Wirtschaftliches Scheitern in der Stadt St. Gallen im 17. und 18. Jahrhundert
Die Geschichtswissenschaft hat sich lange vor allem mit wirtschaftlichem Erfolg beschäftigt, obschon es Mangel und Knappheit waren, die den Alltag der Menschen in der Vormoderne prägten. Dorothee Guggenheimers Untersuchung setzt hier einen Kontrapunkt. Sie macht den Misserfolg zum Thema, und zwar am Beispiel von St. Gallen, einer Stadt, die in der Frühen Neuzeit für ihre wirtschaftliche Prosperität bekannt war.
Gestützt auf eine breite Quellenbasis, nähert sich die Autorin ökonomischem Scheitern aus verschiedenen Perspektiven, angefangen bei der Entwicklung des Rechts über die konjunkturgeschichtliche Bedeutung von Konkursen und die Ausgestaltung von Schuldner-Gläubiger-Beziehungen bis hin zur sozialen Stellung der Konkursiten nach ihrem Kollaps.
Die Stadt St. Gallen im 17. und 18. Jahrhundert Demographische und geographische Strukturen
Die institutionellen und korporativen Rahmenbedingungen
Textilproduktion und -export und städtische Märkte
Erwerbsstruktur und soziale Gliederung
Grundlagen und Entwicklung des St. Galler Konkursrechts in der Frühen Neuzeit Einleitung
Frühneuzeitliche Konkurse in der rechtshistorischen Literatur
Quellen und Aufbau des Kapitels
Eine grobe Skizzierung des Ablaufs des frühneuzeitlichen Konkursverfahrens: Präparatorisches, Liquidations-, Prioritäts- und Distributionsverfahren Falliten in der undatierten Stadtgerichtsordnung aus dem 16. Jahrhundert
Das Prioritätsverfahren in St. Gallen
Das St. Galler Prioritätsverfahren im Vergleich zu anderen eidgenössischen Ordnungen Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen I (Ende des 16. Jahrhunderts bis 1628)
Das Fallimentsgesetz in der Stadtgerichtsordnung von 1628
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen II (1628–1661)
Das Fallimentsgesetz von 1661
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen III (1661–1726)
Falliten und Akkorditen in der Stadtgerichtsordnung von 1726
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen IV (1726–1728)
Das Fallimentsmandat von 1728
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen V (1728–1749)
Falliten und Akkorditen im Edikt von 1749
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen VI (1749–1781)
Falliten und Akkorditen in der Gerichtsordnung von 1781
Urteile, Änderungsvorschläge und Gesetzesanpassungen VII (1781–1798)
Reflexion über die Entwicklung des St. Galler Konkursrechts in der Frühen Neuzeit
Prinzipien des St. Galler Konkursrechts
Die verschiedenen Einflüsse auf die Konkursgesetzgebung
Überblick über die frühneuzeitlichen Konkurse St. Gallens und ihre Bedeutung als Barometer für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Die Entwicklung der Konkurse im 17. und 18. Jahrhundert
Die Entwicklung der Anzahl Fallimente
Die Entwicklung der Anzahl Akkorde
Die Entwicklung der Anzahl Konkurse (Fallimente sowie Akkorde) Konkursiten und ihre Berufe: Übersicht über die Konkurse nach Berufsgattungen
Falliten und ihre Berufe
Akkorditen und ihre Berufe
Konkursiten (Falliten sowie Akkorditen) und ihre Berufe
«Business community at risk» Konkurse als Barometer für die wirtschaftliche Entwicklung: War die Häufung von Konkursen in der Frühen Neuzeit ein Krisenmerkmal?
Konkurse, Konjunktur und Krisen: Begriffe und ihre Bedeutung
Konkurse als Krisenphänomen? Ein Vergleich der Entwicklung der Nachfrage nach Liquidität und der Konkursentwicklung
Entwicklung der Getreidepreise und der Konkurse
Konkursrate beziehungsweise Entwicklung der am Wirtschaftsleben partizipierenden Bevölkerung und der Konkurse
Städtische Finanzen und Konkurse
Private Finanzen und Konkurse
Konjunkturbestimmende Textilindustrie? Entwicklung der Textilproduktion und der Konkurszahlen
Diskussion der Ergebnisse: Waren Konkurse in der Frühen Neuzeit Merkmal einer Krise beziehungsweise einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung?
Kreditbeziehungen von St. Galler Falliten in der Frühen Neuzeit Einleitung
Ziel und Aufbau des Kapitels
Kredite in der frühneuzeitlichen Wirtschaftspraxis Kaufleute: Heinrich Ritz und Söhne (Falliment 1786)
Prestigeträchtige Ämter und geheimer Fabrikaufbau: Die Vorgeschichte des Falliments
Arrestnahme von Landsitzen und Druck von fremden Gläubigern: Der Fallimentsprozess
Laufende Schulden und Investitionskredite: Die Gläubiger und ihre Forderungen
Handelsfirmen als Kapitalanlage: Steuervermögen versus Fallimentssumme Textilveredelung: Die Bleicher Jacob Weyermann und Georg Scheitlin (Falliment 1673)
«… sey ein einfaltiger mann und habe nicht gedacht, daß es so böß sey»: Die Vorgeschichte des Falliments
Alle gegen einen – einer gegen alle: Der Fallimentsprozess
Drückende Bleichepacht und hohe Kosten für Nahrungsmittel: Die Gläubiger und ihre Forderungen
Geringe Investitionen und häufige Schuldklagen durch die Gläubiger: Steuervermögen versus Fallimentssumme Berufe, die eine Klammer bilden zwischen agrarischer Produktion und Konsumenten: Der Metzger Jacob Ziegler (Falliment 1641)
Jung und schlecht vernetzt? Die Vorgeschichte des Falliments
«sich diser schuldt- und gandtsach dißmahlen nicht zu beladen»: Der Fallimentsprozess
«per ein kuh, per ein rindt»: Die Gläubiger und ihre Forderungen
Höhere Verschuldung durch homogene Gläubigerstruktur? Steuervermögen versus Fallimentssumme Produzierendes Gewerbe: Der Goldschmied Georg Laurenz Töber (Falliment 1663)
Betrügerischer Goldschmiedprobierer: Die Vorgeschichte des Falliments
«Vom leben zum todt»: Der Fallimentsprozess
Bruchsilber und Schmelzgeld als anvertrautes Gut: Die Gläubiger und ihre Forderungen
Eine höhere Verschuldung durch verwandte Gläubiger? Steuervermögen versus Fallimentsbetrag Frauen: Die Hökerin Elisabeth Linsin (Falliment 1683)
«was nur geld gegolten, habe sie entwendt»: Die Vorgeschichte des Falliments
«Elisabeth Linsinen unrichtigkeiten betreffend»: Der Fallimentsprozess
Geerbte Schulden und weibliche Kreditnetze: Die Gläubiger und ihre Forderungen
Dünne Kapitaldecke und ungeduldige Gläubiger: Steuervermögen versus Fallimentssumme Fazit
«So gut wie ein anderer burger angesehen»? Der Umgang der städtischen Politik und Bevölkerung mit St. Galler Konkursiten Von Straflosigkeit bis zur Hinrichtung: Die Bestrafung der Konkursiten
Todesstrafe
Stadtverweisung
Zuchthaus
«Ehrenstrafen»
Abbitteleistung vor Rat, Gläubigern und Pfarrern Selbsthilfestrategien der Falliten und ihrer Angehörigen sowie Unterstützung durch Stadt und Verwandte
Berufliche, finanzielle und gesellschaftliche Perspektiven für Konkursiten im frühneuzeitlichen St. Gallen
Berufliche Perspektiven der Falliten
Finanzielle Erholung nach einem Konkurs?
Akkordierende Stadtrichter und fallite Säckelmeister – unterschiedliche Zukunftsperspektiven für ihre weitere politische Laufbahn Einführung der Akkorde im 18. Jahrhundert: Erleichterung für die einen, Erschwernis für die anderen?
Fazit
Zusammenfassung und Ausblick
«Insgesamt ist das vorliegende Buch sehr zu loben. Es bietet sehr gute Einblicke in ökonomische und vor allem auch rechtliche Sachverhalte in der Textilstadt St. Gallen und bringt neue Forschungsresultate hervor. [...] Für die künftige Erforschung von städtischen Kreditbeziehungen und Konkursvorgängen weist das Buch [...] Vorbildcharakter auf.»
«Dorothee Guggenheimer vermag an ihrem Fallbeispiel zahlreiche eingefahrene Forschungsmeinungen zu Verschuldung, Kredit und Konkursen sowie deren Relevanz als Indikator für krisenhafte Erscheinungen innerhalb einer Wirtschaft zu überprüfen, zu relativieren, ja teilweise zu widerlegen. Hierin liegt der besondere Wert ihrer akribisch gearbeiteten, gut lesbaren und durch zahlreiche Graphiken anschaulich gestalteten Studie.»
«Insgesamt eine hochinteressante und spannende Geschichte des Konkurses in der frühneuzeitlichen Textilstadt St. Gallen, die auf sehr intensivem und aufwendigem Quellenstudium beruht.»