Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier
Der Solothurner Komponist Hermann Meier (1906–2002) verfolgte in seinem Schaffen visionäre Ideen. In den 1950er Jahren löste er sich von bekannten Verfahren der Avantgarde und imaginierte anhand grossformatiger Kompositionspläne seine «Mondrian-Musik», eine musikalische «Architektonik mit Rechtecksfeldern». Zeit seines Lebens kaum aufgeführt, wird Meier heute als wichtiger Vertreter der Avantgarde in der Schweiz entdeckt. Der Komponist Hermann Meier war ein ebenso eigenwilliger wie origineller Künstler. Obschon er als Dorfschullehrer im abgelegenen Zullwil (Kanton Solothurn) lebte, verfolgte er die aktuellen Kunstströmungen mit grösster Aufmerksamkeit. Ausgehend von einer eigenen seriellen Theorie löste Meier sich in den 1950er Jahren von melodischen Kompositionsverfahren und arbeitete mit hart geschnittenen Klangflächen. Im hohen Alter konzipierte er jahrelang ausschliesslich elektronische Werke. Konstant blieb jedoch seine stark visuell geprägte Arbeitsweise: Meier kreierte zahlreiche grossformatige Kompositionspläne, die er in weiteren Arbeitsgängen «vertonte». Damit liefert sein Werk aufschlussreiches Vergleichsmaterial für die Auseinandersetzung mit der Musik des 20. Jahrhunderts und mit graphischen Notationsweisen. Diese erste Dokumentation von Meiers Schaffen veranschaulicht seine kompositorische Praxis mit über hundert, grösstenteils farbigen Abbildungen. Hinzu kommen zwölf werk- und kontextbezogene Essays, Auszüge aus Meiers Arbeitstagebüchern und ein Interview mit Interpreten; ergänzt wird der Band durch ein Werkverzeichnis und ein detailliertes Inventar der im Nachlass erhaltenen Quellen. Damit dient er als Handbuch zu Hermann Meier und gibt Einblick in ein bisher unbehandeltes Kapitel der Schweizer Musikgeschichte, dessen Entdeckung sich lohnt.
«Vollumfänglich ist diese großformatige, durchgängig farbig gedruckte und sorgfältig hergestellte Publikation eine Bereicherung für alle, die sich mit der Musik im 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Fand Hermann Meier bislang in der Musikgeschichtsschreibung (fast) keine Erwähnung, kreuzen sich in seinem Werk die prägenden Methoden der Nachkriegszeit, die Auseinandersetzungen mit der Strukturproblematik sowie Einflüsse der Musikphilosophie, sodass dieses breite Spektrum hier wie unter einem Brennglas betrachtet werden kann.»
«Angeregt von Mondrians konstruktiver Bildästhetik fand der Schweizer Hermann Meier (1906–2002), der als Schüler von W. Vogel und R. Leibowitz zunächst ein eigenes serielles Verfahren entwickelte, zur Komposition in graphischen Verlaufsskizzen von einer faszinierenden Bildästhetik – ein wunderbarer Bild-Textband zur Entdeckung eines noch unbekannten Visionärs.»
«Eine lohnende Publikation, die das Schaffen des Komponisten in den multidimensionalen Kontext seiner Zeit und Einflüsse setzt und zudem eine treue Begleiterin zur Entschlüsselung der meist unkommentierten Exponate [der Ausstellung] war.»
«‹Mondrian-Musik. Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier›. Die [...] Ausstellung, welche die junge Zürcher Musikologin Michelle Ziegler für das Kunstmuseum Solothurn realisiert hat, bildet einen Höhepunkt in der Entdeckung Meiers – und im besten Fall einen Anstoss mit konkreten Folgen. Wie es dazu kam? 2009 übergaben die Kinder Hermann Meiers den Nachlass des Komponisten der Paul Sacher-Stiftung in Basel, wo die Musikwissenschafterin Heidy Zimmermann mit dessen Aufarbeitung betraut wurde. Das heisst: Sichtung, Ordnung, Erschliessung, Restaurierung – denn die Dokumente befanden sich teilweise in bedenklichem Zustand. Zwei Jahre später kam Michelle Ziegler dazu, die für eine Dissertation von Heidy Zimmermann auf Hermann Meier hingewiesen wurde. Aus dem Dissertationsthema wurde ein Unternehmen, das in Bern von der Forschungsabteilung der Hochschule der Künste und vom Institut für Musikwissenschaft an der Universität betrieben wurde; 2013 bis 2016 lief es unter der Leitung von Roman Brotbeck als Projekt des Schweizerischen Nationalfonds, dessen Ergebnisse die Ausstellung in Solothurn nun auslegt. [...] Und nicht zuletzt ist zur Ausstellung ein von Heidy Zimmermann, Michelle Ziegler und Roman Brotbeck herausgegebener, reich illustrierter Katalog erhältlich, der, aus einem Symposion im Rahmen des Forschungsprojekts hervorgegangen, mit Grundlagen wie Biographie und Werkverzeichnis, aber auch mit einordnenden Betrachtungen aufwartet.»