Erfahrene Jodlerinnen und Jodler in der Region um den Alpstein verfügen über ein eindrückliches Repertoire an Jodelmelodien, die sie klar unterscheiden, einzeln benennen und jederzeit abrufen können, von denen Unkundige sagen mögen: «Die hören sich ja alle gleich an.» Die Art der Mehrstimmigkeit, das langsame Tempo und die sich wiederholenden Jodelsilben erschweren Aussenstehenden das Erkennen der Struktur und des Formverlaufs einzelner Melodien. Da die Jodlerinnen und Jodler in der Lage sind, eine grosse Anzahl formähnlicher Jodelmelodien leicht zu differenzieren, stellt sich die Frage, ob sie dazu besondere Hör- und Memorierungsstrategien anwenden.
Diese Frage zusammen mit dem Sachverhalt, dass die Melodien mündlich weitervermittelt werden, machen die Gesangs- und Jodelkultur der Nordostschweiz für musikkognitive Forschungen interessant. Da sich die Vorgänge der Differenzierung und Memorierung von Melodien sowohl bewusst als auch unbewusst individuell abspielen, führt die vorliegende Untersuchung musikanalytische Vorgehensweisen mit Methoden musikethnologischer Feldforschung zusammen. Die Resultate tragen dazu bei, die kognitiven Aspekte des Jodelns in der Alpsteinregion zu verstehen und sie als Diskussionsmaterial in die Forschung einzubringen.
Das Jodeln erlebte in den letzten zwanzig Jahren eine Popularisierung, die über die untersuchte Region hinausführt. Viele Menschen finden über Kurse, Workshops oder Konzerte zur eigenen Jodelstimme. Die vorliegende Studie stellt der sich entwickelnden Jodelpädagogik interessante Anhaltspunkte zur Verfügung.
«Aufschlussreich- und detailreich sind die Beiträge über die kognitive Verarbeitung von Musik und die Verbreitung und Überlieferung des Naturjodelrepertoires in Jodelklubs.»
«Über 3000 Jodel-Melodien: So gross ist der Schatz der Naturjodelsammlung des Roothuus Gonten, dem Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik. Es sind Melodien, die von Jodlerin zu Jodler nur mündlich weitergegeben werden. Doch wie können sich die Jodlerinnen und Jodler all diese Melodien merken? Eine Frage für die Wissenschaft: Kognitionswissenschafter Raymond Ammann und sein Team von der Hochschule Luzern suchten Antworten.»
Vollständiger Beitrag (3:50)
«Wie gelingt es Jodlerinnen und Jodlern, sich eine Fülle an Jodelmelodien zu merken - welche für Laien alle sehr ähnlich klingen? Dieser Frage widmete sich ein Forschungsteam der Hochschule Luzern Musik zusammen mit dem Roothuus Gonten. Das Ergebnis zeigt: Häufig werden die Melodien mit emotionalen Erlebnissen verknüpft - und oftmals reicht es, wenn die Interpreten den Anfang einer Melodie auswendig wissen. Der Rest ergibt sich dann quasi von selbst.»
Vollständiger Beitrag (6:43)