Klara Obermüller im Gespräch mit Sigi Feigel
Wann immer es in der Schweiz um Rassismus und Antisemitismus geht, kommt man um einen Namen nicht herum: Sigi Feigel. Der Anwalt und Ehrenpräsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ist, insbesondere seit den Querelen um Raubgold und nachrichtenlose Vermögen, zu einer Instanz geworden, auf die man hört, an der man sich reibt und die kaum jemanden gleichgültig lässt.
Für den heute 77jährigen Juristen aus der Innerschweiz ist es von früh auf selbstverständlich gewesen, dass er aktiv an der Gestaltung nicht nur der jüdischen, sondern der gesamtschweizerischen Gesellschaft teilhaben wollte. Er hat sich zu unterschiedlichen Zeiten seines Lebens auf unterschiedliche Weise engagiert: als langjähriger Präsident der ICZ, der für Öffnung und Integration eintrat, als Initiant der Jugendwohnhilfe, als Gründer der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz, als Kämpfer für das Antirassismusgesetz und anderes mehr.
Im Gespräch mit der Zürcher Journalistin Klara Obermüller lässt Sigi Feigel nun sein langes und arbeitsreiches Leben Revue passieren. Er erzählt von den Besonderheiten einer jüdischen Kindheit im Kanton Obwalden, von Militärdienst und Studium inmitten des Krieges, von seiner Liebe zur Juristerei und seinem Abstecher in die Konfektion, von seinen Aktivitäten in der jüdischen Gemeinde, seinem Einsatz für Minderheiten jedwelcher Art und schliesslich von den Erfahrungen der vergangenen Monate, als die Schweiz ins Kreuzfeuer der Kritik geriet und er, Sigi Feigel, für die einen zur Zielscheibe, für die andern zum Fels in der Brandung wurde.
Sigi Feigel, was bedeutet es für Sie, jüdisch zu sein?
Es bedeutet für mich heute vor allem eine Verpflichtung. Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt und ich sehe das als eine Bereicherung , dass die Probleme, denen wir Juden begegnen, Probleme sind, mit denen auch andere Minderheiten konfrontiert sind. Das heisst, ich fühle mich verpflichtet, nach meinen Möglichkeiten dafür einzustehen, dass nicht nur die Rechte der Juden, sondern auch die Rechte anderer Minderheiten gewahrt werden. Darin liegt meines Erachtens auch ein Prüfstein für die schweizerische Demokratie.
Wann haben Sie zum erstenmal realisiert, dass mit Ihnen und Ihrer Familie etwas anders war als mit Ihrer Umgebung?
Ich muss etwa drei Jahre alt gewesen sein, und ich erinnere mich noch gut, wie ich an der Luisenstrasse in Zürich im Hinterhof unseres Hauses auf einem Mäuerchen sass. Die Sonne schien, und plötzlich hörte ich, wie jemand so etwas wie «Jud» oder «Saujud» rief. Ganz genau kann ich mich an den Wortlaut nicht mehr erinnern, aber i