Von 1851 bis in die 1960er-Jahre wurden sogenannte Musterhäuser an Welt-, Landes- und Bauausstellungen gezeigt. Die Wohnhäuser, aufgebaut in Originalgrösse, dienten nicht nur dazu, Architektur und Möbel auszustellen, sondern zeigten auch gesellschaftliche Leitbilder und wurden für politische Narrative dienstbar gemacht. In ihnen verdichteten sich zeitgenössische Gestaltungsund Gesellschaftsdebatten, was die Häuser zu einer Quellengattung mit hohem architektur- und sozialgeschichtlichem Erkenntniswert macht.
Die Geschichte der Musterhäuser beginnt mit einem Arbeiterhaus, das 1851 an der ersten Weltausstellung in London gezeigt wurde. Die Häuser waren, wie das Ausstellungswesen, eine Begleiterscheinung der Industrialisierung: Mit ihnen wurden Waren ausgestellt, aber auch zeitgenössische soziale Probleme und Gestaltungsfragen thematisiert. Während das architektonische Konzept des Ausstellungshauses statisch blieb, veränderten sich über die Jahrzehnte die Ausstellungsinhalte und das Zielpublikum:
Das Arbeiterhaus wurde zu einem mittelständischen Einfamilienhaus, Bauern- und Ferienhäuser kamen als neue Nutzungstypologien dazu. Mit diesen wurden für die Schweiz identitätsstiftend Naturverbundenheit oder Heimatbezogenheit vermittelt, aber auch die Stadt-Land Dichotomie bewirtschaftet und instrumentalisiert.
Den Kern der vorliegenden Untersuchung bilden 26 Häuser, die zwischen 1914und 1964 an Schweizer Ausstellungen gezeigt wurden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den beiden Schweizerischen Ausstellungen für Frauenarbeit (Saffa), mit denen Frauen in der Architekturgeschichte als Akteurinnen sichtbar gemacht werden können.