Beatrix Mesmer, Verfasserin des Standardwerks Ausgeklammert – Eingeklammert. Frauen und Frauenorganisationen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts hat die lange erwartete Fortsetzung vorgelegt. In ihrem neuen Buch untersucht sie die Politik der Frauenverbände vom Ersten Weltkrieg bis 1971, als den Schweizer Frauen das Stimm- und Wahlrecht zugestanden wurde.
Erklärtes Ziel der Autorin ist die Darstellung der politischen Lernprozesse, welche einige Generationen von organisierten Frauen durchliefen, um ihre Interessen entgegen dem herrschenden Modell der geschlechtergetrennten Lebenssphären durchzusetzen. Mesmer unterscheidet drei Perioden: die Zeit des Ersten Weltkriegs und die 1920er-Jahre als Experimentierphase bezüglich Strategien zur Legitimierung der eigenen Interessen, dann die 1930er-Jahre und die Zeit des Zweiten Weltkriegs als Phase des Rückschritts, und schliesslich die Nachkriegszeit, die 1971 endlich mit dem Ja des männlichen Souveräns zur staatlichen Gleichstellung der Frauen ihren formellen Abschluss fand.
Die knappe Hälfte des Buchs beschäftigt sich mit der innovativen Phase bis Ende der 1920er-Jahre. Der Prozess der Einbindung der Frauenvereine in die sich formierende gesamtschweizerische Parteienlandschaft zeitigte unterschiedliche Resultate. «Voll auf die Parteilinie verpflichtet» waren die SP-Frauen und der Schweizerische Katholische Frauenverein SKF, während der dominierende Freisinn sein Vereinswesen nicht formell koordinierte. Der Schweizerische Gemeinnützige Frauenverband SGF galt als «bürgerlich», ohne sich in die Partei zu integrieren. Als «Sonderfall» identifiziert Mesmer die Frauenstimmrechtsvereine. Diese waren nicht in ein Delegationssystem eingebunden; sie kämpften für ihre eigenen Interessen. Ziel der im Bund Schweizerischer Frauenvereine BSF organisierten Frauen war generell die rechtliche Besserstellung der Frauen, während der eng liierte Frauenstimmrechtsverband FSV sich explizit auf das Frauenstimmrecht konzentrierte. Beide Gruppierungen hatten eine kohärente und eigenständige Frauenpolitik zum Ziel. Der Erste Weltkrieg galt den Frauenverbänden als «willkommene Bewährungsprobe». (24) Die Leistungsfähigkeit der Frauen sollte der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Und diese Probe bestanden sie glorios. Während des Kriegs konnten sie sich relativ selbstbestimmt in Gebieten installieren, die eigentlich von Männern dominiert waren: in der zivilen Fürsorge (Rotes Kreuz), in der Armee (Verband Soldatenwohl), in der Unterstützung der Bundesfinanzen (die Nationale Frauenspende brachte mehr als 1 Million Franken zusammen), und auch in der internationalen Friedenspolitik (Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit IFFF). Generell hatten sich die organisierten Frauen während der Kriegszeit politisiert, sogar der sich auf die spezifisch weibliche Wesensart berufende SGF sah seine Tätigkeiten als nationale Arbeit. Gestützt auf diese Selbstwahrnehmung propagierte der 2. Schweizerische Kongress für Fraueninteressen 1921 eine Doppelstrategie: Hausfrauen wie auch Berufsfrauen sollten voll professionalisiert, qualifizert und entlöhnt werden – wobei der Hausfrauenlohn weniger vordringlich schien als die öffentlich-rechtliche Anerkennung als Beruf. Wirtschaftliche Emanzipation, so die Überzeugung, würde auch politische Emanzipation mit sich bringen.
Die Desillusionierung folgte Ende der 1920er-Jahre. Das Frauenstimmrecht hatte keine Chance, und im Verlauf der Wirtschaftskrise richtete sich die Doppelqualifikationsstrategie gegen die Frauen selbst. Hausfrauen konnten motiviert werden, zu Hause zu bleiben und sich im Haushalt zu professionalisieren, erwerbstätige Frauen wurden zur Manipuliermasse der Wirtschaft. Statistisch belegbar wurden sie «umgeleitet» in den Hausdienst. Gleichzeitig wurden die Lehrzeiten typischer Frauenberufe wie Köchin oder Postgehilfin gekürzt, um der Unterstellung unter die BIGA-Bestimmungen zu entgehen. Eine Generation von jungen Frauen passte sich an und wählte eine Ausbildung in minderqualifizierten Frauenberufen, wo weniger Arbeitslosigkeit drohte als in qualifizierten Berufen. Dort wurden Frauen zudem als «Doppelverdienerinnen» diffamiert und bekämpft. Unter dem Stichwort «Geistige Landesverteidigung» gewann die Propaganda Gewicht, die Forderung nach dem Frauenstimmrecht sei sozialistisch gefärbt. Die in diesem reaktionären Umfeld 1933 gegründete Arbeitsgemeinschaft Frau und Demokratie reagierte mit einem Prioritätenwechsel: die Verteidigung der Demokratie galt nun als Vorbedingung für das Frauenstimmrecht. Dieses wurde während des gesamten Zweiten Weltkriegs nicht mehr thematisiert – die Verbandspolitikerinnen suchten nach Aktionsformen, welche die antifeministische Stimmung nicht noch verstärkten. Der Einbezug von Frauen in die Landesverteidigung sollte nach dem Willen der Protagonistinnen, darunter vielen mit entsprechenden positiven Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, durch einen freiwilligen, von Frauen selbst geleiteten Hilfsdienst geschehen. Dies liess sich, anders als während des Ersten Weltkriegs, kaum mehr realisieren. Sowohl beim zivilen, und erst recht beim militärischen Frauenhilfsdienst dominierten Tendenzen, Frauenorganisationen in die Verwaltung respektive in die Armeehierarchie einzubeziehen.
Die ernüchternden Erfahrungen der unter dem Motto der Geistigen Landesverteidigung von Männergremien geleiteten und abqualifizierten Frauenverbände setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Das Frauenstimmrecht wurde nun wieder thematisiert, aber anders als etwa in Frankreich und Italien nicht eingeführt. Der 1946 abgehaltene 3. Frauenkongress verfolgte die gleichen Themen wie derjenige von 1921, keinen Schritt war frau weitergekommen. Im Gegenteil: Die Grundsätze der Aufklärung wie auch die errungenen Positionen wurden preisgegeben. Im Schlussbericht des Frauenkongresses dominierte die Propaganda der Mütterlichkeit so penetrant – «die Frau im Heim ist nicht eine Frau neben anderen Frauen, es ist die Frau schlechthin» – dass sich die Autorin explizit die Frage stellt, ob die Referentinnen tatsächlich meinten, was sie sagten – oder ob sie dieses «Gerede» bewusst in Kauf nahmen, um konservative Frauenverbände einzubinden. (241 f.) In dieser frustrierenden Situation brachen auch die Differenzen zwischen den Frauenverbänden auf. Die Bemühungen um die Bildung eines noch so losen Dachverbands sämtlicher Frauenorganisationen scheiterten. Die mächtigen Verbände der gemeinnützigen Frauen SGF und der katholischen Frauen SKF blieben dem sich neu formierenden BSF fern. Die neue Strategie des BSF sah vor, möglichst viele qualifizierte Frauen in offizielle Gremien zu bringen und im korporatistischen Machtkartell mitzumachen. So sollte der Widerstand gegen das Frauenstimmrecht geschwächt werden. Jahre voller mühsamer und frustrierender Aktionen folgten, wobei sich die Frauenverbände auch intern mit rivalisierenden Machtansprüchen das Leben schwer machten.
Die neuen Anläufe zur Einführung des Frauenstimmrechts stammten von sozialdemokratischen Vorstössen, die ihren gemächlichen Weg durch die parlamentarischen Mühlen nahmen. Argumentationen und Inhalte der Kampagnen waren weitgehend diejenigen von 1920, und das äussere Umfeld glich «in fast peinlicher Weise» demjenigen nach dem Ersten Weltkrieg. (261) Zwei Jahre vor der ersten eidgenössischen Abstimmung 1959 wurde die neu gegründete Arbeitsgemeinschaft für die politischen Rechte der Frau aktiv. Unterdessen war auch der SKF zu den Befürworterinnen gestossen. Die Saffa 1958 betrieb bezüglich Propaganda für das Frauenstimmrecht «eigentliche Selbstzensur», obwohl sie das Verhältnis der neuen Frauen- zur Männergeneration «erfrischend originell» thematisiert habe. (296, 294)
Nach der mit Zweidrittelmehrheit verworfenen Vorlage von 1959 nahm der immer gleiche Kampf bizarre Züge an. Der gesellschaftliche und politische Wandel der 1960er-Jahre manifestierte sich: hauptsächlich in welschen Kantonen wurde das Frauenstimmrecht eingeführt, in den Diskussionen um die beabsichtigte Unterzeichnung der europäischen Menschenrechtskonvention mit dem Vorbehalt Frauenstimmrecht verlor die Schweiz international an Ansehen, der Wandel der Protestkultur führte zu spektakulären Aktionen der jungen Generation wie Teach-ins und dem Marsch nach Bern 1969. Nicht zuletzt fanden die traditionellen «antifeministischen Affekte» ein neues Ziel im Kampf gegen die «Überfremdung». Die Abstimmungsvorlage 1971 war auch unter diesen neuen Bedingungen ein Kompromiss: Einführung auf eidgenössischer Ebene, auf kantonaler Ebene konnte separat abgestimmt werden – 1990 endlich war dann auch Appenzell Innerrhoden so weit.
Beatrix Mesmer hat eine kompetente und zügig geschriebene Darstellung verfasst, die zahlreiche pointierte Analysen aufweist – und leider kein zusammenfassendes Schlusswort. Wie sie betont, konnte sie auf eine Fülle von unveröffentlichten Seminar- und Lizentiatsarbeiten zurückgreifen, und die Ergebnisse der feministischen Geschichtsforschung setzt sie als Allgemeinwissen voraus. Unverkennbar ist ihre Sympathie für die innovative Zeit von der Jahrhundertwende bis zu den 1920er-Jahren. Sie führt eine fein geschliffene Feder bei der Darstellung reaktionärer Legitimationsmuster. So charakterisiert sie ein Votum gegen das Frauenstimmrecht von 1939: «Als intellektuelle Leistung war diese Antwort sicher nicht auf dem Niveau, das man von einem freisinnigen Parteipräsidenten erwarten durfte, aber sie war zumindest ehrlich.» (175)
Die Lektüre wirkt beklemmend. Generationen begabter Organisatorinnen und Vernetzerinnen rieben sich auf in einem frustrierenden und letztlich auch demütigenden Kampf. Die Autorin hat ihr Buch Marthe Gosteli gewidmet, einer jahrzehntelangen Kämpferin für das Frauenstimmrecht. Wie sähe die schweizerische Gesellschaft aus, wenn sich diese Frauen auf allen Ebenen der Politik schon 50 Jahre früher hätten engagieren können?
Heidi Witzig (Uster)
Beatrix Mesmer, Verfasserin des Standardwerks Ausgeklammert – Eingeklammert. Frauen und Frauenorganisationen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts hat die lange erwartete Fortsetzung vorgelegt. In ihrem neuen Buch untersucht sie die Politik der Frauenverbände vom Ersten Weltkrieg bis 1971, als den Schweizer Frauen das Stimm- und Wahlrecht zugestanden wurde.
Erklärtes Ziel der Autorin ist die Darstellung der politischen Lernprozesse, welche einige Generationen von organisierten Frauen durchliefen, um ihre Interessen entgegen dem herrschenden Modell der geschlechtergetrennten Lebenssphären durchzusetzen. Mesmer unterscheidet drei Perioden: die Zeit des Ersten Weltkriegs und die 1920er-Jahre als Experimentierphase bezüglich Strategien zur Legitimierung der eigenen Interessen, dann die 1930er-Jahre und die Zeit des Zweiten Weltkriegs als Phase des Rückschritts, und schliesslich die Nachkriegszeit, die 1971 endlich mit dem Ja des männlichen Souveräns zur staatlichen Gleichstellung der Frauen ihren formellen Abschluss fand.
Die knappe Hälfte des Buchs beschäftigt sich mit der innovativen Phase bis Ende der 1920er-Jahre. Der Prozess der Einbindung der Frauenvereine in die sich formierende gesamtschweizerische Parteienlandschaft zeitigte unterschiedliche Resultate. «Voll auf die Parteilinie verpflichtet» waren die SP-Frauen und der Schweizerische Katholische Frauenverein SKF, während der dominierende Freisinn sein Vereinswesen nicht formell koordinierte. Der Schweizerische Gemeinnützige Frauenverband SGF galt als «bürgerlich», ohne sich in die Partei zu integrieren. Als «Sonderfall» identifiziert Mesmer die Frauenstimmrechtsvereine. Diese waren nicht in ein Delegationssystem eingebunden; sie kämpften für ihre eigenen Interessen. Ziel der im Bund Schweizerischer Frauenvereine BSF organisierten Frauen war generell die rechtliche Besserstellung der Frauen, während der eng liierte Frauenstimmrechtsverband FSV sich explizit auf das Frauenstimmrecht konzentrierte. Beide Gruppierungen hatten eine kohärente und eigenständige Frauenpolitik zum Ziel. Der Erste Weltkrieg galt den Frauenverbänden als «willkommene Bewährungsprobe». (24) Die Leistungsfähigkeit der Frauen sollte der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Und diese Probe bestanden sie glorios. Während des Kriegs konnten sie sich relativ selbstbestimmt in Gebieten installieren, die eigentlich von Männern dominiert waren: in der zivilen Fürsorge (Rotes Kreuz), in der Armee (Verband Soldatenwohl), in der Unterstützung der Bundesfinanzen (die Nationale Frauenspende brachte mehr als 1 Million Franken zusammen), und auch in der internationalen Friedenspolitik (Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit IFFF). Generell hatten sich die organisierten Frauen während der Kriegszeit politisiert, sogar der sich auf die spezifisch weibliche Wesensart berufende SGF sah seine Tätigkeiten als nationale Arbeit. Gestützt auf diese Selbstwahrnehmung propagierte der 2. Schweizerische Kongress für Fraueninteressen 1921 eine Doppelstrategie: Hausfrauen wie auch Berufsfrauen sollten voll professionalisiert, qualifizert und entlöhnt werden – wobei der Hausfrauenlohn weniger vordringlich schien als die öffentlich-rechtliche Anerkennung als Beruf. Wirtschaftliche Emanzipation, so die Überzeugung, würde auch politische Emanzipation mit sich bringen.
Die Desillusionierung folgte Ende der 1920er-Jahre. Das Frauenstimmrecht hatte keine Chance, und im Verlauf der Wirtschaftskrise richtete sich die Doppelqualifikationsstrategie gegen die Frauen selbst. Hausfrauen konnten motiviert werden, zu Hause zu bleiben und sich im Haushalt zu professionalisieren, erwerbstätige Frauen wurden zur Manipuliermasse der Wirtschaft. Statistisch belegbar wurden sie «umgeleitet» in den Hausdienst. Gleichzeitig wurden die Lehrzeiten typischer Frauenberufe wie Köchin oder Postgehilfin gekürzt, um der Unterstellung unter die BIGA-Bestimmungen zu entgehen. Eine Generation von jungen Frauen passte sich an und wählte eine Ausbildung in minderqualifizierten Frauenberufen, wo weniger Arbeitslosigkeit drohte als in qualifizierten Berufen. Dort wurden Frauen zudem als «Doppelverdienerinnen» diffamiert und bekämpft. Unter dem Stichwort «Geistige Landesverteidigung» gewann die Propaganda Gewicht, die Forderung nach dem Frauenstimmrecht sei sozialistisch gefärbt. Die in diesem reaktionären Umfeld 1933 gegründete Arbeitsgemeinschaft Frau und Demokratie reagierte mit einem Prioritätenwechsel: die Verteidigung der Demokratie galt nun als Vorbedingung für das Frauenstimmrecht. Dieses wurde während des gesamten Zweiten Weltkriegs nicht mehr thematisiert – die Verbandspolitikerinnen suchten nach Aktionsformen, welche die antifeministische Stimmung nicht noch verstärkten. Der Einbezug von Frauen in die Landesverteidigung sollte nach dem Willen der Protagonistinnen, darunter vielen mit entsprechenden positiven Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, durch einen freiwilligen, von Frauen selbst geleiteten Hilfsdienst geschehen. Dies liess sich, anders als während des Ersten Weltkriegs, kaum mehr realisieren. Sowohl beim zivilen, und erst recht beim militärischen Frauenhilfsdienst dominierten Tendenzen, Frauenorganisationen in die Verwaltung respektive in die Armeehierarchie einzubeziehen.
Die ernüchternden Erfahrungen der unter dem Motto der Geistigen Landesverteidigung von Männergremien geleiteten und abqualifizierten Frauenverbände setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Das Frauenstimmrecht wurde nun wieder thematisiert, aber anders als etwa in Frankreich und Italien nicht eingeführt. Der 1946 abgehaltene 3. Frauenkongress verfolgte die gleichen Themen wie derjenige von 1921, keinen Schritt war frau weitergekommen. Im Gegenteil: Die Grundsätze der Aufklärung wie auch die errungenen Positionen wurden preisgegeben. Im Schlussbericht des Frauenkongresses dominierte die Propaganda der Mütterlichkeit so penetrant – «die Frau im Heim ist nicht eine Frau neben anderen Frauen, es ist die Frau schlechthin» – dass sich die Autorin explizit die Frage stellt, ob die Referentinnen tatsächlich meinten, was sie sagten – oder ob sie dieses «Gerede» bewusst in Kauf nahmen, um konservative Frauenverbände einzubinden. (241 f.) In dieser frustrierenden Situation brachen auch die Differenzen zwischen den Frauenverbänden auf. Die Bemühungen um die Bildung eines noch so losen Dachverbands sämtlicher Frauenorganisationen scheiterten. Die mächtigen Verbände der gemeinnützigen Frauen SGF und der katholischen Frauen SKF blieben dem sich neu formierenden BSF fern. Die neue Strategie des BSF sah vor, möglichst viele qualifizierte Frauen in offizielle Gremien zu bringen und im korporatistischen Machtkartell mitzumachen. So sollte der Widerstand gegen das Frauenstimmrecht geschwächt werden. Jahre voller mühsamer und frustrierender Aktionen folgten, wobei sich die Frauenverbände auch intern mit rivalisierenden Machtansprüchen das Leben schwer machten.
Die neuen Anläufe zur Einführung des Frauenstimmrechts stammten von sozialdemokratischen Vorstössen, die ihren gemächlichen Weg durch die parlamentarischen Mühlen nahmen. Argumentationen und Inhalte der Kampagnen waren weitgehend diejenigen von 1920, und das äussere Umfeld glich «in fast peinlicher Weise» demjenigen nach dem Ersten Weltkrieg. (261) Zwei Jahre vor der ersten eidgenössischen Abstimmung 1959 wurde die neu gegründete Arbeitsgemeinschaft für die politischen Rechte der Frau aktiv. Unterdessen war auch der SKF zu den Befürworterinnen gestossen. Die Saffa 1958 betrieb bezüglich Propaganda für das Frauenstimmrecht «eigentliche Selbstzensur», obwohl sie das Verhältnis der neuen Frauen- zur Männergeneration «erfrischend originell» thematisiert habe. (296, 294)
Nach der mit Zweidrittelmehrheit verworfenen Vorlage von 1959 nahm der immer gleiche Kampf bizarre Züge an. Der gesellschaftliche und politische Wandel der 1960er-Jahre manifestierte sich: hauptsächlich in welschen Kantonen wurde das Frauenstimmrecht eingeführt, in den Diskussionen um die beabsichtigte Unterzeichnung der europäischen Menschenrechtskonvention mit dem Vorbehalt Frauenstimmrecht verlor die Schweiz international an Ansehen, der Wandel der Protestkultur führte zu spektakulären Aktionen der jungen Generation wie Teach-ins und dem Marsch nach Bern 1969. Nicht zuletzt fanden die traditionellen «antifeministischen Affekte» ein neues Ziel im Kampf gegen die «Überfremdung». Die Abstimmungsvorlage 1971 war auch unter diesen neuen Bedingungen ein Kompromiss: Einführung auf eidgenössischer Ebene, auf kantonaler Ebene konnte separat abgestimmt werden – 1990 endlich war dann auch Appenzell Innerrhoden so weit.
Beatrix Mesmer hat eine kompetente und zügig geschriebene Darstellung verfasst, die zahlreiche pointierte Analysen aufweist – und leider kein zusammenfassendes Schlusswort. Wie sie betont, konnte sie auf eine Fülle von unveröffentlichten Seminar- und Lizentiatsarbeiten zurückgreifen, und die Ergebnisse der feministischen Geschichtsforschung setzt sie als Allgemeinwissen voraus. Unverkennbar ist ihre Sympathie für die innovative Zeit von der Jahrhundertwende bis zu den 1920er-Jahren. Sie führt eine fein geschliffene Feder bei der Darstellung reaktionärer Legitimationsmuster. So charakterisiert sie ein Votum gegen das Frauenstimmrecht von 1939: «Als intellektuelle Leistung war diese Antwort sicher nicht auf dem Niveau, das man von einem freisinnigen Parteipräsidenten erwarten durfte, aber sie war zumindest ehrlich.» (175)
Die Lektüre wirkt beklemmend. Generationen begabter Organisatorinnen und Vernetzerinnen rieben sich auf in einem frustrierenden und letztlich auch demütigenden Kampf. Die Autorin hat ihr Buch Marthe Gosteli gewidmet, einer jahrzehntelangen Kämpferin für das Frauenstimmrecht. Wie sähe die schweizerische Gesellschaft aus, wenn sich diese Frauen auf allen Ebenen der Politik schon 50 Jahre früher hätten engagieren können?