Abgesehen von einigen soziologischen Untersuchungen waren bis vor wenigen Jahren wissenschaftliche Arbeiten zur Ausländerpolitik und Migration in der Schweiz selten. Mit der gewachsenen politischen Bedeutung von Migration und dem Erstarken (neo)nationalistischer Kräfte seit 1989 hat auch die akademische Beschäftigung damit stark zugenommen. Neben Sozialwissenschaftlern waren es in der jüngsten Vergangenheit vor allem Politologinnen, Historiker und Rechtwissenschaftler, die sich den unterschiedlichsten Aspekten der Migrations- und Ausländerpolitik widmeten. Ein Bereich blieb dabei weitgehend ausgeblendet: die Zusammenhänge zwischen dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und der Migrationspolitik seit den 1980er-Jahren in der Schweiz. Diese Lücke haben Damir Skenderovic und Gianni D’Amato mit einer Studie geschlossen, die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 40+ zum Thema Rechtsextremismus entstanden ist.
Dass man sich mit kontroversen zeitgeschichtlichen Themen auf unwegsames Gelände begibt, mussten die Autoren bereits vor dem Erscheinen ihrer Publikation erfahren. Der Studie wurde beispielsweise vom Berner Bund vorgehalten, sie würde bezüglich der Bewertung der Fremdenfeindlichkeit und Restriktionen in der Ausländerpolitik «masslos» übertreiben. Seit dem Erscheinen des Buchs ist diese Kritik wieder abgeflaut, und zwar aus guten Gründen: Die Kritik basierte nämlich weitgehend auf einem Missverständnis. Während der Rezensent des Berner Bunds die Exponenten in der Bundesverwaltung vor Augen hatte, richtet die Studie von D’Amato und Skenderovic ihren Fokus primär auf die Politik rechtspolitischer Parteien, deren Einfluss auf das direktdemokratische System der Schweiz sowie auf deren Migrationspolitik.
Gleichzeitig ist zu betonen, dass in der Schweiz des 20. Jahrhunderts eine restriktive, kultur- und wirtschaftsprotektionistische Migrationspolitik tatsächlich von zwei Seiten forciert wurde. Einerseits von den sozial- und rechtswissenschaftlichen Experten intermediärer Organisationen und des Bundes, andererseits von rechtspopulistischen Parteien und Splitterorganisationen. Während sich die Experten des Bundes vor dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich in den Dienst der sogenannten Überfremdungsbekämpfung gestellt hatten, machten sich seit den 1960er-Jahren verschiedene Splitterparteien für die Begrenzung des Ausländeranteils stark, bis die mittlerweile wählerstärkste Partei, die Schweizerische Volkspartei, sich für eine restriktive Migrationspolitik engagierte. Zur selben Zeit nahmen die Experten des Bundes und der Sozialwissenschaften eine tendenziell offenere, seit den 1990er-Jahren auch eine auf Rechtsschutz und Gleichbehandlung basierende Position ein. Diese Entwicklung in der staatlichen Exekutive erfuhr mit der Wahl von Christoph Blocher zum Bundesrat jedoch einen Dämpfer.
In einem einführenden Kapitel grenzen die Autoren Populismus und Extremismus voneinander ab und legen die Hauptmerkmale des Rechtspopulismus dar. Kennzeichnend hierfür sei ein antipluralistisches Weltbild, exklusionistische Ideologeme in der Gegenüberstellung von «wir» und «die anderen» sowie eine vermeintlich «natürliche Ungleichheit» der Menschen. Zudem zeichnen sich rechtspopulistische Parteien gemäss Skenderovic und D’Amato durch die Vorstellung einer scharfen Dichotomie innerhalb der Gesellschaft aus. So stünden sich zwei antagonistische Gruppen gegenüber: das «wahre Volk» und die «unredlichen Eliten», wozu die Bundesbehörden und wissenschaftlichen Eliten zählten. Insofern tritt hier ein bemerkenswertes Paradoxon rechtspopulistischer Parteien zutage, stützen sich diese in Migrationsfragen doch ausgerechnet auf das Überfremdungskonzept, das in der Vergangenheit von «der Elite», von Experten des Bundes und der Wissenschaften postuliert worden war.
Die Autoren legen überzeugend dar, dass rechtspopulistische Parteien, die mit Migrationsthemen politisierten, in der Schweiz eine lange Tradition besitzen. Mehr noch: Die Schweiz nehme in Europa sogar eine Art Vorreiterrolle ein. Dabei seien drei Phasen zu unterscheiden. In einer ersten Phase von 1961–1979 prägten vor allem Parteien wie die Nationale Aktion, die Vigilance und die Schweizerischen Republikaner die politischen Debatten zum Thema Migration. Bis zur Ölkrise 1973/74 bildete die Beschränkung des Ausländeranteils einen Schwerpunkt der politischen Auseinandersetzungen. Mit dem Konjunkturrückgang und der erzwungenen Rückkehr Hunderttausender MigrantInnen schwächten sich die Debatten vorübergehend wieder ab.
Die zweite Phase von 1979–1991 zeichnete sich durch eine Art Stillstand in der Migrationspolitik aus. Zu qualitativen Reformen kam es nicht. Allein die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft stellte eine bedeutende Ausnahme dar. Noch immer wurden die Positionen von rein arbeitsmarktpolitischen Erwägungen bestimmt. Zudem wurden seit den 1980er-Jahren intensiv asylpolitische Fragen thematisiert. Mit den Kleinparteien Lega dei Ticinesi und Autopartei traten dabei neue rechtspopulistische Akteure in Erscheinung.
Seit 1991 befindet sich die Schweiz in einer qualitativ neuen Phase. Nachdem sich die SVP zu einer rechtspopulistischen Partei im oben definierten Sinn gewandelt hatte, machte erstmals eine professionell organisierte, straff geführte und mit grossen finanziellen Mitteln ausgestattete Bundesratspartei Ausländerpolitik und Migration zu ihren Leitthemen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Phasen konnte nun aus einer Position der Stärke politisiert werden. Die Autoren zeigen anhand von zehn untersuchten Debatten, dass es die «neue SVP» verstand, Migration und den Umgang damit – sei es im Bereich der Niederlassung, der Einbürgerung, der nationalen Identität oder des Asyls – als dauerhaftes Problem- und Konfliktthema darzustellen. Auf diese Weise führte sie die Tradition der Überfremdungsbekämpfung weiter. Zugleich befähigte das high-profile-Thema «Migration» die SVP dazu, ihre Doppelrolle als Bundesrats- und Oppositionspartei virtuos zu spielen. Die andauernde Thematisierung habe dazu geführt, dass die Mitte-Partei CVP und die Mitte-Rechts-Partei FDP sich in Fragen der Migration der «neuen SVP» annäherten und in einer Art Selbstzensur weitgehend darauf verzichteten, eigenständige Positionen in der Migrations- und Ausländerpolitk zu entwickeln.
Die von Skenderovic und D’Amato vorgelegte Studie bietet detailreiche Informationen und viele erhellende und überzeugend vorgeführte Argumente und Analysen über den politischen Aufstieg der SVP, populistische Politikstrategien und die Vereinnahmung migrationspolitischer Fragen. Der ausschliessliche Fokus auf die rechtspopulistischen Parteien stösst allerdings an Grenzen, wenn damit die zwar schleppend vorangegangenen, aber dennoch gemachten Fortschritte in der Einbürgerungspolitik, der Personenfreizügigkeit und in einer pragmatisch ausgerichteten Integrationspolitik auf der Ebene der Bundes- und Kantonsregierungen erklärt werden sollen.
«Eine intensive Beschäftigung mit dem Terminus ‹Überfremdung› bietet die Studie von Damir Skenderovic und Gianni D’Amato. Die beiden Autoren zeichnen detailliert die Geschichte und die Strategien rechtspopulistischer Parteien in der Schweiz und ihren Einfluss auf die Migrationspolitik nach.»
«Insbesondere der lange Bogen, der von den 1960er Jahren bis in die unmittelbare Vergangenheit (2007) gespannt wird, erweist sich als geeignet, die Kontinuitäten des ‹Überfremdungsdiskurses› und die Brüche dieses Diskurses deutlich zu machen. Der vergleichenden Forschung sowohl des Rechtspopulismus als auch der Migrationspolitik bietet sich dadurch eine Vielzahl neuer Anknüpfungsmöglichkeiten. … Ein wichtiges Buch für die vergleichende Forschung».
«Ein interessantes Buch über eines der wichtigsten Themen des heutigen politischen Alltags in Europa. [...] Ein Buch für jeden Insider, den rechtspopulistische AkteurInnen interessieren, um das Phänomen etwas eingehender zu verstehen.»
«Dabei untersucht die quellenreiche Arbeit nicht nur die Auswirkungen des Mobilisierungsthemas Migration auf den Erfolg und Misserfolg von Formationen [...], sondern analysiert umgekehrt auch die Rückwirkungen der Erfolge dieser Parteien auf die Migrationspolitik.»
«Die von Skenderovic und D’Amato vorgelegte Studie bietet detailreiche Informationen und viele erhellende und überzeugend vorgeführte Argumente und Analysen über den politischen Aufstieg der SVP, populistische Politikstrategien und die Vereinnahmung migrationspolitischer Fragen.»