Die Jahre 1469-1471 waren für die Stadt Bern eine Zeit heftiger politischer Auseinandersetzung. Was als Streit um die Ausübung von Herrschaftsrechten auf der Landschaft begonnen hatte, wurde im Frühjahr 1470 zu einer Krise, in der zwei Parteien um die soziale und politische Vorrangstellung in Bern kämpften. Die Autorin nimmt diesen «Twingherrenstreit» zum Anlass, politische Handlungsformen in einer spätmittelalterlichen Stadt zu untersuchen. Als Quellen dienen ihr einerseits chronikalische Berichte - allen voran die nach Form und Inhalt ungewöhnliche Darstellung des «Twingherrenstreits» durch Thüring Fricker, den Stadtschreiber Berns, die hier erstmals eine umfassende Würdigung erfährt. Die Schrift wird als literarisch intensiv geformtes und höchst polemisches Werk erfasst, mit dem der Stadtschreiber zugleich die eigene Position zu rechtfertigen wie die Gegner der Twingherren zu diffamieren suchte.
Die während des Konflikts sich herausbildenden Parteien sind sozial heterogen zusammengesetzt. Beide Gruppen äussern im Lauf der Auseinandersetzungen Vorstellungen über die Ziele stadtbürgerlicher Politik und über den Weg, mit dem diese erreicht werden sollen.
Mit Bezug auf die soziale Stellung und den Sprachgebrauch der Protagonisten - alles Mitglieder des Grossen und des Kleinen Rats, der Berner Regierung - untersucht die Autorin im Hauptteil der Arbeit politische Handlungsformen. Die im Alltag erprobten und eingeübten politischen Abläufe kommen im Konfliktfall zur Anwendung. Umgekehrt fliessen die während der politischen Auseinandersetzung gemachten Erfahrungen in die tägliche Politik ein.
Das vorliegende Werk stellt einen wichtigen Beitrag zur Erforschung politischen Führungsgruppen und der politischen Kultur einer spätmittelalterlichen Stadt dar. Mit der Untersuchung eines der einschneidensten Ereignisse im Bern des Spättmittelalters ist es aber auch für alle an der Geschichte dieser Stadt interessierten Personen unentbehrlich.