Erbaut in den Jahren 1930–1932, gilt die Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich-Wollishofen als wichtigstes Wohnensemble der Schweiz aus der Zwischenkriegszeit. Seit 2010 unter Denkmalschutz, ist dieses herausragende Beispiel des Neuen Bauens architekturhistorisch gut erforscht, doch fehlte bislang eine Darstellung der Baugenossenschaft, die das grosse Werk ermöglichte und es bis heute trägt. Ihre Geschichte wird hier erstmals erzählt.
Die Baugenossenschaft Neubühl verstand sich immer als eine «ideelle», die nicht nur günstigen Wohnraum schaffen und verwalten wollte, sondern auch Wert auf Gemeinschaft und aktives Zusammenleben der Menschen legte. Da die Siedlung Neubühl viele Jahre lang als eine Art isolierte Wohninsel vor den Toren der Stadt lag, entwickelten Genossenschafterinnen und Genossenschafter ein ausgeprägtes Selbstverständnis als Bewohner eines etwas speziellen Dorfes. Die Publikation zeigt, wie deren Ansprüche mit der Realität in Konflikt gerieten, welche alltäglichen Probleme sich aus dieser Spannung ergaben und wie man versuchte, diese zu lösen. Als ein roter Faden zieht sich die Frage durch die Arbeit, weshalb es nicht gelang, die Wohninsel als «Dorf vor der Stadt» zu bewahren, und warum erst im Jahr 2000 ein Neubau eingeweiht werden konnte.
Spezielles Augenmerk richtet das Buch auf die zahlreichen politischen Flüchtlinge, die zwischen 1933 und 1945 in der Siedlung Unterschlupf fanden. Besonders diese Kapitel verdeutlichen, wie stark die grosse Geschichte auf das kleine Dorf vor der Stadt einwirkte.
«Das Buch weist eine faszinierende Tiefe auf, überrascht in jedem Kapitel mit neuen Perspektiven und Facetten, die als Teil der spezifischen Entwicklungen verstanden werden können. Auf der Grundlage diverser Archivbestände, insbesondere desjenigen des Archivs der Baugenossenschaft selbst, Gesprächen des Autors mit BewohnerInnen sowie seinen eigenen, sorgsam reflektierten und behutsam eingebrachten Erfahrungen als Bewohner und zeitweise Vorstandsmitglied, entsteht in Im Dorf vor der Stadt ein genaues Bild von Entwicklungen der Siedlung. Damit liegt eine detaillierte Aufarbeitung der Geschichte Neubühls vor.»
«Das neu erschienene Buch ‹Im Dorf vor der Stadt. Die Baugenossenschaft Neubühl, 1929–2000› rückt die Genossenschaft ins Zentrum, die sich hinter der Siedlung verbirgt. Ihre Geschichte spiegelt das damalige Leben in Zürich genauso wie schweizweite gesellschaftliche Veränderungen. Die umfangreiche Dokumentation handelt vom Ringen um die Finanzierung und die ersten Mieter, von politischen Widerständen und dem Schicksal politischer Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs. Sachthemen sind verflochten mit den Geschichten von Bewohnerinnen, Unterstützern und prominenten Besuchern. Der Autor Emanuel La Roche hat mit den Informationen aus Sitzungsprotokollen, Briefen und Gesprächen ein lebhaftes Bild vom Neubühl kreiert.»
Vollständige Rezension
«Ein neues Buch beschreibt die aufregende Geschichte einer Siedlung, in der fast alles anders war. [...] Der Autor beleuchtet nicht nur die Architektur, sondern interessiert sich ‹für die Menschen, die darin wohnen und gewohnt haben›. Und da wird das Buch – und das ist das Spannende – weit mehr als die Geschichte einer Siedlung. [...] Im Grunde ist das Buch ‹die Geschichte eines Dorfes›, schreibt La Roche. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner lebten lange dort, 60 Jahre und mehr.»
«Das Buch von Emanuel La Roche ist weit mehr als die Geschichte einer kleinen, neuartigen Wohninsel am Rand einer Schweizer Stadt. Es ist die Geschichte eines geistigen Aufbruchs – und der Widerstände auf die er gestossen ist. Und es ist auch eine Mediengeschichte.»
«Wie haben viele Zürcher und Schweizer in jener Zeit getickt? Das Buch sagt viel über den Zustand unserer Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit und danach. In diesem Sinn ist das Werk auch eine wertvolle soziologische Auslegeordnung.»
«Dieses neue Zürich-Buch […] ist nicht nur interessant, sondern stellenweise so spannend wie das Alltagsleben!»
«‹Obwohl nicht als Dorf im landläufigen Sinne geplant, wandelte sich die Siedlung Neubühl im Bewusstsein ihrer Bewohnerinnen und Bewohner rasch zu einem gefühlten, wenn auch etwas speziellen Dorf›, schreibt La Roche in seinem umfangreichen Werk, das nicht nur Genossenschafterinnen und Genossenschafter interessieren dürfte.»
«Selbst Picasso rühmte diese Zürcher Siedlung. [...] Die Architekten planten das Neubühl, als wäre es ein Ferienort: Ein Garten auf dem Dach, grosse Fenster, um das Gefühl von Sonne, Licht und Luft zu verstärken. [...] Heute gilt die gemeinnützige Werkbundsiedlung als Ikone des Neuen Bauens.»
«Es ist spannend und lehrreich, das Innenleben [von] Genossenschaften kennen zu lernen. Jetzt gibt es abseits der organisierten Publizität im Internet eine solche Gelegenheit: ein Buch, an dem der Historiker Emanuel La Roche, selber Wohnbaugenossenschafter und ehemaliger Funktionär, während mehr als fünf Jahren uneigennützig und hoch kompetent gearbeitet hat. Es ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend.
[…] Emanuel La Roche hat viele lebenspralle Einzelheiten aus dem grossen Neubühl-Archiv geschöpft. Er zeichnet die grossen Lebenslinien des wichtigen Werks nach – ebenso wie die Spiessigkeit und Engherzigkeit vieler Menschen im Alltag, wo es zum Beispiel eine Haustierkommission brauchte, um das Zusammenleben von Hund, Katz und Mensch zu regeln.
Wer dieses Buch liest, lernt nicht nur – anhand eines prominenten, aber etwas ungewöhnlichen Beispiels – ein Stück Zürcher Sozialgeschichte kennen, sondern geniesst auch eine kurzweilige Verhaltensstudie.»