Um Leib und Leben
Gewalt, Konflikt, Geschlecht im Uri des 19. Jahrhunderts
Gebunden
2004. 480 Seiten, 10 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-0663-7
CHF 68.00 / EUR 44.80 
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Waren die Urnerinnen und Urner besonders gewalttätig? Mit Sicherheit nicht. Die Zahl der vor Gericht verhandelten Gewaltdelikte lag eher unter dem schweizerischen Mittel. Gerade deshalb aber erlaubt dieses Buch Einblicke in die unspektakuläre Seite alltäglicher physischer Gewalt, in die Wert- und Normvorstellungen der Menschen jener Zeit wie auch in die institutionellen und diskursiven Strategien der Verschleierung, der Dramatisierung oder der Dämonisierung einzelner Gewaltformen.
Gewalt ist nicht das «Andere der Kultur». Gewalttätiges Handeln ist mehr als das Hervorbrechen angestauter Triebe. In der vorliegenden Studie wird Gewalt konsequent als soziales Handeln verstanden: sie folgt Regeln, ist in je spezifischen sozialen Kontexten verortet, evoziert kulturelle Bilder und Vorstellungen und hat konkrete materielle, physische und psychische Folgen für die Involvierten. Gewalt ist ausserdem kein einheitliches Phänomen: je nach Situation und Form von Gewalt steht Verschiedenes auf dem Spiel, hat der Einsatz gewaltsamer Mittel unterschiedliche Effekte und Bedeutungen. In diesem Sinn untersucht und vergleicht die Studie Ehr- und Schlaghändel, nächtliche Raufereien, häusliche Gewalt gegen Kinder und Ehefrauen sowie sexuelle Gewalt. In behutsamen Fallanalysen wird nahe an den Quellentexten die Vielschichtigkeit gewalthafter Konflikte freigelegt.
Sichtbar werden dabei Dauerhaftes und Veränderbares sowie Widersprüche und Überlappungen der Ebenen sozialer «Wirklichkeit», das heisst zwischen juristisch-normativen Vorgaben, geschlechtsspezifischen Konstruktionen, kulturellen Phantasien, spezifischen Gewaltpraktiken, materiellen Interessen sowie der subjektiven Erfahrung der Beteiligten. Die detailreiche Arbeit über das Verhältnis von Gewalt und Geschlecht entfaltet zudem vielfältige Bezüge zur Alltags- und Sozialgeschichte einer alpin-bäuerlichen Gesellschaft in der wirtschaftlich-kulturellen Umbruchzeit des 19. Jahrhunderts.

Claudia Töngi, Lic. phil., Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Forschungsprogramm «Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität» (NFP 40) des schweiz. Nationalfonds. Forschungsschwerpunkte Geschlechtergeschichte, Historische Anthropologie, Körpergeschichte.
Historisches Seminar, Hirschgässlein 21, CH-4051 Basel; toengi@ubaclu.unibas.ch


Aufsätze im Chronos Verlag