Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie
Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert
Gebunden
2008. 382 Seiten
ISBN 978-3-0340-0927-0
CHF 58.00 / EUR 35.00 
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Das mittelalterliche Gesandtschaftswesen wird derzeit vielfach politik- und kulturgeschichtlich unter den Aspekten «Aussen­politik», «Kommunikation» und «Netzwerke» erforscht. Weltliches und geistliches Gesandtschaftswesen werden meist unabhängig voneinander untersucht, obwohl es Hinweise auf eine gegenseitige Beeinflussung gibt.

Ziel dieses Bandes ist es daher, durch die parallele Behandlung nach Verbindungen zwischen kirchlicher und weltlicher Gesandtentätigkeit zu suchen. Dabei sollen die spezifischen Funktionen von Gesandten als Inhaber von Herrschaftsrechten, als Vermittler und Informationsträger besonders unter sozial- und kommunikationsgeschichtlichen Fragestellungen betrachtet werden, um eine deutlichere Vorstellung des Gesamtphänomens im Hoch- und Spätmittelalter zu gewinnen. Nicht zuletzt soll so auch eine Einordnung der Diplomatie frühneuzeitlicher Staaten in das historische Kontinuum überregionaler Kommunikationsformen ermöglicht werden.

Mit Beiträgen von
Franz Fuchs, Knut Görich, Nikolas Jaspert, Martin Kintzinger, Claudia Märtl, Werner Maleczek, Jean-Marie Moeglin, Harald Müller, Arnd Reitemeier, Rainer Scharf, Rudolf Schieffer, Oliver Jens Schmitt, Birgit Studt, Stefan Weiss, Claudia Zey

Claudia Zey ist Professorin für Allgemeine Geschichte des Mittelalters an der Universität Zürich. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Entwicklung des päpstlichen Legatenwesens, die Bildungsgeschichte sowie die Bedeutung von Königinnen und Fürstinnen als Herrscherinnen.


Claudia Märtl ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Entwicklung des Gesandtschaftswesens in Italien, die Historiographie, die Geschichte des Humanismus und seiner Verbreitung sowie die Sozialgeschichte der spätmittelalterlichen Kurie.

Artikel
  • Die päpstliche Kurie als internationaler Treffpunkt des Mittelalters
  • Gesandte mit beschränkter Handlungsvollmacht. Zu Struktur und Praxis päpstlich delegierter Gerichtsbarkeit
  • Delegierte Herrschaft. Innozenz VI., Kardinal Albornoz und die Eroberung des Kirchenstaates
  • Anspruch und Wirklichkeit. Der Wandel von Handlungsspielräumen und Reichweite päpstlicher Diplomatie im 15. Jahrhundert
  • Die Reichslegaten Kaiser Friedrichs II.
  • Interreligiöse Diplomatie im Mittelmeerraum. Die Krone Aragón und die islamische Welt im 13. und 14. Jahrhundert
  • Voyages et messageries. Diplomatie in Frankreich zwischen Familiarität und Funktion
  • Das Gesandtschaftswesen im spätmittelalterlichen England
  • Strukturelle Aspekte der spätmittelalterlichen Diplomatie – die Verhandlungsnormen am Anfang des Hundertjährigen Krieges
  • Grundzüge des südost­europäischen Gesandtschaftswesens im 15. Jahrhundert
  • Nürnberger Gesandte am Hof Kaiser Friedrichs III.
  • Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie – Zusammenfassung

Pressestimmen
«Einen bedeutenden Anfang zur Schliessung einer Forschungslücke im deutschsprachigen Raum bietet (unter anderem) ein intensiver Blick auf das südosteuropäische Gesandtschaftswesen, das in seiner Farbigkeit anhand von im Westen kaum bekannten, gedruckten Archivalien mitgeteilt wird und sogar das sprachlich anspruchsvolle Albanien anhand von serbokroatischen und vatikanischen Quellen einschliesst.» Das Historisch-Politische Buch

Besprechungen
Der 2008 erschienene Sammelband Aus der Frühzeit Europäischer Diplomatie bietet einen Überblick über die Vielfältigkeit der diplomatischen Praxis in Europa während des Hoch- beziehungsweise Spätmittelalters. Der von Claudia Zey und Claudia Märtl herausgegebene Band ist das Ergebnis einer Tagung, die vom 26.–28. September 2007 am Historischen Seminar der Universität Zürich stattgefunden hat. Die Herausgeberinnen steckten es sich zum Ziel, geografisch einen weit gespannten europäischen Raum abzudecken und dabei insbesondere den überregionalen und interreligiösen Gesandtschaftsverkehr zu behandeln. Rein geografisch wird tatsächlich ein grosses Gebiet erforscht. So sind darin Aufsätze über die diplomatische Vorgehensweise in Gebieten Englands, Frankreichs, Italiens, Südosteuropas, des Reichs, Spaniens und der islamischen Welt enthalten. Einzig der hanseatische Raum beziehungsweise Nordeuropa und die Eidgenossenschaft wurden nicht berücksichtigt, was für das Gesamtbild mittelalterlicher Diplomatie sicher eine Bereicherung gewesen wäre. Hinsichtlich der diplomatischen Praxis der verschiedenen Herrschaftsformen bietet der Sammelband eine grosse Bandbreite: Es kommen sowohl die Gesandtentätigkeit des Kaiserhofs unter Friedrich II. als auch diejenige der Kurie, der Königshöfe von England und Frankreich, kleiner Fürsten aus dem Balkan und der Stadt Nürnberg zur Sprache. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der diplomatischen Vorgehensweise der Kurie, da sich gleich vier Beiträge mit dem Papsttum beschäftigen: Birgit Studt untersuchte die reale Macht päpstlicher Gesandter und konnte aufzeigen, wie die Legaten der Kurie gegen das Ende des Spätmittelalters in ihren politischen Einwirkungsmöglichkeiten eingeschränkt waren. Nach Studt versuchten die päpstlichen Legaten deshalb die Gläubigen über Zeremonien, Heilsvermittlung und pastorale Fürsorge für sich zu gewinnen. Rudolf Schieffers Beitrag behandelt die Gründe, warum Rom zu einem inter­nationalen Treffpunkt und als Folge da­­von zu einem bedeutenden Begegnungsort von Diplomaten wurde. Dem Thema der päpstlichen Delegaten widmet sich Harald Müller, wobei er auf die Unterschiede zwischen päpstlichen Legaten und Delegaten eingeht. Einerseits hat es keine regelmässige Kontrolle der Delegaten gegeben und andererseits gehörten sie nicht zu den Ver­trauten des Papstes, da diese delegierten Richter aus der Gesamtkirche rekrutiert wurden. Daneben verfügten die Delegaten im Gegensatz zu den Legaten nur über eine eingeschränkte Handlungsvollmacht. Wie erfolgreich die päpstliche Legation sein kann, beweist uns Stefan Weiss am Beispiel des Generalvikars Albornoz, durch dessen Hilfe im Laufe des 14. Jahrhunderts der Kirchenstaat wieder dem Papst unterworfen worden sei. Nach Weiss geschah dies allerdings weniger aufgrund der weitgehenden Vollmachten, mit denen Albornoz ausgestattet wurde, als vielmehr wegen der günstigen politischen Lage, seinem diplomatischen Geschick und dem Geld aus Avignon. Durch Arnd Reitemeiers Untersuchung der englischen Gesandtschaft für das Konzil von Konstanz wird nochmals unterstrichen, wie wichtig Vertrauen und Erfahrung als Auswahlkriterien eines Gesandten sind. Andere Ergebnisse in Reitemeiers Aufsatz sind dagegen diskussionswürdig. Abzuklären wäre etwa, inwieweit nicht doch der Erzbischof von Canterbury oder die beiden grossen Kirchenversammlungen von York und Canterbury bei der Auswahl der Gesandten für Konzilien mitentscheiden. Zudem macht ein Blick auf das Konzil von Basel deutlich, dass nicht Adlige und Ritter, sondern vorzugsweise Theologen in der englischen Gesandtschaft vertreten waren. Nikolas Jaspert macht die interreli­giöse Diplomatie zwischen Aragón und der muslimischen Welt Nordafrikas zum Gegenstand seiner Untersuchung. Dabei vermutet er, dass zwar spezielle kulturelle Unterschiede vom Königreich Aragón ausgenutzt wurden, indem den muslimischen Gesandten etwa der ihnen ungewohnte Wein zu trinken gegeben wurde. Im Grossen und Ganzen hat aber die interreligiöse Diplomatie starke Ähnlichkeiten mit der­jenigen zwischen christlichen Herrschaften. Die Auswahl der Gesandten geschieht nach Jaspert «funktional»: In Marokko, wo Bündnisfragen im Vordergrund standen, schickte Aragón Adlige als Ge­sandte. In den östlich gelegenen Gebieten «Ifri­qiyas» waren Wirtschaftsinteressen wichtig, sodass Händler diplomatische Auf­gaben übernahmen. Ähnlich wie Reite­meier unterstreicht auch Knut Görich am Beispiel Friedrichs II., wie zentral «Vertrauen» (familiaritas) als Auswahlkrite­rium für Gesandte ist. In einem zweiten Teil beschreibt Görich, dass die kaiser­lichen Legaten öffentlich den kaiserlichen honor inszenieren. Gemäss Görich konnte dieser honor des Kaisers verletzt werden, falls die Autorität seiner Legaten und Boten nicht respektiert wurde. Martin Kintzinger behandelt die Gesandtentätigkeit in Frankreich und liefert uns einen Abriss über die neuere Forschungsliteratur und die chronika­lischen Berichte zu diesem Thema. Über die südosteuropäische Diplomatie schreibt Oliver Jens Schmitt. In Südosteuropa handelt es sich vor allem um kleine Herrschaften, die sich mit der Gefahr konfrontiert sahen, zwischen den Grossmächten Ungarn, Osmanisches Reich, Venedig und dem Papst aufgerieben zu werden. Da diese kleinen Herrschaftsgebilde um ihr Überleben kämpften, waren ihre diplo­matischen Bemühungen dementsprechend intensiv und qualitativ hoch stehend. In der Abhandlung von Franz Fuchs und Rainer Scharf werden die Gesandtschaften zweier Nürnberger Ratsherren in den Blick genommen. Dabei konzentrieren sich die Autoren vor allem auf kommu­nikations- und kulturgeschichtliche Aspekte. Nicht die grosse Politik steht im Vordergrund, sondern der geschäftliche Alltag. Zu einem ernüchternden Resultat kommt der Aufsatz von Jean-Marie Moeglin, der die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und England analysiert. Da der englische wie auch der französische König darauf bedacht waren, ihre Ehre zu wahren, hat dies im End­effekt die diploma­tische Kommunikation verunmöglicht. Am Schluss enthält der Sammelband eine sehr nützliche Synthese hinsichtlich der bei der Tagung in Zürich aufgeworfenen Fragestellungen. Es gelingt dabei Werner Maleczek sehr gut, die unterschiedlichen Themenfelder (Aufgaben der Gesandten, Quellen, soziale Zusammensetzung der Gesandten, Zeremoniell, Verhandlungsnormen, Finanzierung) mit den doch geografisch weit auseinander liegenden Herrschaften sinnvoll zu einem Überblick zusammenzuknüpfen. Was indes an Forschungsarbeit nun aber noch in Angriff genommen werden muss, ist nach der Lektüre des verheissungsvoll klingenden Bandes Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie klar: Das Frühmittelalter wurde sowohl in dem 2003 von Schwinges/Wriedt herausgegebenen Sammelband Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa als auch im aktuell vorliegenden Band von Zey/Märtl völlig weggelassen. Dafür wurde der Diplomatie des Papstes zu viel Raum gelassen und die in der Einleitung versprochene perspek­tivische Verschiebung auf die interreligiöse Diplomatie beschränkte sich schliesslich auf lediglich einen Beitrag.
Raphael Racine-Gherasimov (Bern) in Traverse 2009/3