Der Begriff der Spekulation hat in den letzten Jahren vor allem im Hinblick auf Formen des philosophischen Realismus neues Interesse gefunden. Vor diesem Hintergrund zeichnet der Essay die Bedeutung der Spekulation in mittelalterlichen Kontemplationstheorien, besonders bei Eckhart, Seuse und in der franziskanischen Mystik, nach. Als kognitive Praxis soll Spekulation zur kontemplativen Einung mit dem Göttlichen hinführen, gleichzeitig setzt sie aber eine neue Wahrnehmung der Welt frei. Spekulation beinhaltet also eine Neubewertung der Sinnlichkeit und der Affekte, werden diese doch Gegenstand einer Formung des Lebens der Seele mit rhetorischen Mitteln. Damit geht ein «realistisches» Moment einher, das heisst: ein Blick auf die Dinge, der das Partikulare befreit und die Wahrnehmung des Göttlichen vom Jenseitigen ins Diesseitige, von der Transzendenz in die Immanenz überführt.
Die Schriftenreihe repräsentiert die Breite der mediävistischen Forschung an der Universität Zürich und darüber hinaus.
«Im Rahmen der Gebets- und Kontemplationspraxis richtet Largier den Blick auf die Sinne und die Bedeutung rhetorischer Effekte, die zu einer die Sinne, Affekte und Intellekt umfassenden ästhetischen Erfahrung führen. Im Zentrum der Praktiken steht dabei schlussendlich eine Transformation der sinnlichen Wahrnehmung, die in der speculatio bzw. im Motiv des Spiegels oder der Spiegelung erläutert wird.»