Der Armut auf den Leib rücken
Die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Schweiz (1900–1960)
Gebunden
2011. 424 Seiten, 11 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1094-8
CHF 68.00 / EUR 62.00 
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Soziale Arbeit trägt heute massgeblich zur sozialen Sicherheit bei. Pionierarbeit hierfür leisteten in der Schweiz Frauen, die nach dem Ersten Weltkrieg Schulen für Sozialarbeiterinnen gründeten und damit wesentlich zur Etablierung dieses Berufs beitrugen. Bemühungen zur Akademisierung der Sozialen Arbeit hingegen scheiterten bis weit ins 20. Jahrhundert. Die damit vorgegebenen Rahmenbedingungen der Ausbildung wirkten sich auf die Geschlechterordnung, die Wissensproduktion und die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Schweiz aus.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert setzte zunehmend Kritik an der traditionellen Armenpflege ein. Diese galt als unsystematisch und wenig effizient. Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigte Möglichkeiten zur Reform: Die Methoden der Armutsbekämpfung mussten wissenschaftlich entwickelt und in spezifischen Ausbildungsstätten unterrichtet werden. Die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Schweiz war wesentlich von internationalen Vorbildern geprägt, wobei die 1920er und 1950er Jahre besonders intensive Phasen des transnationalen Austausches darstellten. So verstärkten die Gründung des Völkerbundes wie auch die Etablierung der Vereinten Nationen eine Internationalisierung der Sozialen Arbeit.
Ausgehend von einer geschlechtergeschichtlichen und transnationalen Perspektive beleuchtet die Autorin die treibenden Kräfte der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Schweiz und zeigt ihre transnationalen Netzwerke auf. Sie analysiert die Prozesse der Wissensproduktion und untersucht, wie die Sozial­hygiene, Psychiatrie und Psychoanalyse die Soziale Arbeit prägten. Zudem geht sie der Frage nach, welche normativen Leitbilder für die Bekämpfung von Armut wegleitend waren.

ist promovierte Historikerin und Privatdozentin an der Universität Freiburg. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am historischen Institut und am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung, Universität Bern. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Armut und sozialen Sicherheit, Frauen- und Geschlechtergeschichte.


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Inhalt
1 Einleitung


I. Teil: Die Anfänge der Professionalisierung der Sozialen Arbeit

2 Die Gründung der sozialen Frauenschulen
2.1 Die soziale Frage und die Frauenfrage
2.2 Von Zürich nach London und zurück: Die Eröffnung der ersten Kurse für soziale Hilfstätigkeit
2.3 Projekte der frühen Frauenbewegung: Die Institutionalisierung der sozialen Frauenschulen in Zürich, Genf und Luzern nach dem Ersten Weltkrieg
2.4 Frauen betreten die Bühne: Die ersten Schulleiterinnen und Schülerinnen der sozialen Frauenschulen

3 Konzepte einer Professionalisierung von Fürsorgern
3.1 Im Dienst einer «rationellen Armenpflege»: Die Gründung der Schweizerischen Armenpflegerkonferenz
3.2 Die Soziale Arbeit als Universitätsfach? Die frühen Akademisierungsversuche
3.3 Der geschlechtsspezifische Konkurrenzkampf: Die männlichen Machtansprüche


II. Teil: Die Wissensproduktion in der Sozialen Arbeit in den 1920er bis 1940er Jahren

4 Die Fürsorgeinstruktionskurse: Die Vermittlung einer modernisierten Einzelfallhilfe
4.1 «Du sollst dir ein Bild machen»: Die Untersuchung der Armenfälle
4.2 Die Sicherung des physischen Existenzminimums: Die Unterstützungsmassnahmen

5 Die Armutsdiskurse der Schweizerischen Armenpflegerkonferenz
5.1 Die Pathologisierung von Armutsursachen
5.2 Die beschränkte Macht der Zahlen: Die Armenstatistiken und ihre Interpretation

6 Die Vermittlung einer Doppelqualifikation: Das Unterrichtsprogramm der sozialen Frauenschulen
6.1 «Für die Familienpflichten tüchtig machen»: Die Frauenbildung
6.2 Einführung in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit: Die Berufsausbildung
6.3 Exkurs: Die beruflichen Tätigkeiten der ehemaligen Schülerinnen der sozialen Frauenschulen

7 Die Internationalisierung der Sozialen Arbeit in der Zwischenkriegszeit: Fulminanter Auftakt – jäher Unterbruch
7.1 Weltanschaulich neutral: Die Internationale Konferenz für Soziale Arbeit und das Internationale Komitee Sozialer Schulen
7.2 Katholischen Grundsätzen verpflichtet: Die Union catholique internationale de service social


III. Teil: Kontinuität und Wandel der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Nachkriegszeit

8 Die Internationalisierung der Sozialen Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg
8.1 Die Wiederaufnahme internationaler Beziehungen
8.2 Die Schweizer Partizipation an den Austauschprogrammen der Vereinten Nationen

9 Zwischen begeisterter Zustimmung und kritischer Ablehnung: Die Auseinandersetzung mit den Casework-Methoden
9.1 Das Social Casework der 1940er und 1950er Jahre: Die Integration psychoanalytischer und psychotherapeutischer Ansätze
9.2 Die Integration des Social Casework in die Lehrpläne der Schulen für Sozialarbeit
9.3 Die partielle Rezeption der Casework-Methoden in der öffentlichen Fürsorge
9.4 Fürsorgebedürftigkeit und Schutz der individuellen Grundrechte

10 Weder geschlechtsspezifische noch konfessionelle Ausrichtung? Modelle der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Nachkriegszeit
10.1 Von den sozialen Frauenschulen zu den Schulen für Sozialarbeit
10.2 Betreten Männer die Bühne? Schülerinnen, Schüler, Leiterinnen und Leiter der Schulen für Sozialarbeit
10.3 Eine Ausbildungsstätte für Männer? Die Berner Fürsorgerschule
10.4 Soziale Arbeit als Wissenschaftsdisziplin auf Universitätsebene

11 Schluss

Pressestimmen
«Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch von Sonja Matter schliesst eine grosse Forschungslücke.… Sonja Matter gelingt es, entlang der Kategorien Geschlecht und Transnationalität einen fundierten und detailreichen Einblick in die Professionsgeschichte der schweizerischen Sozialen Arbeit zu geben.» Nadja Ramsauer, www.infostelle.ch – Online-Plattform für das Sozialwesen

«Sonja Matters ausgezeichnet recherchierte, kenntnisreich ausgeführte und gut lesbare Darstellung konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte dieser Entwicklung [der Entwicklung der Ausbildung zur Sozialen Arbeit in der Schweiz]. […] Die Arbeit von Sonja Matter ist vor allem deshalb lesenswert, weil sie die Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Sozialarbeitsausbildung in einem Land lenkt, das in der Regel bei der Debatte um Wohlfahrtsstaat und Professionsentwicklung eher übersehen wird.» Sabine Hering, H-Soz-u-Kult

«Sonja Matters gelungene Arbeit ist fundiert recherchiert und methodisch reflektiert. Sie liefert einen wichtigen Puzzlestein zum besseren Verständnis der spezifischen Ausprägungen und Entwicklungslinien des schweizerischen Sozialstaates.» Sabine Jenzer, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte

«Die Autorin zeichnet die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Schweiz in der Zeit von 1900 bis 1960 nach. Und sie tut dies mit Bravour. Auf sehr differenzierte Weise und in einer äusserst gut lesbaren Sprache zeigt sie nicht nur auf, wie eng die Professionalisierungsprozesse mit der Schweizer Sozialstaatsentwicklung und der Wissensprduktion verknüpft waren. In einer historisch-machttheoretischen Perpsektive legt sie auch überzeugend dar, wie die Entwicklung der Sozialen Arbeit wesentlich duch die Kategorien Geschlecht, soziale Schicht, Konfessionszugehörigkeit, spezifische nationale Rahmenbedingungen und internationale Vorbilder geprägt wurde. [...] Dank der differenzierten, kenntnisreichen und systematischen Darstellung [...] dürfte die Publikation von Sonja Matter schon bald zu einem Standardwerk an den Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit werden.» Jürg Krummenacher, Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte