Adolf Guyer-Zeller in Selbstzeugnissen
Sehen und Sehnen in Reisetagebüchern und Briefen
Gebunden
2003. 320 Seiten, 13 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-0647-7
CHF 48.00 / EUR 32.00 
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«Was ich noch nie gesehen, das sah ich jetzt ...» Für den Zürcher Oberländer Textilfabrikanten, Eisenbahnkönig und Naturfreund Adolf Guyer-Zeller (1839-1899) bedeutete das Reisen Arbeit an sich selbst, die mit viel Schreiben verbunden war. Interessant ist deshalb, welche Schreibstrategien er nutzte und welche Reisephilosophie er entwickelte. Mit Auszügen aus Reisetagebüchern und Briefen - besonders aus seiner Jugendzeit - wird eine schillernde Persönlichkeit des späten 19. Jahrhunderts fassbar. In seiner Wahrnehmung, in seinem Denken und Glauben zeigt sich der Visionär, der später die Jungfraubahn bauen liess und als wacher Zeitgenosse seine eigenen Standpunkte fand - zu Fragen der Ethik, Religion, Geschäftsphilosophie, Sklavenfrage in Nordamerika (1860) und den Frauen gegenüber.
Wer ist der Mensch, der strengen Bibelglauben und liberale Ideen verbinden kann mit der vorläufigen Meinung, Sklaverei sei ein «nothwendiges Übel»? Wer ist der Mann, der die Frauen als Hausmütterchen, letztlich aber als staatstragend sieht? Wer ist der Patron, der sich sehr um das Wohlergehen seiner Arbeiterinnen und Arbeiter sorgt, die Arbeitszeit für Kinder aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht verringern möchte? Wer ist der Ästhet, der sich virtuos zu Literatur und Architektur äussert, den «almighty dollar» aber als stärker einschätzt?
Aufgrund von vielen neu zugänglich gemachten Quellen entwirft der Autor aus historischer und linguistischer Sicht ein facettenreiches Bild eines Kosmopoliten in seiner Zeit, der das Urteil der Leserinnen und Leser auch heute noch polarisieren dürfte.

Wolfgang Wahl-Guyer ist promovierter Historiker und Archivar. Er betreut verschiedene Privatarchive und publiziert zu regionalgeschichtlichen Themen.


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Besprechungen
Gewinn und Gewissen rox. Selten nur - etwa, wenn wir unsere Skikünste vor dem imposanten Jungfrau-Panorama zu verbessern suchen - denken wir an den Zürcher Oberländer Textilfabrikanten Adolf Guyer-Zeller (1839-1899). Er nämlich ist als «Schöpfer der Jungfraubahn» in die Geschichte eingegangen; ohne seine Pioniertat würden wir uns heute nicht auf bequemen Bänken und in Turnschuhen aufs Jungfraujoch schaukeln lassen können. Doch Guyer-Zellers Persönlichkeit kennt weitere Facetten. Als Unternehmer, Politiker und Eisenbahnkönig war er erfolgreich, aber nicht unbestritten. So sind denn auch die Urteile über Adolf Guyer-Zeller, wie der Autor der anzuzeigenden Studie einleitend einräumt, mehr als gespalten. Wo die einen den «nimmermüden Geist des Unternehmers» lobend herausstellen, kritisieren andere ihn als Wahlfälscher und rücksichtslosen Kapitalisten. Wie hat sich Adolf Guyer-Zeller selbst gesehen? Solche Fragen sind nur spekulativ zu beantworten. Die hier zugänglich gemachten Selbstzeugnisse, vornehmlich Auszüge aus Reisetagebüchern und Briefen Guyer-Zellers, mögen die Frage nach dem ethischen Profil des Unternehmers immerhin zu beantworten helfen. Dass ein Christenmensch aus dem Dilemma zwischen Gewinn und Gewissen nicht einfach aussteigen kann, zeigt der Autor etwa in seinem Schlusswort, wo er recht metaphorisch davon spricht, dass Guyer-Zeller andere Menschen «stets mit einem mitfühlenden und einem berechnenden Auge» gesehen habe. Wolfgang Wahl-Guyer: Adolf Guyer-Zeller in Selbstzeugnissen. Sehen und Sehnen in Reisetagebüchern und Briefen. Chronos-Verlag, Zürich 2004. 280 S., Fr. 48.-. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON Samstag, 03.04.2004 Nr.79 48 (c) 1993-2004 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1