Lichtduschen

Geschichte einer Gesundheitstechnik, 1890–1975

Interferenzen – Studien zur Kulturgeschichte der Technik, Band 22
Broschur
2015. 280 Seiten, 22 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1276-8
CHF 38.00 / EUR 34.00 
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«Lichtduschen» war die Bezeichnung für kurze Bestrahlungen des Körpers mit Ultraviolettlicht. In den Strahlenabteilungen deutscher Krankenhäuser entwickelt, vermarktete die Elektroindustrie das Lichtduschen ab den 1920er Jahren als gesundheitsförderliches Handeln, das Männern, Frauen und Kindern zu einem erfolgreichen Leben in der modernen Welt verhelfe. Regelmässige Selbstbestrahlungen mit Heimsonnen sollten den Körper stärken und die ­Arbeits- und Leistungsfähigkeit steigern. Anders als die 1975 eingeführten elektrischen Solarien waren die älteren Ultraviolettlampen also nicht nur zur Verschönerung des Teints gedacht.

Anhand des Lichtduschens erzählt Niklaus Ingold die Geschichte der Verwissenschaftlichung und Kommerzialisierung der Lichtaussetzung des Körpers. Die Untersuchung folgt einem technowissenschaftlichen Projekt, das im 19. Jahrhundert mit der Verwendung elektrischer Lampen als Sonnenmodelle in lichtbiologischen Experimenten und medizinischen Behandlungsversuchen begann. Neues Wissen und neue Praktiken zirkulierten nun zwischen industriellen Ballungsräumen und alpinen Heillandschaften. In der Forschungs­literatur, in lebensreformerischen Gesundheitsratgebern und in den Massenblättern westlicher Gesellschaften nahm eine spezifische Vorstellung gesunden Lichts Gestalt an.

Dr. phil, forscht und publiziert als freischaffender Historiker zur Geschichte der Medizin, der Wissenschaften und der TEchnik der letzten 200 Jahre.


Bücher im Chronos Verlag

Inhalt

Elektrosonnen Moderner Lichthunger
Programmierte Apparate
Übersicht

Sonne und Apparate: Die Mobilisierung einer Naturkraft (1890–1910) Elektrifizierung mit Nebenwirkungen
Schweisstreibende Glühbirnen
Bakterientötendes Bogenlicht
Lichtbaden als Technikerlebnis
Richtungsstreit in der Lichttherapie
Konkurrenz um taugliche Ultraviolettstrahler

Apparate und Körper: Die Erfindung des Lichtduschens (1900–1930) Die medizinische Entdeckung des alpinen Lichtklimas
Neue Funktionen für Quarzlampen
Das umstrittene Pigment
Die Lösung für Dosierungsprobleme
Bewährungsprobe Rachitis
«Modebehandlung» und Ursache des «Höhensonnenkrebses»

Körper und Strahlen: Die Verwissenschaftlichung der Ultraviolettbehandlung (1900–1960) Konjunkturen strahlenbiologischer Forschung
Lichtempfindliche Systeme in Organismen
Immunstoffe in der bestrahlten Haut
Verwirrung in der Vitamin-D-Forschung
Das «biologische Dunkel» der Bioklimatologie
Das leistungssteigernde Ultraviolettlicht

Strahlen und Gesellschaft: Lichttechnik für moderne Menschen (1920–1975) Hochtechnisierte Erholungsräume
Infrastruktur zur Verbesserung der Bevölkerung
Das Stärkungsmittel Höhensonne
Unvereinbare Zustände der Vollkommenheit
Die Herstellung schöner Körper
Risikofaktor Ultraviolettlicht

Bestrahlungsräume


Pressestimmen

«Es ist die große Stärke dieser erfrischend pointiert verfassten Promotionsschrift, dass sie die Geschichte von Gesundheit exemplarisch am Beispiel des Ultraviolettlichtes als ein Zusammenspiel von Lebensreformbewegung, Laborforschung, unternehmerischer Initiativen und Hygienepolitik begreift.»

NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin, Monika Dommann

«Ingold zeigt am Beispiel der Bestrahlung mit UV-Licht, wie Medizin, elektrotechnische Innovationen und gesellschatliche Problemwahrnehmungen ineinandergreifen und gibt damit einen eindrucksvollen Einblick in das Potential einer modernen kulturgeschichtlich orientierten Wissenschaftsgeschichte.»

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Jörg Vögele

«‹Lichtduschen› mögen auf den ersten Blick ein exotisches Forschungsthema sein. Durch die geschickte Verknüpfung von Technik-, Wissens- und Kulturgeschichte zeigt Niklaus Ingold das hohe Erkenntnispotenzial eines derartigen diskurs- und artefaktzentrierten Ansatzes. Anschaulich zeichnet er den Wandel lichttherapeutischer Diskurse, Wissensbestände und Praktiken nach. [...] Besonders aufschlussreich gestalten sich seine Ausführungen zur gesellschaftlichen Rezeption und Instrumentalisierung der neuen Gesundheitstechniken. [...] Die Geschichte der Ultraviolettbestrahlung eröffnet damit neue Perspektiven auf die Konzeptualisierung – und Kommerzialisierung – von Gesundheit, Natur und Körperlichkeit im 20. Jahrhundert.»

Neue Politische Literatur, Ute Hasenöhrl

«Ingold gelingt es, die Geschichte des Lichtduschens nicht  nur detailreich und anhand klarer Fragen zu erzählen, sondern das Buch spricht die Leserin und den Leser auch durch zahlreiche aussagekräftige Abbildungen an. [...] Das Buch ist äußerst facettenreich und Ingold gelingt es immer wieder, die Geschichte desLichtduschens in unterschiedlichste Kontexte einzubetten.»

Virus, Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin, Beat Bächi

«Die Geschichte der elektrischen Ultraviolett-Strahler, die Niklaus Ingold nun auf 230 Seiten komprimiert und spannend entfaltet, füllt dieses Desiderat aus. Sie spannt dabei einen weiten Bogen und reicht zurück bis zur technischen Etablierung des elektrischen Lichts in den 1880er Jahren in Deutschland und seiner ersten Anwendung als heilsame Lichtdusche in der Medizin. [...] Den Bogen von technischer Innovation hin zu Wissenschaft und Medizin sowie zurück spannt die Studie in vier schwungvollen Kapiteln. [...] Ingold beschreibt mit der Geschichte der Höhensonne die Geschichte einer bedeutenden präventionsmedizinischen Apparatur weit über ihre medizin- und technikhistorischen Aspekte hinaus und fördert dabei viele neue Details zutage. Vor allem gelingt ‹Lichtduschen› ein Gesamtblick auf die Einführung und Konjunktur dieser Technik in Deutschland, der die wissenschaftlichen, politischen, konsumtiven und körpergeschichtlichen Zusammenhänge, Bedingungen und Beweggründe dieser Erfolgsgeschichte mitberücksichtigt.»

Zeitschrift Technikgeschichte 1/2018, Alexander von Schwerin

Die in dieser Reihe erscheinenden Studien untersuchen technische und wissenschaftliche Entwicklungen in der Neuzeit. Sie fragen nach dem historischen Entstehungskontext und gehen der Frage nach, inwiefern verschiedene soziale Gruppen diese technischen Entwicklungen als Möglichkeit sozialen Wandels wahrgenommen, ausgehandelt und bisweilen genutzt oder vergessen haben. Der Ansatz erlaubt es, Innovationen als technisch und gesellschaftlich voraussetzungsreiche Prozesse zu verstehen und zu erklären.