Geschichte und Internet
uha. Noch nicht lange ist es her, da sorgte die Verbreitung des Computers unter den Historikern für beträchtliche Aufregung. Etliche erblickten in den neuen statistischen Methoden nicht weniger als eine potenzielle Revolutionierung ihres Fachs. Seit kurzem nun gibt das Internet Anlass zu vertieften Überlegungen und Auseinandersetzungen. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift «Geschichte und Informatik», welche die Beiträge einer letztes Jahr in Basel durchgeführten Tagung versammelt, werden die Potenziale des «world wide web» und dessen Auswirkungen auf die Geschichtswissenschaft, aber auch auf die Archive und unsere Geschichtskultur im Allgemeinen breit diskutiert. Während etwa der Bibliothekar Uwe Jochum (Konstanz) in seiner ontologisch inspirierten Schau im Internet das Ende der Geschichte überhaupt sich anbahnen sieht, verweist der Medienwissenschafter Christoph G. Tholen (Basel) in poststrukturalistischer Perspektive auf die subversive Kraft der Sprache, die sich noch jedem Versuch eines neuen Mediums, sie zu fixieren, widersetzt habe. Weitaus nüchterner fällt die Bilanz der Historiker Andreas Ineichen (Historisches Lexikon der Schweiz) und Eric Flury-Dasen (Diplomatische Dokumente der Schweiz) aus: Die Verlagerung von wissenschaftlichen Publikationen ins Internet biete ein beachtliches Spar- und Rationalisierungspotenzial, das der eigentlichen wissenschaftlichen Forschung zugute komme.
Peter Haber, Christophe Koller, Gerold Ritter (Hrsg.): Geschichte und Internet: Raumlose Orte - Geschichtslose Zeit / Histoire et Internet: Espace sans lieu - Histoire sans temps. Chronos-Verlag, Zürich 2002. 177 S., Fr. 32.-.
Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ.
Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON Samstag, 29.06.2002 Nr.148 64
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