Wann haben Sie Ihrer Atmung zum letzten Mal Aufmerksamkeit geschenkt? Als die Luft im Zug stickig war? Oder als ein Werbeplakat daran erinnerte, wieder einmal durchzuatmen? Das Buch deutet die vermeintliche Nebensache Atmen als Kulturtechnik. Ansätze der Körperphilosophie von Jean-Luc Nancy aufnehmend, folgt die ethnografische Arbeit dem Atmen durch seine Bedeutungen im Alltag.
Ein Überblick über die jüngere Diskussion des Körperbegriffs in den Sozialwissenschaften sowie die Arbeit am Begriff des Rhizoms, verstanden als Praxis der angewandten Forschung, bilden die konzeptionelle Grundlage, aus der die Vertiefung der Themen Luftverschmutzung, Atemnot und Achtsamkeit hervorgeht. Bei der Erörterung dieser Themen übernimmt das Atmen die Hauptrolle. Die Schwerpunkte werden historisch situiert und ethnografisch mittels Diskursanalysen, Experteninterviews und teilnehmender Beobachtungen untersucht. In den Auswertungen wird das Potenzial einer Reflexion ausgelotet, die dazu anregt, nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich regelmässig zum Forschungsgegenstand, dem Atmen, zurückzukehren. Gerade die Verschränkung der beiden Betrachtungsweisen, Körperlichkeit und gesellschaftlicher Diskurs, öffnet den Blick für eine innovative Kulturanalyse des Körpers.
In dieser Publikationsreihe des Instituts für Populäre Kulturen der Universität Zürich stehen Dissertationen im Vordergrund. Die Beiträge sind einem alltagskulturellen Zugang verpflichtet und umfassen historische und gegenwartsbezogene Probleme, Ethnografien von ländlichen und urbanen Lebenswelten, theoretische Diskussionen sowie Analysen konkreter Objekt- und Symbolkulturen.
«Dass eine empirische Auseinandersetzung mit den zahlreichen kulturellen Werten und Praktiken dieses zunächst rein biologisch erscheinenden Vorgangs ebenso nötig wie möglich ist, war Aurelia Ehrensperger bereits vor den Pandemie-Jahren klar – und darin liegt auch das große Verdienst ihrer Arbeit: Die Autorin hat das um zentrale Forschungsfelder wie Körperwissen, Umweltwahrnehmung und Medizingeschichte kreisende Thema Atmung im Vielnamenfach Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie/Empirische Kulturwissenschaft (ehem. Volkskunde) erstmals umfassend beleuchtet. [...] es [ist] der Autorin gelungen, Zugänge zu einer geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungslücke zu finden und das Atmen damit als ernstzunehmenden kulturellen Bereich anknüpfungsfähig zu machen.»