere Zeiten ruft eine fast vergessene linke Widerstandsgruppe in Erinnerung – die rätekommunistischen Roten Kämpfer – beschreibt aber auch das Zürich der Kriegszeit sowie den Einfluss der Emigranten. Und huldigt nicht zuletzt einer der ersten Vorkämpferinnen für das Frauenwahlrecht in der Schweiz.
[…] Souverän führt die Autorin durch die zerklüftete Emigrantenszene. […] Dank der Biografie von Christiane Uhlig kennen wir nun das Wirken dieser beeindruckenden Antifaschistin, die durch diese Publikation aus den Tiefen der Geschichte ins kollektive Gedächtnis empor gehoben wird. Ein notwendiges, sehr spannendes und auch politisch wichtiges Buch.»
«Die Autorin zeigt den Weg von Lotte Schwarz vom Dienstmädchen zur Chronistin und Schriftstellerin und beschreibt sie als Antifaschistin, Emigrantin, Bibliothekarin und Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht in der Schweiz. So sind in diesem Band viele Details aus der Geschichte der Bibliothekswissenschaft, der Frauenbewegung und der Emigration vereint. Diese Biographie holt eine zu Unrecht vergessene Frau in das Gedächtnis der Menschen zurück.»