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Von grauen Pfauen
rox. Ein doppelt herr-liches Thema hat sich die Historikerin Sabina Brändli
zum Gegenstand ihrer Dissertation gewählt. Es geht um eine an sich
schlichte Frage, die aber zu vielschichtigen Erörterungen führt: Wie nämlich
ist es zu erklären, dass der bürgerliche Herrenanzug im 19. Jahrhundert zu
einem umwerfenden Siegeszug kommen konnte, wo doch noch ein knappes
Jahrhundert zuvor das männliche Wesen durchaus pfauenmässig bunt in der Welt
auftrat und vom grauen Einheitsgewande noch gar nichts wissen wollte? Sabina
Brändli kann aus dem vollen schöpfen. Viele neuere Arbeiten zur
Geschlechtergeschichte, zur Körper- und Kostümgeschichte, aber auch
mentalitäts- und kulturgeschichtliche Studien lassen sich hier beiziehen.
Das Resultat der Arbeit ist beeindruckend. Der Autorin gelingt es, in ihrem
gut lesbaren Stück Kultur- und Kostümgeschichte zu erklären, weshalb denn
der «Pfau grau» zu werden hatte: Wie Ende des 18. Jahrhunderts der nüchterne
dreiteilige Herrenanzug geboren wird, manifestiert dieser zugleich einen Akt
bürgerlichen Aufbegehrens gegen die aristokratische Prachtentfaltung. Noch
schlimmer im 19. Jahrhundert, wo die männliche Hülle nun jegliche Farbe und
Musterung verliert und die Form erstarrt. Die lustvolle Gestaltung der
«äusseren» Person wird nur noch dem weiblichen Geschlechtscharakter
zugeschrieben. Männer, die gefallen wollen, werden fortan der Unmännlichkeit
bezichtigt. Poveretti.
Sabina Brändli: Der herrlich biedere Mann. Vom Siegeszug des bürgerlichen
Herrenanzuges im 19. Jahrhundert. Chronos- Verlag, Zürich 1998. 383 S., Fr.
54.-.
Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ.
Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 31.12.1998 Nr. 303 46