Ein Schweizer in Urfa 1914–1918
Um es vorwegzunehmen, «Im Lande des Blutes und der Tränen» ist kein leicht zu lesendes Buch, es ist ein bedrückendes Buch, das von grossem Elend und Leid handelt: den Armenierdeportationen durch die Jungtürken zu Beginn unseres Jahrhunderts. […]
Jakob Künzler, der Augenzeuge, war als Zimmermann und als Krankenpfleger ausgebildet und hat von 1899–1922 in der von vielen Kulturen geprägten südostanatolischen Stadt Urfa gelebt. Hier kreuzten sich die Deportiertenzüge aus dem Norden, hier erfuhr er von den Betroffenen die furchtbaren Ereignisse. Urfa war auch einer der wenigen Orte, an dem die Armenier bewaffneten Widerstand leisten konnten. Zusammen mit der tatkräftigen Unterstützung seiner Frau Elisabeth hat Künzler dort im «Schweizer Spital» jahrelang nicht nur die Arbeit eines Arztes geleistet, sondern auch für alle Bedürftigen und Bedrängten Hilfsaktionen in die Wege geleitet und durchgeführt. Für seine Tätigkeit wurde ihm 1947 die medizinische Ehrendoktorwürde der Universität Basel verliehen. Das «Schweizer Spital» war zwar bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Teil der Deutschen Orient-Mission, die finanzielle Unterstützung kam aber hauptsächlich aus Basel, und so ist dieses Buch zugleich ein Dokument des Basler Engagements in Urfa und im Armenischen Hilfswerk.
«Wenn ich mich anschicke, meine Erlebnisse und Beobachtungen […] niederzuschreiben, so geschieht es in erster Linie dadurch, weil ich der einzige Neutrale bin, der all die fürchterlichen Geschehnisse […] von Anfang bis zum Ende mit angesehen hat», beginnt Künzler, und in dieser Zeugenschaft liegt der Wert und die Einzigartigkeit seines Berichts. Künzler stand nicht nur mit den Armeniern in enger Beziehung, sondern auch mit Arabern, Türken, Kurden und orientalischen Christen, deren Sprachen er beherrschte, sowie mit der jüdischen und griechischen Diaspora. Dies ermöglichte ihm vielfältige Einblicke in die verwickelten und schwer durchschaubaren Verhältnisse und ist die Grundlage seines «neutralen» Zeugnisses. Bitter ist seine Erfahrung, dass trotz dringender Appelle an die Konsuln der in Aleppo vertretenen Staaten kaum Hilfe von aussen kam.
[…]
«Künzler schildert mit einfachen Worten, dafür um so eindringlicher, das Alltagsleben in einer multiethnischen türkischen Stadt am Vorabend und während des 1. Weltkrieges. … Künzler bemüht sich sichtlich, Pauschalverurteilungen zu vermeiden.»
Peter Bartl, Das Historisch-Politische Buch
«Einer der wenigen westlichen Zeitzeugen dieser Vertreibung war der Appenzeller Krankenpfleger Jakob Künzler, der zu dieser Zeit in der Stadt Urfa ein Missionsspital leitete. Die in Vergessenheit geratenen Schilderungen dieses grossen Humanisten wurden vor kurzem neu aufgelegt. Die Lektüre dieses ergreifenden Berichts lässt nur einen Schluss zu: Die Armenier-Vertreibung war ein organisierter Massenmord.»
Neue Zürcher Zeitung
«Es war und ist bis heute einer der wenigen Augenzeugen-Berichte über das Völkermordgeschehen in dieser Stadt. Weil das Buch selbst in Bibliotheken nur noch schwer zu bekommen ist, macht ein Reprint besonderen Sinn.»
Mittelweg 36