Ein Mann des Volkes

Aufstieg und Fall des Thurgauer Politikers Ulrich Baumann (1851–1904)

Broschur
2018. 136 Seiten, 27 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1462-5
CHF 29.00 / EUR 29.00 
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Wie wird man als Bauernsohn vom Land im 19. Jahrhundert Jurist? Wie wird man als linker Demokrat im vom Freisinn beherrschten Thurgau des frühen Bundesstaats zum Ständerat gewählt – als «Mann des Volkes» gegen die freisinnige Elite? Und wie geht das Leben weiter, wenn man kurz darauf in der Irrenanstalt landet? Das Leben eines längst vergessenen Provinzpolitikers gibt Einblicke in eine Epoche der Schweizer Geschichte, die wenig bekannt ist.

Dieses kaum dokumentierte, aber aussergewöhnliche Leben wirft zum einen ein Schlaglicht auf das Bildungswesen des 19. Jahrhunderts im damals fortschrittlichen Thurgau, zum andern erhellt es einen Wendepunkt der politischen Entwicklung der Schweiz. Der schweizweit kommentierte thurgauische Ständeratsersatzwahlkampf von 1889 ist einer jener Momente, welche die Krise der freisinnigen Alleinherrschaft sichtbar machen und zur Umgruppierung der politischen Kräfte um 1890 führen. Das moderne Parteiensystem entsteht: Die Liberalen verbünden sich mit den Katholisch-Konservativen, um gemeinsam die aufstrebende Linke in Schach zu halten. Die kurze Karriere eines Lokalpolitikers am linken Rand des politischen Spektrums ist ein Mosaikstein dieser Veränderung.

Die Hälfte der letzten fünfzehn Jahre seines Lebens verbrachte Ulrich Baumann in Irrenanstalten. Das Buch dokumentiert anhand der Krankenakte ein damals nicht seltenes Schicksal: das Leiden an den Spätfolgen der Syphilis und die Hilflosigkeit von Medizin und Psychiatrie im Umgang damit.

Werner Baumann ist Historiker, promovierte und publizierte zur modernen Agrargeschichte der Schweiz. Er arbeitete als Lehrer und Rektor am Gymnasium Oberwil (BL) und lebt in Basel.

Historiker, promovierte und publizierte zur modernen Agrargeschichte der Schweiz. Er arbeitete als Lehrer und Rektor am Gymnasium Oberwil BL, lebt in Basel.


Aufsätze im Chronos Verlag

Pressestimmen

«Wie ist Baumanns ‹Wahn›, der sich ja auch in anderen Phantasien hätte manifestieren können und der von den Ärzten nie zu entschlüsseln versucht wurde, jenseits des somatischen Befunds der Syphilis zu deuten? Es treten in den überlieferten Reden und Ausbrüchen nicht nur Baumanns politische Themen auf, die Demokratisierung, religiöse Toleranz und nationale Selbstbehauptung gegenüber den umliegenden Monarchien.

Der Wahn macht – in der Selbstwahrnehmung Baumanns – auch die Hybris des Bauernsohns sichtbar, der angetreten ist, seine Herkunft hinter sich zu lassen, um in Bern in das nationale Firmament aufzusteigen. Gerade als er oben angekommen scheint, stürzt er sich selbst. Warum es so gekommen ist, bleibt sein Geheimnis, das auch ihm rätselhaft gewesen sein dürfte.»

Neue Zürcher Zeitung, 13. Dezember 2021, Urs Hafner

«Die Nachwahl zum Ständerat im Kanton Thurgau im Januar 1889 wurde überaus polemisch geführt und endete mit einer Sensation. Erstmals seit über zwanzig Jahren fiel der freisinnige Kandidat durch. Stattdessen wurde Ulrich Baumann gewählt, der einen linksdemokratischen Standpunkt vertrat.

Der Urgroßenkel Werner Baumann zeichnet in der vorliegenden Studie die kurze politische Laufbahn seines Vorfahren nach und fragt, welche Gruppen diesen 1889 unterstützten, unter welcher Voraussetzung er gewählt wurde und welche Bedeutung die Thurgauer Ständeratswahl für das Parteienspektrum in der Schweiz hatte. [...]

Ausgehend von der Thurgauer Ständeratswahl des Jahres 1889 kann Baumann aufzeigen, wie es zu diesem Zeitpunkt zur Ausdifferenzierung des Parteienspektrums in der Schweiz kam und gleichzeitig zum Ende der Alleinherrschaft des Freisinns, der sich nunmehr auch gezwungen sah, andere Gruppen am politischen Entscheidungsprozess partizipieren zu lassen. Gleichermaßen eindrücklich wie erschreckend ist zudem die Darstellung der Verhältnisse in psychiatrischen Kliniken im 19. Jahrhundert.»

Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, 1/2019, Michael Kitzing

«[Die kleine Schrift] erinnert nicht nur an das Leben eines Menschen, in dem sich Typisches an Untypischem reibt, sondern zugleich an eine Epoche, in der die moderne Schweiz wirtschaftlich und politisch Gestalt annahm. Damit weist das Buch auch über das individuelle Schicksal Baumanns hinaus.»

vpod bildungspolitik Nr. 210 / März 2019, Martin Stohler

Buchbesprechung von Rolf App