Fürsprecherin des Alters
Geschichte der Stiftung Pro Senectute im entstehenden Schweizer Sozialstaat (1917–1967)
Gebunden
2015. 340 Seiten, 11 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1311-6
CHF 48.00 / EUR 43.00 
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Viele haben schon von ihr gehört, und die meisten wissen auch, für wen und was sie heutzutage einsteht: die Stiftung Pro Senectute. Während sich die grösste gemeinnützige Organisation im Bereich der Altersvorsorge in der Schweiz grosser Bekanntheit erfreut, liegt ihre Entstehungsgeschichte weitgehend im Dunkeln. Die vorliegende Studie zeigt mit ihrer wissens- und politikhistorischen Perspektive auf, welche Rolle die 1917 gegründete «Fürsprecherin des Alters» beim Aufbau des Sozialstaats spielte und wie dieser ihre private Fürsorgearbeit prägte.
Weil sich die Einführung der AHV bis 1948 verzögerte, begann die Stiftung «Für das Alter» (seit 1978 Pro Senectute) nach dem Ersten Weltkrieg, bedürftige alte Menschen mit Spendengeldern zu unterstützen. Auch der Bund sah in der privaten Fürsorge eine Übergangslösung, die es zu subventionieren galt. Ausgehend von dieser arbeits- und finanzteiligen Zusammenarbeit zeichnet die Studie nach, wie Sozialpolitiker, Beamte und Stiftungsmitarbeitende in der Zwischenkriegszeit eine Sozialstaatsentwicklung «von unten» forcierten und die Altersvorsorge als öffentlich-private Verbundaufgabe etablierten, die im internationalen Vergleich einzigartig ist.
Die Studie macht zudem deutlich, wie sich die Kooperation zwischen der Stiftung und dem Staat auf die Praxis der Wohlfahrtsproduktion in der Schweiz auswirkte. Dazu gehört, dass die Einführung der AHV die Stiftung nicht verdrängte, sondern eine Neuorientierung zu einer Fach- und Dienstleistungsorganisation ermöglichte: statt auf die Bekämpfung der Altersarmut richtete sie ihre gemeinnützige Arbeit nach 1948 zunehmend auf die Gestaltung des Ruhestands aus.

Matthias Ruoss ist Historiker an der Universität Bern. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind die Geschichte der Sozialpolitik und des Sozialstaats. Aktuell arbeitet er zur Konsumfinanzierungsgeschichte im 19. Jahrhundert.


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Inhalt
1. Einleitung

I Die Stiftung «Für das Alter» in der sozialpolitischen Umbruchphase nach dem Ersten Weltkrieg

2. Die Stiftung «Für das Alter» und die Altersfrage
2.1 Die Lancierung des Hilfswerks «Pour nos Vieillards» 1917
2.2 Profilschärfung oder die Frage: «Wie helfen wir dem Alter?»
2.3 Altersnot statt Altersarmut: Die Neuproblematisierung des Alters
2.4 Der Plan Ammann von 1922

3. Aufbau und Institutionalisierung der Stiftung «Für das Alter»
3.1 Der Weg in die stiftungspolitische Unabhängigkeit
3.2 Öffentlichkeitsarbeit und das Ringen um Legitimität
3.3 Die Inszenierung als gesamtschweizerische Organisation

Zusammenfassung Teil I

II Entstehung und Ausbau eines gesamtschweizerischen Altersvorsorgesystems in den 1920er- bis 40er-Jahren

4. Die Konfiguration der Altersvorsorge in der Schweiz
4.1 Die frühen Debatten um den geeigneten sozialstaatlichen Schutz gegen Altersarmut
4.2 Die Stiftung «Für das Alter» als neue Sozialpartnerin des Bundes
4.3 1931: Eine grundlegende sozialpolitische Zäsur

5. Staatsentlastung durch Delegation: Die Einrichtung eines provisorischen Fürsorgesystems ab 1934
5.1 «Periculum in mora» oder der kalkulierte Umgang des Bundes mit der Fürsorgeinitiative
5.2 Die Alters- und Hinterlassenenfürsorge als Verbundaufgabe seit 1934
5.3 Die Einrichtung eines Subsystems zum Schutz älterer Arbeitsloser
6. Sozialpolitischer Systemwechsel im Kriegsjahrzehnt (1938–1948)?
6.1 Die Demografisierung der Sozialpolitik in den 1930er-Jahren
6.2 Das Comeback der AHV im Zweiten Weltkrieg
6.3 Das alte Fürsorgesystem und die Einführung der AHV 1948

Zusammenfassung Teil II

III Die Stiftung «Für das Alter» im ausgebauten Sozialstaat der Nachkriegszeit

7. Die Produktion von neuem Wissen über das Alter(n)
7.1 Die Stiftung «Für das Alter» und die Anfänge der sozialmedizinischen Altersforschung in der Schweiz
7.2 Das gerontologische Versprechen: Praktische Alltagshilfe
7.3 Die Verwissenschaftlichung der Stiftung «Für das Alter» in den 1950er-Jahren
7.4 Exkurs: Die Gründung der International Association of Gerontology und ihr Einfluss auf die Schweiz

8. Kontinuitäten und Brüche in der Alterspflege der Stiftung «Für das Alter»
8.1 Rückblick: Die Alterspflege in der Zwischenkriegszeit
8.2 Freizeit statt Arbeit: Die Gestaltung des Ruhestands
8.3 Von der Wohnungsfrage zum selbstbestimmten Wohnen

9. Die Ausdifferenzierung einer sozialpolitischen Expertenkultur
9.1 Die sozialwissenschaftliche Altersforschung in der Schweiz
9.2 «Policy»-orientierte empirische Sozialforschung – ein internationaler Trend
9.3 Verstärkte Nachfrage nach sozialpolitischer Expertise in der Schweiz

Zusammenfassung Teil III

10. Schluss

Pressestimmen
«Mit der Untersuchung der Stiftung „Für das Alter“ (seit 1978 „Pro Senectute“), der wichtigsten gemeinnützig-privaten bzw. parastaatlichen Organisation zur Unterstützung alter Menschen in der Schweiz, schließt Matthias Ruoss eine wichtige Forschungslücke. Die Dissertation zeigt überzeugend den Einfluss der Stiftung auf die Altersdiskurse in der Schweiz auf und leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Rolle nichtstaatlicher gemeinnütziger Organisationen bei der Entstehung des Sozialstaates. [...] Ruoss zeichnet ausführlich und unter der sorgfältigen Auswertung einer Fülle von sehr unterschiedlichen Quellen die sozialpolitischen Debatten um die Einführung der AHV und die gesellschaftlichen Problematisierungen des Alters von der Zwischenkriegszeit bis in die 1960er-Jahre nach. [...] Matthias Ruoss hat eine sehr durchdachte und fundierte Untersuchung der Stiftung „Für das Alter“ vorgelegt, die weit über die eigentliche Geschichte der Stiftung hinausgeht und die bisherige historiographische Forschung zum Alter(n) (in der Schweiz) methodisch und inhaltlich maßgeblich erweitert und differenziert.» Florian Müller, H-Soz-Kult