Der Osten war rot
Ein gescheiterter Weltverbesserer (1967–1987)
Postkommunistische Reportagen (1988–2008)
Gebunden
2008. 400 Seiten, 60 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-0916-4
CHF 48.00 / EUR 29.80 
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«Der Osten war rot» ist eine Reise ins Innere. Im doppelten Sinn. Die Reise führt ins Innere einer der vielen kommunistischen Parteien, die es nach 1968 gab. Nach der Wende kontrastieren Reisen in alle ehemals sozialistischen Länder die Situation der Jahre 1968–1988.

Genaue Aufzeichnungen offenbaren ein Leben voller Hoffnungen und voller Machtmissbrauch in der Politsekte der schweizerischen Maoisten. Der Autor bricht in seinem Zweifeln über die richtige Linie immer wieder aus, indem er Länder des real existierenden Sozialismus bereist – mit wachsender Enttäuschung. Sein besonderes Interesse gilt den Industrie- und Transportbetrieben in Jugoslawien, Albanien, Rumänien, in den Ländern des sowjetisch kontrollierten Ostblocks und schliesslich in China. Auch die Erwartungen ans letzte gelobte Land, Kambodscha, enden in niederschmetternden Enttäuschungen: Der real existierende Sozialismus erweist sich, immer wieder, als Despotie. Der Protagonist begräbt seine Selbstmordabsichten mit dem befreienden Austritt aus der Politsekte.
Nach der Wende kontrastieren Reisen in alle ehemals sozialistischen Länder die Situation der Jahre 1968–1988. Die kapitalistischen Raubzüge haben Infrastrukturen zerstört und viele Menschen zur Hoffnungslosigkeit verdammt. Der von amerikanischen Liberalisierern 1989 inszenierte Neubeginn endet mit einem Fiasko für die Förderer des «kreativen Chaos»: In vielen Ostländern werden rechtsextreme Regierungen gewählt. Russland verwandelt sich nach den wilden Jahren von einem Geheimdienstland mit ideologischer Parteikontrolle in eins ohne Kontrolle. Chinas schrankenloser Kapitalismus untergräbt zunehmend die westliche Wirtschaft. Der Autor belegt diese Entwicklung mit starken Bildern von seinen Reisen ins Innere dieser Länder: in die strategisch entscheidenden Industrie- und Transportbetriebe.

Hans-Peter Bärtschi, 1950 geboren, studierte an der ETH Zürich Architektur und dissertierte 1980 über «Industrialisierung, Eisenbahnschlachten und Städtebau». Seit 1979 führt er in Winterthur sein Büro Arias «Architektur, Industriearchäologie und Stadtentwicklung», das sich auf Dokumentation und Erhaltung des industriellen Erbes spezialisiert hat. Hans-Peter Bärtschi ist namhafter Autor von zahlreichen Fachbüchern, Artikeln sowie Radio- und Fernsehsendungen vor allem zur Industriekultur und -archäologie sowie zum Städtebau.


Bücher im Chronos Verlag


Aufsätze im Chronos Verlag

Inhalt
Inhalt 1967–1987 (Auszüge)
Eine bessere Welt muss möglich sein
Aufbruch in den Balkan • Untreu Gott und verliebt • Bloss raus, ins ferne wilde Fremde
Der Kommunarde wird Studentenführer
Kommunen, Bunker und besetzte Häuser • Studentenpolitik als Beruf • Das verlorene Paradies – alle waren für die Revolution
Ins Abseits
Architekturstudium und Agitation für die Schweizer Armee • Albanien: Das kleine Paradies spaltet sich vom grossen ab • Ein neues gelobtes Land: Rumänien
Schon besetzt
Oktobergruppe statt Partei • Verhaftet in Ungarn • Tschechoslowakei zur Zeit der Dissidenz
Wahnsinn unter Stalin
Der 70%-Stalin und die GuLager 1926–1953 • Die Werke der Parteischule schulen • Eine neue Glaubenskrise: Solchenyzins GuLag-Werk
Freundschaft mit China
Dengs Säuberungen, Maos Kommunen • Gerichtsvorladung wegen Chinareise
Austritt = Ausschluss
Konsultation bei Altkommunisten • Warten auf die Rehabilitierung

Inhalt 1988–2008 (Auszüge)
Reisen ins Innere
Industrie- und Bahnexpeditionen 1988–2008
Die letzte Reise vor den Kriegen
Jugoslawien 1990 • Slowenien, umkämpftes Alpenrefugium • Schwierige Gastfreundschaft
Zwischen und nach vier Kriegen
Serbien 2004, Bosnien 2007
Ins Abseits
Das Spiel mit der Demokratie: Rumänien 2007 • Privatisierte Gewinne, kollektivierte Verluste
Nationalismus ersetzt internationale Solidarität
Revier 1993, Danzig 2007 • Schlesien während der Raubüberfälle 1993 • Entsolidarisierung
Der alte Kalte Krieg weicht dem neuen
20 neue Nationalstaaten und fast ebenso viele neue Despoten • Still dümpelt das Atom­arsenal vor sich hin
Wahnsinn von Stalin bis Putin
6000 Kilometer Besinnungsfahrt durch die Hydro-GuLager 1997, 2004 • Gorki, GuLag, Gift
Freundschaft mit Chinas Opposition
Eiswind Datong – Tiänanmen 1988, 1989 • Annullation nach dem Tiänanmen-Blutbad
Psychisch kriegsversehrt
Durch Kambodscha 2003 • Slums und Tempel
Die letzte Front
Sozialismus war immer despotisch • Kapitalismus ist nicht immer despotisch • Vom schwierigen Umgang mit der Vergangenheit

Textauszug
Die Ortsgruppe
«Wir stehen auf der Seite des Demokratischen Kampuchea», lautete im November 1979 die Titelzeile der schweizerischen Monatszeitung «Oktober». Ihre Verkäufer nannten das Blatt respektvoll «Oh». Wie immer schulte man an einem der ersten Tage des Monats die neuen Inhalte. Die Oktobergruppe Winterthur, kurz und konspirativ «Ohge» genannt, hielt ihre Sitzung im Treppenhauszimmer von Rolfs Wohnung ab. Über die knarrige Holzstiege betrat Nummer eins, Genossin Rita, als Erste den Versammlungsort. Neben Rolf, der in den Berichten als Nummer drei vorkam, war da noch Nummer vier, Rico, ein lieber und gefügiger Mensch mit immer ausweichendem Blick. Entgegen dieser Nummerierung bestand die «Ohge Winter­thur» eigentlich nur noch aus drei Leuten, denn Sämi, die Nummer zwei, kam nicht mehr. Da die Partei ihn aber noch nicht ausgeschlossen hatte, blieb das alte Nummernschema vorläufig erhalten. Der Sitzungsablauf war immer gleich. Zuerst entnahm Nummer eins der Regenkapuze ihres Plastikmantels ein fingergross

Pressestimmen
«Eine Geschichte über eine Sekte, voller Absurditäten. Bärtschi dringt mit seinem Buch in einen Tabubereich vor. Wenige der linksradikalen 68er stehen heute öffentlich dazu.» Sonntagszeitung

«Ungeschönt: Der Autor nennt keine Namen, er stellt niemanden aus jener Zeit bloss. Nur sich selber schont er kaum. Vergnüglich: Die postkommunistischen Reisereportagen lesen sich bei allem Ernst und Sarkasmus streckenweise ausgesprochen vergnüglich.» Basler Zeitung

«‹Der Osten war rot› ist nebst Reiseberichten aus ehemals sozialistischen Staaten eine schonungslose Lebensbeichte. Die Aufarbeitung war schwierig. Die ehemaligen Genossen geben sich heute als Ostalgiker, Opfer der Umstände oder Konvertiten, viele sind in gehobenen Positionen.» Der Landbote Winterthur, Thurgauer Zeitung

«Das Buch gibt viele direkte Einblicke in die Welt des Ostens… Ruinen alter wie neuer Visionen. Es wird weitgehend eingelöst, was der Autor verspricht. Die Reportagen zeigen eine Geschichte von unten, voll von Gegenpositionen zur üblichen Geschichtsschreibung.» P.S. Die linke Zürcher Zeitung

«Ich bin beeindruckt vom Resultat dieser Verschränkung von Biographie und Weltanalyse.» Jakob Tanner, Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Universität Zürich

«Eine von Anfang bis Ende spannende Lektüre. Kein beschönigendes Erinnerungsbuch, sondern ein Stück sehr persönlicher Trauerarbeit auf der Basis präziser Dokumente und genauem, sich selber und der Welt gegenüber erbarmungslosem Erinnern. Ein hoch informatives Buch über verlorene Illusionen und aussergewöhnliche Reisen auf aussergewöhnlichen Routen.» David Streiff, ehemaliger Direktor eidgenössisches Bundesamt für Kultur

«Erstmals legt ein Mitglied ebenso schonungslos wie detailliert öffentlich Zeugnis ab über das Innenleben dieser veschworensten Linkspartei der Schweiz.» Urs Rauber, NZZ am Sonntag

«Die guten Reiseberichte aus Albanien, der Sowjetunion, aus China und Kambodscha sind packende Reportagen über den wirtschaftliche Niedergang, Korruption und Chaos.» Neue Zürcher Zeitung

«Die im Inhaltsverzeichnis vorgeschlagene Lektüre ist die einzig richtige. Das Buch ist als Reportagesammlung in hohem Masse lesenswert. Ein sehr persönliches Werk – die Zweifel und Verzweiflungen, die Ängste, ins Leere zu fallen, das Bedürfnis, sich so lange wie möglich noch anzuklammern, die Alpträume post … Ein Liebes-Wahnsinn hat zum Wiedergewinnen des Menschseins geholfen. Das Nicht-Wissenwollen steht am Anfang so vieler übel. Sich von tiefen Überzeugungen loszueisen (ist) eine Trauerarbeit udn eine Leistung, die wohl längst nicht alle aufbringen.» Ernst Halter, Schrifsteller Aristau