Als Die Hinterlassenschaft von Walter Matthias Diggelmann 1965 im Münchner Piper-Verlag erschien – der Schweizer Benziger-Verlag wollte das in verschiedener Hinsicht unzeitgemässe «Pamphlet» trotz Vertrag nicht publizieren –, wurde der Roman in der Schweiz umgehend zu einem literarischen und politischen Ereignis und sein Verfasser im eisigen Klima des Kalten Kriegs systematisch in die kommunistische Ecke gedrängt. Der «erfundene Tatsachenbericht» verschränkte mit ästhetischen Verfahren der Dokumentarliteratur den Antisemitismus und die restriktive Flüchtlingspolitik der Schweiz in den Dreissiger- und Vierzigerjahren mit dem helvetischen Antikommunismus der Fünfzigerjahre. Noch vor Alfred A. Häsler, Max Frisch oder Niklaus Meienberg lancierte Diggelmann als einer der prononciertesten Repräsentanten der Littérature engagée mit seinem wichtigsten Roman die Kontroverse um die öffentliche Funktion der Literatur in der Schweiz neu.
«Walter Matthias Diggelmann gehörte zu den oppositionellen Kreisen in der Schweiz, die das Schweigen über die jüngere Vergangenheit und das Verdrängen kritischer Stimmen nicht mitmachen wollten. Das Erscheinen seines Romans löste einen Skandal aus. [...] Diggelmanns Weg und die Kontroversen um ihn lassen sich jetzt in einer kommentierten Neuauflage seines Buches ‹Die Hinterlassenschaft› nachlesen. Die Literaturwissenschaftlerin Margit Gigerl verfolgt die im Roman erwähnten oder angedeuteten Bezüge zu Personen und Ereignissen der Zeitgeschichte und beleuchtet in einem ausführlichen Nachwort die Entstehungsgeschichte des Romans sowie seine Nachwirkungen. Das ist für alle von Interesse, die sich fragen, wie die Schweiz ihre Geschichte des vergangenen Jahrhunderts verarbeitet hat. Diese Geschichte entlässt uns nicht aus ihren Fängen, wie unlängst der ‹Fall Bührle› gezeigt hat.»
«Der etwas vergessene Zürcher Autor Walter Matthias Diggelmann zog in seinem Roman ‹Die Hinterlassenschaft› die Schweiz in die Mitverantwortung für die Judenverfolgung der Nationalsozialisten. [...] Der Autor verpackte seine Botschaft in eine erzählerische Rahmenhandlung. [...] Diggelmann vermischte in dieser Geschichte Erfundenes mit Zeitgeschichtlichem. Wie im Nachwort zu lesen ist, brachte ihm dieses Vorgehen Kritik ein – abgesehen von den Vorbehalten, die von bürgerlicher Seite zu erwarten waren. Heute mutet der Roman geradezu modern an, ist das Genre Doku-Fiction doch in allen Medien verbreitet.»