«Der herrlich biedere Mann»
Vom Siegeszug des bürgerlichen Herrenanzuges im 19. Jahrhundert
Broschur
1998. 383 Seiten, 50 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905312-93-5
CHF 54.00 / EUR 32.00 
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Der Pfau wird grau: Ende des 18. Jahrhunderts wird der nüchterne dreiteilige Herrenanzug geboren. Es ist ein Akt bürgerlichen Aufbegehrens gegen aristokratische Prachtentfaltung. Im 19. Jahrhundert verliert diese männliche Hülle Farbe und Muster. Ihre Form erstarrt und entzieht sich dem System des steten Wechsels der Stile. Die spielerisch-lustvolle Gestaltung der eigenen Person wird fortan dem weiblichen Geschlechtscharakter zugeschrieben. Der Wandel der Mode wird zur Frauensache und schliesslich zum Sinnbild der Frau schlechthin. Männer hingegen, die kein sachliches Auftreten pflegen, die gefallen wollen, statt durch Diskretion zu überzeugen, werden der Unmännlichkeit bezichtigt.
Das Buch stellt den in der Geschichte der Kleidung bisher vernachlässigten Mann ins Zentrum. Durch diesen Kunstgriff wird das «Gendering der Mode» deutlich: Die Zeichen der Kleidung unterscheiden nun in erster Linie männliche «Anti-Mode» von weiblicher Mode. Gleichzeitig vollzieht sich in der Produktion und Distribution ein folgenschwerer Strukturwandel: Der für KundInnen arbeitende Schneider wird durch den Handel mit zunehmend industriell gefertigter Konfektion verdrängt. Damit wird Mode erstmals für die Massen erschwinglich. Das Leitbild des Bürgertums setzt sich für die ganze Gesellschaft durch.

Bücher im Chronos Verlag

Besprechungen
Hinweise auf Bücher Von grauen Pfauen rox. Ein doppelt herr-liches Thema hat sich die Historikerin Sabina Brändli zum Gegenstand ihrer Dissertation gewählt. Es geht um eine an sich schlichte Frage, die aber zu vielschichtigen Erörterungen führt: Wie nämlich ist es zu erklären, dass der bürgerliche Herrenanzug im 19. Jahrhundert zu einem umwerfenden Siegeszug kommen konnte, wo doch noch ein knappes Jahrhundert zuvor das männliche Wesen durchaus pfauenmässig bunt in der Welt auftrat und vom grauen Einheitsgewande noch gar nichts wissen wollte? Sabina Brändli kann aus dem vollen schöpfen. Viele neuere Arbeiten zur Geschlechtergeschichte, zur Körper- und Kostümgeschichte, aber auch mentalitäts- und kulturgeschichtliche Studien lassen sich hier beiziehen. Das Resultat der Arbeit ist beeindruckend. Der Autorin gelingt es, in ihrem gut lesbaren Stück Kultur- und Kostümgeschichte zu erklären, weshalb denn der «Pfau grau» zu werden hatte: Wie Ende des 18. Jahrhunderts der nüchterne dreiteilige Herrenanzug geboren wird, manifestiert dieser zugleich einen Akt bürgerlichen Aufbegehrens gegen die aristokratische Prachtentfaltung. Noch schlimmer im 19. Jahrhundert, wo die männliche Hülle nun jegliche Farbe und Musterung verliert und die Form erstarrt. Die lustvolle Gestaltung der «äusseren» Person wird nur noch dem weiblichen Geschlechtscharakter zugeschrieben. Männer, die gefallen wollen, werden fortan der Unmännlichkeit bezichtigt. Poveretti. Sabina Brändli: Der herrlich biedere Mann. Vom Siegeszug des bürgerlichen Herrenanzuges im 19. Jahrhundert. Chronos- Verlag, Zürich 1998. 383 S., Fr. 54.-. Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 31.12.1998 Nr. 303 46