Kapitalismus und Demokratie sind weltweit in der Krise. Ein global agierender, vom Finanzmarkt getriebener Kapitalismus führt zu extremer Machtballung bei multinationalen Konzernen und zu massloser Bereicherung einer dünnen Oberschicht. Die Demokratie westlich-liberalen Typs, eine Errungenschaft der Moderne, droht an Klimakatastrophen, gesellschaftlicher Spaltung und geopolitischen Konflikten zu scheitern. Gelingt es der Schweiz dank direkter Demokratie besser als repräsentativen Demokratien, das entfesselte Finanzkapital zu bändigen?
Eine Analyse der 528 Volksabstimmungen auf Bundesebene seit 1945 zeigt: In 130 Fällen sind Volk und/oder Stände den Parlamentsbeschlüssen nicht gefolgt; die politischen Eliten mussten nachbessern. Wie hat sich das ausgewirkt? Kaum ein Land ist kapitalistischer als die Schweiz, hat eine ungerechtere Vermögensverteilung und dient so schamlos den Interessen des internationalen Kapitals. Ist die direkte Demokratie eine raffinierte Institution, die den Kapitalismus samt Auswüchsen zu legitimieren versteht und uns über gefährliche Krisen hinwegtäuscht? Wie die Geschichte der Abstimmungen zeigt, ist das Volk im Laufe der Jahrzehnte kritischer geworden und nutzt seine Instrumente Referendum und Initiative öfter. Aber auch die politische Elite ist cleverer als früher: Sie fährt heute prozentual weniger Niederlagen ein. Unsere Institutionen sind also lernfähig. Haben sie das Potenzial, die Gesellschaft rechtzeitig auf den Weg in eine gerechtere, nachhaltige Zukunft zu bringen? Und wie steuern wir den dazu nötigen Transformationsprozess?