Bauten zwischen Emanzipation, Assimilation und Akkulturation
Fotografien von Michael Richter
In diesem reich illustrierten Buch werden erstmals die rund dreissig Synagogen der Schweiz systematisch vorgestellt. Dabei geht es nicht nur um die Abbildung ihrer Architektur, die Synagogen werden als Metapher der Veränderung der jüdischen Gesellschaft verstanden. Ron Epstein zeigt auf, wie sich in den Synagogenbauten der Schweiz die Geschichte der Emanzipation ihrer jüdischen Bevölkerung spiegelt.
Mit der rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung der Juden 1874 wurden die zu planenden Synagogen für die jüdischen Gemeinden zum geeigneten Mittel, ihr neu gewonnenes Selbstverständnis nach aussen hin zu manifestieren. Sie dokumentieren die Entscheidungs- und Planungsprozesse der Bauherrschaften und ihrer Architekten, welche bemüht waren, sich mit einem neu zu definierenden Bautypus ein zeitgemässes Gesicht zu verleihen. Die Kenntnisse über die Geschichte und Entstehung der Schweizer Synagogen ermöglichen es, den jüdischen Kultbauten einen über ihre blosse Erscheinung hinausgehenden Sinngehalt zu vermitteln. Es entstehen neue Einsichten in die Emanzipationsgeschichte der jüdischen Bevölkerung der Schweiz.
Im Gegensatz zu ihren Nachbarländern, in welchen die Französische Revolution die ersten Impulse für die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung gab, setzte die Emanzipation in der Schweiz mit grossem Verzug ein. Daher orientierten sich die bauwilligen Gemeinden an den schon zahlreichen im Ausland entstandenen Synagogenbauten.
Der schweizerische Synagogenbau wurde bestimmt durch die spezielle Einrichtung der beiden jüdischen Enklaven Endingen und Lengnau im Kanton Aargau, in welchen er seinen Ursprung fand. Der wesentliche Unterschied zur Entwicklung in den Nachbarländern liegt vor allem darin, dass die Schweiz ein Konglomerat von Kantonen unterschiedlicher politischer und kirchlicher Prägung darstellte. Die Zulassung zum Bau eines neuen jüdischen Gotteshauses wurde zum Prüfstein für das politische System, verfolgten doch die fortschrittlichen Kantone die Trennung von Kirche und Staat. Ein Konzept, das nicht ohne Konsequenzen für die emanzipationswilligen jüdischen Gemeinden blieb.
I Grundlagen
Liturgische Voraussetzungen
Synonyme des Begriffs Synagoge
Räumliche Voraussetzungen
Architektonische Elemente
Exkurs: Synagoge als Heimat
Die Reformbewegung
Synagoge und Nation
Internationaler Kontext
Architekturwettbewerbe
Finanzierung der Bauten
Die Architekten
Jüdische Architekten
Die Rolle Gottfried Sempers
Zentralbau oder Langhaus
Kuppelsynagogen
Zwischen Zweckbau und Repräsentation
Die Frage nach dem Stil
Rezeption aus jüdischer und nichtjüdischer Sicht
Zusammenfassung: Emanzipation, Assimilation, Akkulturation
II Die Synagogen
Lengnau und Endingen
Genf Beth Yaakov, 1859
Avenches, 1865–1857
Basel
Porrentruy, 1874
Die Architekten Chiodera und Tschudy
St. Gallen Frongartenstrasse, 1881
Zürich Löwenstrasse, 1884
Sturm und Drang: Die Bauten und Planungen der ICZ 1899–1993
Baden
La Chaux-de-Fonds
Fribourg, 1903
Bern
Biel, 1883
Lausanne, 1910
Delémont, 1911
Luzern, 1912
St. Gallen Kapellenstrasse, 1919
Basel Ahornstrasse, 1929
Zürich Freigutstrasse, 1924
Lugano, 1959
Zürich Erikastrasse, 1960
Genf Hekhal Haness, 1972
Mit dem Ziel, das Wissen über jüdische Kultur und das Verständnis jüdischen Lebens in der Schweiz zu fördern, gibt der SIG seit 1992 diese Schriftenreihe heraus.
«Epsteins ausgezeichnet recherchiertes Buch von hohem wissenschaftlichem Niveau und dennoch klar und allgemeinverständlich geschrieben, ist auch optisch auf vorzüglichem Stand. In Leinen gebunden, mit schönen und aussagekräftigen Fotografien von Michael Richter illustriert, wirkt dieses Buch weit wertvoller als sein Preis.»
Jüdisches Europa
«Der Autor, der als Architekt 1993 am Umbau der der Renovation der Synagoge Löwenstrasse beteiligt war, legt mit dem schön gestalteten Band eine umfassende Untersuchung über den gesamten Synagogenbau in der Schweiz vor, die weit mehr ist als eine blosse Aufzählung und Beschreibung der jüdischen Gotteshäuser.»
Caspar Schärer, Tages-Anzeiger
«So verbindet der Autor Architektur- und Kulturgeschichte, wenn er die Synagogen detailliert beschreibt, und er untersucht die identitätsstiftende Funktion des Synagogenbaus. Damit hat er nicht nur ein Kapitel jüdischer Geschichte geschrieben, sondern auch eine einzigartige Studie zur Schweizer Architektur geschaffen.»
Stefana Sabin, Schweizer Monatshefte
«Insgesamt bietet das Buch eine praktische und anregende Übersicht über den Synagogenbau und das kulturell-religiöse Selbstverständnis der jüdischen Gemeinden in der Schweiz.»
Anna Minta, Kunst+Architektur in der Schweiz