Die verlorenen Töchter

Der Verlust des Schweizer Bürgerrechts bei der Heirat eines Ausländers. Rechtliche Situation und Lebensalltag ausgebürgerter Schweizerinnen bis 1952

Gebunden
2019. 456 Seiten, 9 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1504-2
CHF 48.00 / EUR 48.00 
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Bis 1952 verloren Tausende von Schweizerinnen das Bürgerrecht, weil sie einen Ausländer heirateten. Für die betroffenen Frauen bedeutete der Verlust des Bürgerrechts eine Einschränkung ihrer Grundrechte. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus in der Schweiz, Berufsverbote oder mangelnder Zugang zu Sozialunterstützung führte zu Diskriminierung und Ausgrenzung. Der Grund für den Verlust des Bürgerrechts lag in der sogenannten Heiratsregel, die der Braut das Bürgerrecht des Ehemanns aufzwang und in ganz Europa Anwendung fand.
Während andere Staaten seit 1914 Reformen vorantrieben, verschärfte die Schweiz im Zweiten Weltkrieg sogar die Regel. Erst nach 1945, als der skandalöse Umgang mit ausgebürgerten Schweizerinnen im Krieg – etwa den verfolgten und ihrem Schicksal überlassenen Jüdinnen – ans Licht kam, gelang es Frauenorganisationen gemeinsam mit fortschrittlichen Politikern und Staatsrechtlern, im neuen Bürgerrechtsgesetz von 1952 eine Wende herbeizuführen.
Silke Margherita Redolfi ergründet die Ursachen dieser Rechtsprechung, untersucht die Haltung der Behörden und geht den Schicksalen der Betroffenen nach. Die Studie macht deutlich, wie Behördenmacht, Ausgrenzung, Verfolgung und Staatsinteressen ineinandergriffen und wie die Schweizer Politik und die Rechtsauffassung vom sogenannten Gemeinwohl besonders im Zweiten Weltkrieg menschenverachtende Züge annahmen. Damit leistet sie einen Beitrag zur Schweizer Rechtsgeschichte und zur Schweiz im Zweiten Weltkrieg.

(1964) ist Historikerin und Archivarin sowie Leiterin des Frauenkulturarchivs Graubünden. Sie studierte Allgemeine Geschichte an der Universität Basel. Zahlreiche Publikationen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte.


Aufsätze im Chronos Verlag

Pressestimmen

«Die Historikerin Silke Margherita Redolfi hat [...] mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesprochen, Schicksale aufgearbeitet und ist der damaligen Rechtsprechung auf den Grund gegangen. Nun liegt die Dissertation als Buch vor, das auch für Nicht-Historikerinnen und -Historiker lesenswert ist. Eine Lektüre, die oft wütend macht und einen ungläubig den Kopf schütteln lässt, eine Reise in eine Zeit, die gar nicht so lange zurückliegt, die aber doch zuweilen so fremd anmutet. Besonders eindrücklich lesen sich die Schicksale der Betroffenen, die Lebensgeschichten von Frauen, die mit ihren Kindern von der Ausweisung bedroht waren, Frauen, die in psychiatrischen Kliniken ‹versorgt›, andere, die aus der Schweiz verbannt wurden. Ein Stück Schweizer Geschichte, das mehr ist als verstaubte Akten. Ein Stück Schweizer Geschichte, das wir nicht vergessen dürfen.»

Drogistenstern, 2-3/2021, Bettina Epper

«Mit ihrer geschlechterspezifischen Perspektive auf die Entwicklung der schweizerischen Staatsräson und der Funktion des weiblichen Bürgerrechts im 20. Jahrhundert schliesst Silke Redolfis Dissertation eine klaffende Forschungslücke.»

SZG/RSH/RSS 71/2 (2021), Dominique Lysser

«In den Unterlagen meiner verstorbenen Mutter habe ich ein abgegriffenes Dokument gefunden, das den Titel trägt: ‹Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht›. Durch die Heirat mit einem Deutschen, der sich als Soldat gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in die Schweiz abgesetzt hatte, verlor sie ihre Staatsangehörigkeit. [...] Die Geschichte meiner Mutter hat mich dazu bewogen, mich diesem Buch zu widmen. Ich meine, die Lektüre hat sich gelohnt!»

P. S., 20. März 2020, Kurt Seifert

«Frauen hatten bis 1952 keine eigenständige Stellung, was in alle Lebensbereiche hineinwirkte. Die Historikerin Silke Margherita Redolfi befasst sich intensiv mit diesem Thema. Das soeben erschienene Buch ist ein Baustein zur Schweizer Gesellschaftsgeschichte, es erzählt und erklärt die rechtliche Situation wie auch den Lebensalltag ausgebürgerter Schweizerinnen.»

Engadiner Post, 24. November 2019, Elisabeth Bardill

«Bis 1952 galt in der Schweiz die Heiratsregel, die einer Schweizerin bei einer Heirat mit einem Ausländer das Bürgerrecht wegnahm. Auch in Graubünden gab es solche Schicksale. Silke Margherita Redolfi hat in ihrem neuen Buch Die verlorenen Töchter die persönlichen Folgen für diese Frauen aufgearbeitet.»

Ganzer Beitrag

SÜDOSTSCHWEIZ Zeitung Radio TV Online, 20. November, Simone Zwinggi

«Cun maridar in um d’in auter origin, perdeva ina dunna svizra (enfin 1952) automaticamain ses dretg da burgaisa. La Marella sa fatschenta cun l’origin e las consequenzas da questa lescha discriminanta.»

Vollständiger Beitrag (42.49)

RTR, 6. November 2019, Astrid Alexandre

«Igl sieus cudesch, c’e gest cumparieu, e egn impurtànt elemaint da l’istorgia da la sozietad svizra. El raquenta a sclarescha la situaziùn da las dunas discriminadas a dascriva la veta da mintgagi da las Svizras sburghe sadas antoc’igls 1952.»

Quotidiana, 29. Oktober 2019, Elisabeth Bardill

Interview mit Silke Margherita Redolfi

Doppelpunkt, Nr. 37/2019, Christine Schnapp

SRF online, 21. August 2019, Sabine Bitter

«Durch Heirat ausgebürgert. Bis 1952 verloren Frauen die Schweizer Staatsbürgerschaft, wenn sie einen Ausländer heirateten: Die Heiratsregel machte sie und deren Kinder zu Fremden im eigenen Land.»

Ganzer Hörbeitrag

SRF 2 Kultur, Kontext 56:05 Minuten , 19. August 2019, Sabine Bitter

«Tausende von Frauen verloren bis 1952 ihre Bürgerrechte, weil sie einen Ausländer heirateten. [...] Welche Folgen dies für die Frauen haben konnte, zeigt die Historikerin Silke Margherita Redolfi auf. In ihrem eben erschienenen Buch ‹Die verlorenen Töchter› beschreibt sie, wie Betroffene der Willkür von Ämtern ausgeliefert waren. Es ist ein beklemmendes Werk, das nicht nur einzelnen Frauen eine Stimme gibt, sondern auch die historischen Hintergründe aufarbeitet. [...]

Während Staaten wie Belgien, Frankreich oder die skandinavischen Länder in den 1920er-Jahren den Bräuten zugestanden, ihre Staatsangehörigkeit in die Ehe zu bringen, verschärfte die Schweiz 1941 die Heiratsregel. Per Notrecht, im Zuge der nationalen Abwehr im Zweiten Weltkrieg. [...] Die Heiratsregel zerstörte auch Existenzen oder gar Leben. Insbesondere im Zweiten Weltkrieg nahm die Regelung menschenverachtende Züge an, hält Historikerin Redolfi fest. ‹Heimschaffungen› hiess das Instrument, das den Schweizer Behörden ermöglichte, unliebsame Personen an die Grenze zu stellen. Wegen unsittlicher Lebensführung. Wegen Armut. Wegen Krankheit. Die Behörden schreckten selbst dann nicht vor Abschiebung zurück, wenn die gebürtigen Schweizerinnen das Heimatland ihres Mannes noch nie betreten hatten.

Ein besonders düsteres Kapitel, das Redolfi beleuchtet, ist jenes von psychisch kranken Frauen. Damit sie – wie arme Familien – den Gemeinden nicht zur Last fielen, wurden sie teilweise abgeschoben. [...] Einige Frauen bezahlten sogar mit ihrem Leben. [...] Zum Beispiel Lea, die als Schweizerin in Buenos Aires und Zürich aufwuchs. 1937 heiratete sie den Franzosen Ernest und zog zu ihm nach Nancy. Sämtliche Versuche ihrer Familie scheiterten, Lea nach dem Einfall der Deutschen in die Schweiz zurückzubringen. Die Historikerin Redolfi hält fest: ‹Der Verlust des Bürgerrechts führte dazu, dass sie keinen diplomatischen Schutz der Schweiz beanspruchen konnte und ihren Schergen – mit Wissen der Schweizer Behörden – ausgeliefert war.› Lea und ihr Sohn wurden in Auschwitz ermordet, ihr Mann Ernest im KZ Mauthausen.»

Schweiz am Wochenende, 13. Juli 2019, Annika Bangerter