Das Krankheitsbild «Schizophrenie», 1908 vom Schweizer Irrenarzt Eugen Bleuler geprägt, gehört heute zu den erfolgreichsten Konzepten der Psychiatrie. Auch als Metapher findet der Begriff breite Verwendung. Warum aber war die Entwicklung dieser Diagnose um 1900 nötig geworden? Wie kam es zu ihrem Erfolg? Und was verrät uns das Krankheitsbild über die Zeit seiner Ausformulierung?
Dieses Buch zeichnet Problemlagen und Erfahrungsräume nach, die das Entstehen des Schizophreniekonzepts ermöglicht haben: die Krise der Anstaltspsychiatrie im Fin de Siècle, das Auftauchen neuartiger psychischer Symptome, der psychodynamische Therapieansatz der «Zürcher Schule» und die Resonanzeffekte, welche die «schizophrene Assoziationsstörung» zur Krise des politischen Liberalismus in der Schweiz unterhielt. Die Studie macht anschaulich, wie sozialer Wandel und der Wandel von Krankheitsvorstellungen ineinandergreifen. Als Beitrag zu einer integralen Geschichte der Psychiatrie, die ihren Gegenstand an die Sozial- und Kulturgeschichte zurückbindet, eröffnet das Buch unerwartete Perspektiven auf das Verhältnis von Wahnsinn und Gesellschaft.