Der hinkende Bote

Ein kulturgeschichtlicher Essay

Klappenbroschur
2015. 160 Seiten, 24 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1307-9
CHF 25.00 / EUR 19.90 
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Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert tritt der hinkende Bote auf als Namensgeber und Titelfigur von populären Jahreskalendern, die in Basel, Bern oder Strassburg zum Teil bis heute erscheinen. Sein Pendant in der Wirklichkeit waren Kriegsversehrte und Wehrdienstuntaugliche, die als Botengänger eingesetzt wurden oder sich als Kolporteure über Wasser hielten. Anhand dieser Figur erkundet der Autor die kulturgeschichtliche Vermittlung von Behinderung und zeigt auf, wie sich zeitbedingte Menschenbilder und Formen des Umgangs mit behinderten Menschen darin spiegeln.
Schon in der ältesten erhaltenen Darstellung wird der hinkende Bote dem Postreiter gegenübergestellt. Dieser stand gewöhnlich für die schnelle Verbreitung von Neuigkeiten, ein zu allen Zeiten vordringliches Anliegen im Nachrichtenwesen. Dem hinkenden Boten hingegen wurde eine schwankende, ambivalente Funktion zugewiesen. Mit ihm personifizierte man das Sprichwort: «Hinter der guten Botschaft kommt oft die böse nachgeschlichen.» Infolgedessen wurde er mit der unangenehmen Nachricht und dem Hinkefuss, dem Teufel, identifiziert. Wegen seines bedächtigen Gangs konnte er aber auch zum Garanten der zuverlässigen Nachricht werden. So hiess es: «Man muss den hinkenden Boten abwarten.» Er konnte eine Meldung bestätigen, deren Echtheit bezeugen und hintergründiger erzählen. Diese positive Umdeutung der Rolle des Hinkenden, die für die Jahreskalender massgeblich wurde, wird verknüpft mit Betrachtungen über die Chancen und die Schwierigkeiten einer adäquaten Kommunikation mit und über Menschen mit Behinderung.

geboren 1948, studierte Behindertenpädagogik in Hamburg und Bremen und arbeitet heute als freier Autor. Er hat verschiedene Bücher zum Thema Behinderung publiziert und ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft in Berlin.


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Inhalt

Die Rolle des Boten 9
Der Götterbote 13
Der gefallene Engel 19
Das Land der Hinkenden 23
Der seltsame Springinsfeld 29
Der Körper als Quelle allen Übels 33
Behinderung als soziales Phänomen im kulturellen Wandel 37
Reisen durch das Jammertal 43
Kommunikation von Angesicht zu Angesicht 47
Das Hin und Her der Diskurse 51
Ein Erzähler namens Antoni Sorgmann 53
Der Kalender 57
Der Marktsänger 63
Schaulust und Neugier 67
Die Ästhetik der Behinderung 71
Spott und Hohn 75
Die Aufdringlichkeit des Normalen 79
Das Sinnbild der Beharrlichkeit 83
Prothesengott 87
Glück im Unglück 91
Geteiltes Leid ist halbes Leid 93
Die ganze Süsse der Liebe 95
Singularität des Ortes 99
Identität im Übergang 103
Erpressung der Aufklärung 107
Leben als Fragment 113
Ambivalenztoleranz 117
Umgang mit Menschen 119
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte 125
Kopffüssler und Menschenbild 129
Medienkompetenz 131
Die Bedeutung der Botschaft 135
Den hinkenden Boten abwarten 139


Pressestimmen

«Mürners Antwort auf die Frage, weshalb wir uns derart viele Gedanken um Behinderung machen und ihre Träger dennoch nicht in unsere Mitte holen, ist keine abschließende. Vielmehr bietet er seiner Leserschaft eine kaleidoskopisch geformte Möglichkeit an.»
Prof. Dr. Winfried Kronig, Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete (VHN)


«In einem kulturgeschichtlichen Essay betrachtet Christian Mürner den Boten von verschiedenen Seiten und lotet auch seine Bedeutung für unser gegenwärtiges Menschen- und Behindertenbild aus. […] Wer also mehr erfahren möchte, dem sei empfohlen, Christian Mürners inspirierendes und weiterführendes Buch selbst zu lesen, dem eine weite Verbreitung vergönnt sein möge.»
Volker van der Locht, Newsletter Behindertenpolitik


«Am Beispiel des ‹hinkenden Boten› führt uns Christian Mürner ein Stück in unsere Geschichte und erzählt spannend und mit zahlreichen Belegen über die beiden historischen Pole der Nachrichtenübermittlung: den reitenden und den hinkenden Boten. Ein kleines Buch aus und über unsere Geschichte, das wohl niemals seine Aktualität verliert.»
Siegfried Uhl, Amazon-Leserrezension